Museen in Geiselhaft?
Um auf seine Finanznot aufmerksam zu machen, hatte die Stadt Gera Museen und Bibliotheken zeitweilig dicht gemacht. Nun will Eisenach nachziehen. Kritiker befürchten einen kulturellen "Flächenbrand".
Als die Museumskassiererin Elke Schneider am Abend des 5. November das Geburtshaus des Malers Otto Dix abschloss, war es nicht wie an einem gewöhnlichen Feierabend.
"So, das Haus ist gesichert."
"Und wie geht’s Ihnen jetzt?"
"Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, wann man wiederkommen darf. Ich meine, wir arbeiten ja alle gern hier."
"Und wie geht’s Ihnen jetzt?"
"Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, wann man wiederkommen darf. Ich meine, wir arbeiten ja alle gern hier."
Am Nachmittag des 5. November hatte die Oberbürgermeisterin der Stadt Gera ohne Vorwarnung verkündet, dass die Museen der Stadt und die Bibliotheken auf unbestimmte Zeit geschlossen würden. Der Schock saß. Museen als Verfügungsmasse der in Finanznöten steckenden Kommunen – das war etwas Neues. Es hagelte Proteste, nicht nur in Gera, sondern aus der gesamten deutschen Kulturöffentlichkeit. Der Hintergrund der Schließungsaktion: Gera ist hoch verschuldet, mit etwa 130 Millionen Euro.
Die Oberbürgermeisterin hatte ein Haushaltssanierungskonzept erarbeitet, dass die Schulden abbauen und die Stadt handlungsfähig erhalten sollte. Aber die parteilose Viola Hahn war mit ihrem Plan im Stadtrat gescheitert. Kurzerhand verfügte sie die Schließungen – angeblich, um Geld zu sparen. Ein paar Euro für Heizung und Strom, für Reinigung, für Personal. Nichts, womit man einen Haushalt sanieren könnte. Also eine Erpressung des Stadtrates, dem Sanierungskonzept doch noch zuzustimmen?
Olivia Hahn: "Nein, es war nur ein Zeichen gesetzt, keine Erpressung."
"Ein Zeichen für wen?"
"Ein Zeichen für alle. Zum einen für die Stadträte, dass sie noch mal überdenken, dass wir diesen Sparkurs einhalten müssen. Und aber auch ein Zeichen für alle, dass sie mitsparen müssen. Denn es betrifft ja eigentlich jeden, der sparen muss."
"Ein Zeichen für wen?"
"Ein Zeichen für alle. Zum einen für die Stadträte, dass sie noch mal überdenken, dass wir diesen Sparkurs einhalten müssen. Und aber auch ein Zeichen für alle, dass sie mitsparen müssen. Denn es betrifft ja eigentlich jeden, der sparen muss."
An der Kultur kann man sparen
Der Stadtrat verstand jedenfalls das Signal und zeigte Kompromissbereitschaft – worauf die Museen und Bibliotheken nach einem Tag Schließung wieder geöffnet hatten. Aber der Gedanke stand weiterhin im Raum: Dass man ja an der Kultur sparen kann. Dieser Gedanke wird in Gera weitergesponnen. So soll das Museum für Angewandte Kunst geschlossen werden? Ein Unding, findet Holger Nowak vom Thüringer Museumsverband.
"Die Schließung des MAK – auch wenn die Sprachregelung eine andere ist – eine 'Standortverlagerung', natürlich ist es eine Schließung eines Museums, das ist überhaupt keine Frage. Die Veränderung von Öffnungszeiten – geplant nur noch Freitag, Samstag, Sonntag: Das ist der Tod für ein Museum."
Aber es bleibt nicht bei Gera. Die Idee, an den Museen zu sparen, geistert durch Thüringen. Die Burg Ranis und drei Museen in Eisenach schließen zum Jahresanfang für mehrere Wochen. Und wenn auch die Begründungen unterschiedlich ausfallen: Der Spargedanke ist immer dabei. Im Erfurter Kultusministerium zeigt sich Minister Christoph Matschie darüber wenig erfreut.
"Ich habe ja dafür gesorgt, dass die Kommunen, die große Anstrengungen in der Kultur unternehmen, zusätzliches Geld vom Land bekommen. Es gibt einen sogenannten Kulturlastenausgleich; davon profitieren sowohl Gera als auch Eisenach. Und ich finde es nicht besonders klug, wenn man jetzt versucht, auf die Finanznöte der Kommunen mit Schließungen von Museen aufmerksam zu machen. Ich finde, hier muss sich eine Kommune ein bisschen mehr einfallen lassen."
Die Kultur sei das Pfund, mit dem Thüringen wuchern könne, gerade in strukturschwachen Städten wie Gera.
"… weil es eine einmalige Kulturlandschaft besitzt mit einer unglaublichen Dichte von Schlössern, Burgen, Theatern, Orchestern, Museen. Und das sollten wir präsentieren, und zwar selbstbewusst, und nicht dort den Rotstift ansetzen."
Und Holger Nowak vom Museumsverband warnt davor, dass das Beispiel weiter Schule macht.
"Das könnte ein Flächenbrand werden, ja. Das ist so."