Tief eingetaucht in einzigartige Schönheit

25.11.2012
Zwei Freunde beschließen, die Welt zu retten, und begeben sich auf eine Reise zum tiefsten Punkt der Erde. Das klingt ein wenig pathetisch, ist es auch, aber das Ergebnis dieses Impulses ist ein spannender Bericht über die unerforschte Tiefsee.
Leo Ochsenbauer, österreichischer Journalist und begeisterter Sporttaucher, erzählt, eingebettet in einen anschaulichen Reisebericht, der als Rahmenhandlung fungiert, viel Wissenswertes über die 70 Prozent unseres Planeten. Die Faszination, die ihn und seinen Reisebegleiter Marcus motivieren, hat er mit zahlreichen Informationen aus Wissenschaft und Forschung versehen, vermittelt somit gekonnt wichtige Zusammenhänge der Meeresbiologie und erzählt gleichzeitig von der Einzigartigkeit und Schönheit der Unterwasserwelt.

In der Tiefsee liegen große Schätze, dabei handelt es sich nicht nur um Ölvorkommen oder Fische, auch Wirkstoffe gegen Krebs scheint die Tiefsee zu bergen. Wie diese gesucht und getestet werden, aber auch welche Hoffnungen sich damit verbinden, erzählt der Autor. Warum wird soviel Geld in die Weltraumforschung gesteckt, fragt Leo Ochsenbauer zu Recht, wenn in nur elf Kilometern Meerestiefe eine Region existiert, die der Mensch kaum kennt und deren Potential enorm ist. Mehr als 90 Prozent der Meere sind heute noch unerforscht. Hier will Leo Ochsenbauer Aufklärungsarbeit leisten. Dazu hat er drei Monate lang eine Auszeit genommen und sich gemeinsam mit seinem Freund ausschließlich dem Thema Tiefsee gewidmet.

Ihre Informationsquellen erstrecken sich quer über den Planeten: das Naturkundemuseum in Wien, eine Unterwasserstation des berühmten Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau im Sudan, eine Tauchbasis für Touristen in Costa Rica, wertvolle Schiffswracks im Atlantik vor Florida und natürlich der Marianengraben im Pazifik. Den tiefsten Punkt der Erde haben bislang erst drei Menschen besucht.

Jedes Reiseziel ist mit einem bestimmten Meeresthema verbunden. Dramaturgisch eine sehr gelungene Zusammensetzung, die durch einen gekonnten Wechsel zwischen Reportage und Faktenwissen nahtlos ineinander übergeht. Im letzten Kapitel über den Marianengraben stehen zum Beispiel forschungshistorische Fragen im Mittelpunkt, in den vorherigen Kapiteln geht es um die Konstruktion von Tauchbooten oder die vielen seltenen Tierarten, die in der Tiefsee leben. Eine gelungene Mischung, die ein großes Spektrum an Themen anbietet: Von Goldschätzen vor der Küste Floridas über schwarze Raucher und Urzeitfische bis zur legendären Titanic.

Bei der spannenden Lektüre wären bunte Bilder eine wunderbare Ergänzung gewesen. Warum aber ausschließliche Schwarz-Weiß-Fotos ausgewählt wurden, ist nicht nachvollziehbar.

Die Lebendigkeit, die der Text vermittelt, findet sich hier leider nicht wieder. Mit farblosen Bildern lässt sich die faszinierende Welt der Tiefsee nicht zeigen.

Der lockere Plauderton in den Reportagen lädt dagegen zum Verweilen ein. Fesselnde Beschreibungen über die Erlebnisse in den verschiedenen Ländern und die aufregenden Tauchgänge bis zu 3000 Metern Tiefe sind echte Highlights. Dabei verlässt der Autor aber nie seine kritische Haltung. Kommentare zu Umweltkatastrophen, Ölbohrungen oder Fischereibestimmungen tauchen bis zur letzten Zeile immer wieder auf.

So werden neben aller Faszination und Schönheit auch die Gefahren deutlich, die das Leben in der Tiefsee gefährden.

Besprochen von Susanne Nessler

Leo Ochsenbauer: Tiefsee. Reise zu einem unerforschten Planeten
Kosmos Verlag, Stuttgart 2012
256 Seiten, 19,99 Euro
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