Tiernovellen über Menschen
Melancholisch und sehnsuchtsvoll, poetisch dicht und mit viel Humor schreibt Gerbrand Bakker vom Leben der Menschen mit den Tieren. Er schreibt über die Tiere und erzählt so von den Menschen. Entstanden sind kurze Geschichten mit langem Nachhall.
Die komischen Vögel, das lernt man schnell, sind nicht zwangsläufig die Tiere: Wir selbst sind es, die Menschen. Der niederländische Schriftsteller Gerbrand Bakker, international bekannt geworden durch seinen Roman "Oben ist es still" liebt und verehrt sie, die Tierwelt. Ganz egal, ob er von einer Gewitterfliege im Auge, einer Ziege auf den Bahngleisen oder einem Kätzchen ohne Frauchen erzählt.
Subjektiv, bitterböse und mit mikroskopischer Genauigkeit hat Gerbrand Bakker ein "Tiertagebuch" verfasst – dass es sich dabei keineswegs um ungeschliffene Seelenkunde handelt, erklärt der Autor selbst im Nachwort: "Dieses Buch sollte ein Tiertagebuch werden, nicht das Tagebuch von Gerbrand Bakker".
So geht die Form dieses Bandes weit über das hinaus, was man von Tagebucheinträgen erwarten würde: Messerscharfe Beobachtungen in Gestalt von Kürzestprosa, Texte, bei denen Tiere zwar immer der Auslöser der Geschichte sind – aber nicht unbedingt das Hauptthema. Melancholisch und sehnsuchtsvoll, poetisch dicht und mit viel Humor schreibt Bakker vom Leben der Menschen mit den Tieren.
Beispielsweise erzählt er in einem Text vom Zusammentreffen mit einem auf Pelztiere spezialisierten Tierarzt am FKK-Strand: Aus der ohnehin schon absurden Konstellation entwickelt sich eine komische Szene mit einem schielenden Kakadu, zahlreichen Hunden und tiefsinnigen Gesprächen über den eigenwilligen Geruch der Pferde.
Bakker schafft es immer wieder, mit nur wenigen Sätzen den Kosmos einer ganzen Erzählung zu entfalten. Manche Texte sind stärker als andere, die anekdotisch an der Oberfläche bleiben. Aber genau diese Mischung aus Gelegenheitskolumnen und literarischen Schmuckstücken gehört zum Prinzip von "Komische Vögel": Gerbrand Bakker hat das Buch aus Texten zusammengestellt, die er in seinem Blog und in Tageszeitungen schon veröffentlicht hat.
Reine Zweitverwertung ist sein Tiertagebuch aber nicht: Alle Texte hat er überarbeitet und neu geordnet, das bringt reizvolle Überschneidungen mit sich: Ereifert sich der Autor zehn Seiten vorher in einer Kolumne über ein Ereignis, relativiert er seine Meinung möglicherweise einige Tage später in einem weiteren Text. Die Frage, warum es immer wieder Tiere sind, die den niederländischen Schriftsteller so beschäftigen, beantwortet Gerbrand Bakker übrigens selbst so: "Ich fürchte, ich gehöre zu den Leuten, die in Fernsehberichten über Naturkatastrophen oder auf entsprechenden Zeitungsfotos zunächst nur die Tiere sehen und erst danach die verstörten Menschen."
Die Texte in "Komische Vögel" stehen dabei in der Tradition bester Kürzestprosa und erinnern an die "Minutennovellen" eines István Örkény. Bakker gelingt ein literarisches Kunststück: Er schreibt über die Tiere und erzählt so von den Menschen. Und dauert es auch manchmal nur zwei Minuten, um eine Miniatur aus dem Tiertagebuch zu lesen: Sie hallt noch lange nach.
Besprochen von Martin Becker
Gerbrand Bakker: "Komische Vögel. Tiertagebuch"
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
Insel Verlag, Berlin 2012
159 Seiten, 8,99 Euro
Subjektiv, bitterböse und mit mikroskopischer Genauigkeit hat Gerbrand Bakker ein "Tiertagebuch" verfasst – dass es sich dabei keineswegs um ungeschliffene Seelenkunde handelt, erklärt der Autor selbst im Nachwort: "Dieses Buch sollte ein Tiertagebuch werden, nicht das Tagebuch von Gerbrand Bakker".
So geht die Form dieses Bandes weit über das hinaus, was man von Tagebucheinträgen erwarten würde: Messerscharfe Beobachtungen in Gestalt von Kürzestprosa, Texte, bei denen Tiere zwar immer der Auslöser der Geschichte sind – aber nicht unbedingt das Hauptthema. Melancholisch und sehnsuchtsvoll, poetisch dicht und mit viel Humor schreibt Bakker vom Leben der Menschen mit den Tieren.
Beispielsweise erzählt er in einem Text vom Zusammentreffen mit einem auf Pelztiere spezialisierten Tierarzt am FKK-Strand: Aus der ohnehin schon absurden Konstellation entwickelt sich eine komische Szene mit einem schielenden Kakadu, zahlreichen Hunden und tiefsinnigen Gesprächen über den eigenwilligen Geruch der Pferde.
Bakker schafft es immer wieder, mit nur wenigen Sätzen den Kosmos einer ganzen Erzählung zu entfalten. Manche Texte sind stärker als andere, die anekdotisch an der Oberfläche bleiben. Aber genau diese Mischung aus Gelegenheitskolumnen und literarischen Schmuckstücken gehört zum Prinzip von "Komische Vögel": Gerbrand Bakker hat das Buch aus Texten zusammengestellt, die er in seinem Blog und in Tageszeitungen schon veröffentlicht hat.
Reine Zweitverwertung ist sein Tiertagebuch aber nicht: Alle Texte hat er überarbeitet und neu geordnet, das bringt reizvolle Überschneidungen mit sich: Ereifert sich der Autor zehn Seiten vorher in einer Kolumne über ein Ereignis, relativiert er seine Meinung möglicherweise einige Tage später in einem weiteren Text. Die Frage, warum es immer wieder Tiere sind, die den niederländischen Schriftsteller so beschäftigen, beantwortet Gerbrand Bakker übrigens selbst so: "Ich fürchte, ich gehöre zu den Leuten, die in Fernsehberichten über Naturkatastrophen oder auf entsprechenden Zeitungsfotos zunächst nur die Tiere sehen und erst danach die verstörten Menschen."
Die Texte in "Komische Vögel" stehen dabei in der Tradition bester Kürzestprosa und erinnern an die "Minutennovellen" eines István Örkény. Bakker gelingt ein literarisches Kunststück: Er schreibt über die Tiere und erzählt so von den Menschen. Und dauert es auch manchmal nur zwei Minuten, um eine Miniatur aus dem Tiertagebuch zu lesen: Sie hallt noch lange nach.
Besprochen von Martin Becker
Gerbrand Bakker: "Komische Vögel. Tiertagebuch"
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
Insel Verlag, Berlin 2012
159 Seiten, 8,99 Euro