Ramelow setzt auf Rot-Rot-Grün
Es gebe "ausreichend Inhalte und Schnittmengen für die gesamte Legislaturperiode" - deshalb setzt Bodo Ramelow (Linke) in Thüringen auf eine Koalition von Linke, SPD und Grünen. Er glaubt an wachsendes Vertrauen zwischen den drei möglichen Partnern.
Korbinian Frenzel: Gestern sah es erst mal so aus nach Schließung der Wahllokale, als würde es nichts, als würde es nicht reichen für Rot-Rot-Grün im neuen Thüringer Landtag, es reicht nun doch. Und der Mann, mit dem ich jetzt spreche, will aus der Theorie Praxis machen und selbst der erste Ministerpräsident aus den Reihen der Linkspartei werden. Bodo Ramelow, guten Morgen!
Bodo Ramelow: Guten Morgen!
Frenzel: Gewonnen hat diese Wahl die CDU mit ihrer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die meisten Stimmen, die kräftigsten Zuwächse, wenn man mal absieht von der AfD. Herr Ramelow, haben Sie schon gratuliert?
Ramelow: Es ist ja erst mal so, dass die CDU 2009 die krachendste Niederlage seit ihrer Existenz hatte, und von einem niedrigen Niveau ist Frau Lieberknecht gestartet, insoweit hat sie tatsächlich einiges zulegen können. Aber der Abstand zwischen Linker und CDU hat sich halbiert. Hatten wir noch 2009 zehn Punkte zwischen uns, sind es jetzt nur noch fünf Punkte und wir haben genauso zugelegt. Wir haben das höchste Wahlergebnis Deutschlands zu verteidigen gehabt mit 27,4 und haben auch das gesteigert. Und der Respekt gebietet es, dass denjenigen, die zugelegt haben, man gratuliert.
Frenzel: Okay, das heißt, das haben Sie getan!
Ramelow: Ja, selbstverständlich.
Frenzel: 2009 hätte ich Ihren Anspruch aber doch noch mal eher verstanden, da gab es ja schon die Möglichkeit, Rot-Rot-Grün zu machen. Die CDU, Sie haben es beschrieben, lag am Boden nach dieser krachenden Wahlniederlage. Damals ist es schon nicht zustande gekommen, warum ausgerechnet jetzt, wo – darüber werden wir gleich reden – die möglichen Partner nicht so besonders gut aussehen?
Ramelow: Ja, 2009 hat die CDU mit der krachenden Niederlage – nach der Adenauerschen Maxime: lieber die Regierung zur Hälfte als gar keine Regierung mehr – der SPD, deutlich über das Wahlergebnis, der SPD die Hälfte aller Ministerien, Staatssekretäre und so weiter gegeben. Damit hat sich dann die SPD entschieden, in die Landesregierung einzutreten, und jetzt hat sie es leider nicht fertiggebracht, den Wählern deutlich zu machen, was der sozialdemokratische Anteil in dieser Landesregierung war.
Und am Ende war es sogar so, dass die CDU fortlaufend die SPD-Minister öffentlich gedemütigt hat. Herr Mohring sprach sogar – das ist der CDU-Fraktionsvorsitzende – von Herrn Matschie – das ist der stellvertretende Ministerpräsident –, davon, seitdem Herr Matschie Kultusminister sei, sei Margot Honecker in die Schulen wieder eingezogen.
Frenzel: Wir führen die Debatte ja eigentlich immer, wenn es um Ihre Partei geht, Herr Ramelow, wenn es um die Linke geht, aber in Thüringen stellt sich diese Frage in anderer Richtung: Ist die SPD überhaupt regierungsfähig?
Werben um die SPD
Ramelow: Die SPD hat eine herbe Niederlage eingefahren und das ist bedauerlich. Es ist auch für mich schwer nachzuvollziehen, auch wenn ich es zur Kenntnis nehmen muss.
Die SPD hat das Thema Niedriglohn endlich wirksam beendet, dafür sage ich ausdrücklich Danke an den Minister, das war Herr Machnig, der es geschafft hat, wirklich mit diesem Imageproblem Thüringens aufzuräumen, dieses Imageproblem, das bei den Menschen, die unter solchen Bedingungen arbeiten mussten, tatsächlich zu Altersarmut geführt hat.
Und auch bei der Bildung ist es so, dass Herrn Matschie da einiges gelungen ist, längeres gemeinsames Lernen, die Gemeinschaftsschule ist auf den Weg gebracht worden. Und am Ende ist es daran gescheitert, dass Herr Voß, der CDU-Finanzminister, die Gelder nicht für die vereinbarten Lehrerstellen zur Verfügung gestellt hat.
Und am Ende hat sogar die CDU Herrn Matschie die Schuld in die Schuhe geschoben. Also, es hat einen Paradigmenwechsel in der Schuldzuweisung gegeben und da hat Frau Lieberknecht tatsächlich den Erfolg bei sich eingeheimst und die SPD hat es nicht geschafft deutlich zu machen, wofür sie in Thüringen steht. Und jetzt fehlt diese Kraft, diese deutliche Kraft, um den Politikwechsel kraftvoll hinzubekommen.
