Ticketkauf

Wenn die Lust auf den Stadionbesuch vergeht

04:02 Minuten
Eintrittskartenkauf am Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg
Ticketverkauf am Stadion gibt es immer seltener. Die Fans erwerben die meisten Eintrittskarten im Internet. © Imago / Eberhard Thonfeld
Von Heinz Schindler |
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Ob Vorkaufsrecht für Vereinsmitglieder oder Sicherheitsbedenken: Vereine machen es Fußballfans oft nicht leicht, Eintrittskarten zu kaufen. Unser Autor ärgert sich darüber - und betrachtet den Kauf eines Tickets ein wenig wie eine eigene Sportart.
Habe ich das schon mal erzählt?
Ich in Wiedenbrück - das war noch vor Corona - an der Stadionkasse. Fragt mich der Typ dahinter, für wen ich bin – Wiedenbrück oder die anderen, war Rot-Weiß Essen. Ich daraufhin: für gar keinen, will Fußball gucken.
Da ruft er dann den diensthabenden Dorfpolizisten, der im Grund nichts anderes will als ich. Der mustert dann mich, mittelgroß, angegraut, alter weißer Zuschauer halt - und weist mir einen Stehplatz irgendwo in der Kurve an der Eckfahne zu.

Stadionkassen sind oft geschlossen

Inzwischen sind wir da ja zum Glück weiter. In Sachen Digitalisierung. Da erreiche ich oftmals gar nicht mehr die Stadionkasse. Und nicht einmal den Online-Warenkorb.
Selbstversuch neulich: Stehplatz bei Paderborn gegen Osnabrück. Dort, wo ich auch schon während deren Bundesliga-Ausflug gestanden habe. Natürlich habe ich ein Konto dort – wie bei vielen anderen Vereinen auch.
Ich wohne übrigens weder in Osnabrück noch in Paderborn, bekomme aber mitgeteilt, für meine Bestellung gebe es kein Versandangebot. Ich möchte doch die Hotline anrufen.
Kostet schon mal Geld, mache ich aber. Lande irgendwo, kriege besagten Satz mit dem Versandangebot noch mal im Dialekt dargeboten.

Darf ich mich als Kunde abgezockt fühlen?

Offenbar habe ich die falsche Postleitzahl für diese Bestellung. Mein Spieltrieb bringt mich dazu, mir für dasselbe Spiel ein doppelt so teures Sitzplatzticket anzuklicken. Das könnte ich kriegen. Darf ich mich da als Kunde abgezockt fühlen? Ich breche diesen Vorgang ab.

In der Regel versuche ich es nun, über drei Ecken an ein Ticket zu kommen. Bekannte von Freunden und deren Verwandte, die ich überrede, Konten anzulegen bei Vereinen, mit denen die in der Regel nichts zu tun haben wollen. Vielleicht nicht einmal mit Fußball an sich.

Für Leverkusen habe ich noch keinen gefunden, der mir da weiterhelfen will. Und ob da nach den Dauerkartenbesitzern und Vereinsmitgliedern überhaupt noch Tickets übrig bleiben?

Bessere Ticketchancen mit Zusatzkosten

Man könnte in der Verteilung vorrücken, wenn man dem Löwen-Club beiträte. Kostet 35 Euro im Jahr und ich kriege dann sogar, neudeutsch, Content, der mich nicht interessiert für eine App, die ich nicht will auf einem Smartphone, das ich gar nicht habe.
Da macht es sich Drittligist Verl einfacher. Weist darauf hin, dass es beim Derby nur dann einen freien Kartenverkauf gibt, wenn es noch Karten zu kaufen gebe. Man holt sein Publikum eben intellektuell dort ab, wo man es vermutet.

Wie kommt die Laufkundschaft an Tickets?

Ich kapiere ja durchaus, dass es bei manchen Spielen Sicherheitsbedenken gibt, wenn da rivalisierende Fangruppen aufeinandertreffen. Auch, dass man je nach Gegner kein Auswärtsspiel im eigenen Stadion haben will.
Und ich finde den Grundgedanken auch nachvollziehbar, dass Vereinsmitglieder ein kurzzeitiges Vorkaufsrecht haben.

Aber wo bleiben all die, die man gemeinhin Laufkundschaft nennt? Wir sind natürlich eine relativ kleine Gruppierung. Aber daher offenbar auch gar nicht mehr relevant.

Es gibt auch auf den Seiten der Vereine nur noch „Heimfans“ und „Gästefans“.  Haben wir uns an diese Einfachheit eigentlich so sehr gewöhnt in den letzten Jahren? Ständiges Positionieren, schwarz oder weiß, Gemeinsamkeit nicht ohne Ausschluss anderer. Dafür oder dagegen?

Wenn meine Stimmung kippt

Manchmal betrachte ich dieses Ergattern einer Eintrittskarte schon ein wenig wie eine eigene Sportart. Immer wieder aber kippt dann meine Stimmung, wenn ich mir diesen Aufwand vor Augen führe - und dann vergeht mir die Lust auf den Stadionbesuch.

Dann gehe ich dort Fußball gucken, wo man sich über mein Geld freut und mich nicht einmal beim Lokalderby fragt, für wen ich bin.

Für den Rest gibt es ja Pay-TV. Und zur Not mal ein gutes Buch. Auch aus dem großen Regal. Manns Untertan oder Schillers Götz von Berlichingen. Passt immer öfter. 

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