GPS-Ortung statt Kuhglocke
Kuhglocken sind zu laut, zu schwer und in Zeiten von Satellitenortung völlig unnötig - das besagt eine Studie, die sich auf den Tierschutzbund beruft. Die Tierschützer fordern GPS-Sender, um die Tiere zu schonen. Alm-Bauern halten das für "Schmarrn".
Wenn Almbauer Max Kögel aus Thanners im Allgäu an Tierschützer denkt, dann geht ihm der Trachtenhut hoch!
"Das ist furchtbar. Die gehen mir so auf den Keks!"
Was den bayerischen Landwirt so erbost, ist eine wissenschaftliche Studie, die nahelegt: Kuhglocken schaden den Kühen. Ja geht's noch? fragt Kögel.
"Wir haben so viele Sorgen – Milchpreis und Auflagen und so weiter. Dass wir uns mit so etwas nicht befassen. Aber Leute, die keine Arbeit haben, haben Zeit, über so etwas nachzusinnen. Mir schaffet 14 Stunden am Tag und sind dann müde. Wir haben keine Zeit für so einen Schmarrn wie die!"
Die – das ist vor allem Dr. Edna Hillmann, eine deutsche Forscherin am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich. Hillmann behauptet: Kühe mit einer Glocke am Hals seien weniger entspannt als Kühe ohne Glocke. Sie veränderten ihr Verhalten beim Grasen.
"Wenn ich sage, ihr Verhalten ändert sich, dann meine ich: Sie liegen weniger. Sie fressen und wiederkäuen weniger. Und sie bewegen den Kopf weniger als Kühe, die keine Glocke tragen."
Hillmann hatte 15 Kühe mit verschiedenen Messgeräten versehen. Darunter Geräusch-Sensoren. Ergebnis: Die Ohren der Kühe würden mit 90 bis 110 Dezibel beschallt. So viel wie ein Presslufthammer oder eine Polizeisirene.
Forscherin Hillmann hatte die Kühe drei Tage lang beobachtet. Viel zu kurz, behauptet Milchbauer Kögel, stellvertretender Vorsitzender des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu. Kögel deutet auf seine vier Mastbullen auf der Weide.
"Denen ist es pudelwohl mit den Schellen und Glocken. Die haben überhaupt kein Problem, das ist sicher."
Die Kühe schauen, wie Kühe nun mal schauen. Schwierig, in ihre riesigen Schädel zu blicken. Einige Tierschützer sehen in den großen Augen aber große Qualen: Nancy Holten - ausgerechnet eine Holländerin - verlangt ein Kuhglocken-Verbot. Nicole Brühl, die Präsidentin des Deutschen Tierschutzbundes in Bayern, fordert zumindest weitere Studien. Die stellt Forscherin Hillmann in Aussicht:
Maximal Zwei-Kilo-Glocken
"Wenn wir jetzt noch mal einen solchen Versuch machen würden, über eine längere Zeit, und noch mal ähnliche Ergebnisse finden würden, dann kann und sollte man sich die Frage stellen, wie Glocken und Tierwohl zusammenpassen."
Bei einer neuen Studie allerdings sollten die Kuhglocken leichter sein, fordert der Ruhpoldinger Almbauer Ludwig Böddecker. Fünf Kilogramm wie bei der Züricher Untersuchung, das sei Festtags-Geläut für den Almabtrieb. Alltagsgebimmel höre sich anders an.
"Das ist jetzt zum Beispiel eine Glocke für ein einjähriges Tier. Wiegt 800 bis 900 Gramm. Größere Tier haben eineinhalb bis maximal zwei Kilo schwere Glocken."
Glocken gehören wie Edelweis auf die Alm
Ob nun zwei oder fünf Kilo: Für den Allgäuer Kuhflüsterer Kögel gehören Glocken auf die Almweide wie Edelweiß und Murmeltiere.
"Das ist überhaupt keine Tierquälerei. Die sollten mal bei Nebel ein Tier in den Alpen suchen. Im Wald. Wenn die Viecher abhauen, weiß man nur durch die Glocke, wo sie sind. Man hört immer wieder, dass Kühe ohne Glocke ausbüxen, und die suchen sie tagelang und finden sie gar nicht mehr."
Es sei denn, die Kühe werden statt Glocken mit modernen GPS-Sendern ausgestattet. Das ist in manchen oberbayerischen Bauernhöfen bereits üblich. Weil die Computer-Chips auch den voll automatisierten Melk-Roboter steuern. Dann allerdings müssen auch Touristen auf das traditionelle Bimmeln verzichten. Ein Glockenverbot, heißt es aus dem bayerischen Landwirtschaftsministerium, sei nicht geplant. Die ganze Diskussion sei nichts als ein Sommerloch-Thema, weil in diesem Jahr keine Krokodile in Badeseen aufgetaucht seien. Vielleicht haben die Kuhglocken aber auch die Krokodile verscheucht.