Aber eine Stimme Mehrheit für SPD/CDU, ist eine Stimme Mehrheit, die basiert zum Beispiel auf der Staatskanzlei-Ministerin Marion Walsmann, die ihren Stimmbezirk bei mir wieder abgeholt hat. In meinem Wahlbezirk gab es einen Wahlkrimi der besonderen Art noch auf der lokalen Ebene, Walsmann-Ramelow in ihrem Duell haben es geschafft, noch mehr Wähler zu mobilisieren, und am Ende habe ich zugelegt und Frau Walsmann zugelegt, Frau Walsmann hat noch mehr zugelegt, jetzt hat sie den Stimmbezirk wieder geholt. Aber das ist die eine Stimme – und das muss man einfach außerhalb von Thüringen zur Kenntnis nehmen – Frau Walsmann und Frau Lieberknecht, das wird keine Liebesgeschichte mehr. Und deswegen wird diese SPD/CDU-Einstimmenmehrheit alleine schon bei dieser Personalie deutlich, dass es nicht funktionieren kann.
Frenzel: Na gut, ich meine, die Wackeligkeit, die wäre auf Ihrer Seite ja sicherlich auch gegeben. In der SPD ist es höchst umstritten, wir wissen ja, dass es deswegen auch keine Koalitionsaussage gab. Sie haben ja jetzt schon ordentlich Honig ...
Ramelow: Ja, aber das haben doch die Wähler genau am Ende nicht goutiert, das ist ja auch das Problem.
Frenzel: Herr Ramelow, Sie haben jetzt schon ordentlich Honig um den Mund der Sozialdemokraten geschmiert, aber wenn ich Sie gerade anfangs richtig verstanden habe: Mit Ministerposten werden Sie dann nicht großzügig umgehen, Sie werden es nicht so machen wie Frau Lieberknecht?
Ramelow: Es gibt nichts zu verteilen, außer dass man einen politischen Neustart erst mal definiert. Und erst, wenn der definiert ist, kann man sagen, wie die Regierung sich ausgestaltet.
Und um eins klar zu sagen: Eine Koalition ist kein Betriebsunfall der Demokratie. Die CDU hat bisher immer so getan in Thüringen, als wenn die Staatskanzlei ihr ewiger Besitz sei und der Koalitionspartner immer nur der kujonierte Unterworfene sei.
Wir wollen eine andere Kultur von einer Koalition auf den Weg bringen, ein rot-rot-grünes Reformbündnis lebt davon, dass Vertrauen zwischen den drei Partnern entsteht und auch durchgehalten wird. Es muss für die gesamte Legislatur ausreichend Inhalte geben, die gibt es, da gibt es auch genügend Schnittmengen, und am Ende muss man das dann auch mit einer hauchdünnen Mehrheit durchhalten wollen.
Schelte für die AfD
Frenzel: Herr Ramelow, lassen Sie uns noch über die AfD reden, über den eigentlichen Gewinner dieser Landtagswahlen! Wie viel Verantwortung tragen Sie, trägt die Linke für den Erfolg der AfD?
Ramelow: Die Frage ist ja, wie viel Wählerwanderung hat es gegeben. Und da hat die AfD von allen Stimmen abgeholt. Und um es klar zu sagen: Wenn CDU und die Linke zugelegt hat, dann haben wir ja offenkundig wieder Wähler an uns gebunden. Und wir haben ein bestimmtes Klientel an Protest abgegeben. Und wenn ich es gestern richtig gesehen habe, sind es rund 16.000 Stimmen, die auch von uns wieder zur AfD gewandert sind. Von daher ist die AfD ein Sammelbecken von Protest gegen die da oben.
Frenzel: Und die lassen Sie gerne gehen?
Ramelow: Die Frage ist ja nicht, ob ich die gerne gehen lasse, sondern die Frage ist, ob man zum Beispiel bei der Ostrente einfach den Menschen in den neuen Bundesländern permanent in den Hintern tritt. Und dann gibt es Menschen, die sagen, okay, die Linke hat das zwar immer thematisiert, aber jetzt wollen wir denen mal einen Denkzettel erteilen, denn auch die Altersuhr tickt ja bei den Menschen, die sagen, ich will noch erleben, dass die Ostrente endlich angepasst wird!
Und ich glaube, dass eine AfD, die sich hinstellt und sagt, die innere Sicherheit der DDR sei eine bessere gewesen ... Also, glauben Sie mir, Sie hätten mir so einen Satz nicht durchgehen lassen! Dass eine Staatssicherheit und ein Staatssicherheitsgefängnis jetzt schon als innere Sicherheit gelobt wird von Herrn Lucke, was dann am Sonntag ja in einer Boulevardzeitung dazu geführt hat, dass er dann in MfS-Offizierskleidung gezeigt wurde, ja, das ist die AfD, ein Sammelbecken aus allem möglichen.
Und in Thüringen hat der Spitzenkandidat öffentlich gesagt, die Moschee in Erfurt sei ein Problem und man habe nur noch nicht die Minarette angebaut. In einem Bundesland, in dem wir, ich bitte Sie, nicht einmal zwei Prozent nichtdeutscher Menschen haben, dann den Muslimen sozusagen den Hassfaktor zuzuschieben, das finde ich schon unerhört!
Frenzel: Das sagt Bodo Ramelow, der Spitzenkandidat der Linken und möglicher künftiger Ministerpräsident in Thüringen. Ich danke Ihnen!
Ramelow: Bitte, gerne!
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