Thulisile Madonsela erhält den Deutschen Afrika-Preis 2016.
Südafrikas oberste Korruptionsbekämpferin
In der südafrikanischen Verfassung ist ein "public protector" festgeschrieben, ein mächtiger Ombudsmann, der gegen Machtmissbrauch und Korruption kämpft. Den Posten hat seit 2009 eine Frau inne: Thulisile Madonsela. Sie erhält den Deutschen Afrikapreis.
"You have to try this …"
Der deutsche Botschafter gibt alles. Lässt den Besuch aus Südafrika erst Käse aus dem Zillertal, dann einen Kaiserschmarrn probieren. Ihn, Walter Lindner, den großen weißen Mann mit dem Pferdeschwanz, erkennen einige Besucher auf dem Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt – sie, die schwarze Anwältin aus Johannesburg nicht. Zu Hause, in ihrer Heimat Südafrika, wäre das umgekehrt. Da wird Thulisile Madonsela bei öffentlichen Auftritten gefeiert wie ein Rockstar.
Dabei wirkt sie auf den ersten Blick schüchtern, spricht leise, bedächtig, ab und zu huscht während des Interviews ein kindliches Lächeln über ihr Gesicht. Zum Beispiel bei der Frage, ob früher tatsächlich ein Poster von Nelson Mandela in ihrem Zimmer hing. Ja, sagt sie – ich habe ihn sogar gemalt!
Mit ihrem großen Idol hat sie zusammen an der noch jungen südafrikanischen Verfassung gearbeitet, die als eine der fortschrittlichsten der Welt gilt.
"Public Protector" gegen Amtsmissbrauch
Vor allem, weil darin viele unabhängige Institutionen gegen Machtmissbrauch und Korruption festgeschrieben sind. An erster Stelle: ein mächtiger Ombudsmann, der sogenannte "public protector". Mandelas Nachfolger Jacob Zuma holt 2009 Thulisile Madonsela als erste Frau in dieses Wächteramt, in dem sie und ihre 300 Mitarbeiter sich in erster Linie mit Beschwerden einfacher Bürger beschäftigen. Ein Beispiel:
"Ein kleiner Geschäftsmann hat einen Auftrag für ein Mitglied der Regierung erledigt und ist mehr als zehn Jahre nicht dafür bezahlt worden. Nur, weil der Politiker der Ansicht ist, der Auftrag wurde nicht zu Ende gebracht."
Normalerweise würde ein Treffen zwischen beiden in Südafrika so ablaufen: Der Politiker kommt mit seinen Staatssekretären und bewaffneten Wachleuten. Der Geschäftsmann kommt allein, bringt vielleicht seine Mutter oder seine Schwester mit.
Madonselas Team hat beide Parteien an einen Tisch gebracht – ohne Waffen – und am Ende hat der Politiker den Geschäftsmann bezahlt.
Rentner bekommen ihre Pension ausgezahlt, Studenten ihre zugesagten Stipendien. Über 40.000 Eingaben sind in Madonselas Amtszeit in ihrem Büro eingegangen.
"Das einzige Mittel, dass wir gegen politische Vertreter haben, sind doch die Gerichte. Und in unserem Fall haben wir den Menschen einen weiteren Weg aufgezeigt, wie sie Politiker zur Rechenschaft ziehen können."
Jetzt, so Madonsela weiter, müssten nur noch die Politiker diesen Weg als demokratisch begreifen.
Sie knöpft sich auch den Staatspräsidenten vor
Beim ihrem Amtsantritt ermutigt Präsident Zuma seine Beamtin ihre Arbeit vorurteilsfrei und ohne Angst zu erledigen. Dass sie wenig später ihn ins Visier nimmt – stellt alle traditionellen afrikanischen Werte von der Macht des Patriarchen auf den Kopf.
Erst rechnet Madonsela Zuma vor, dass er Steuergelder zur Renovierung seiner Privatvilla benutzt hat. Er muss 13 Millionen Euro zurückzahlen. Dann veröffentlicht sie einen Bericht, in dem ihm vorgeworfen wird, dass er mit einer Unternehmerfamilie kungelt.
Die Reaktion: schmutzig. Zumas Anhänger beschimpfen ihre oberste Korruptionsbekämpferin als "CIA-Agentin" und "Populistin", Madonsela bekommt sogar Morddrohungen.
"Ich habe nicht mit dieser Art Anfeindungen gerechnet und sie haben mich auch verletzt. Ich habe sie dennoch überstanden. Zum einen, weil ich eine spirituelle Person bin und daran glaube, dass mich ein höheres Wesen beschützt. Auch fühlte ich mich nie allein, nie als einsamer Kreuzritter, sondern eher als der Teamplayer und alle im Team fühlten sich genauso angegriffen wie ich."
Sie lässt sich nicht einschüchtern
Einschüchtern lässt sich die 54-jährige Witwe nicht. Da komme ich wohl nach meinem Vater, sagt sie und lächelt. Der war ein umtriebiger Kleinhändler in Soweto und wurde regelmäßig von der Polizei aufgegriffen, weil er ohne Lizenz seine Waren verkaufte. Zu Hause hat er dann immer von seinen Triumphen vor Gericht erzählt, wie gut er sich selbst zu verteidigen wusste.
Seit ihrem David-gegen-Goliath-Coup gegen Jacob Zuma rufen die Menschen auf der Straße "Thuli for President". Schon mal drüber nachgedacht?
"Ja, habe ich und weiß ganz sicher, dass ich nicht Präsidentin sein möchte. Ich glaube, jeder hat seine Bestimmung im Leben und meine ist, individuelle Rechtsfragen zu klären. Ich sehe mich einfach nicht als Politikerin."
Den Mächtigen auf die Finger gucken wird und will sie aber auch nach dem Ende ihrer Amtszeit.
"Ich glaube aber, dass es den Politikern, die auf meinen Rat hören, besser ergehen wird."