Tierschutz

Warum Tierheime hoffnungslos überfüllt sind

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Eine Tigerkatze schaut durch eine Glastür. Hinter ihr sind in der Unschärfe weitere Katzen in einem Tierheim zu sehen.
Nach der letzten Welle mit im Lockdown angeschafften Tieren droht den Tierheimen wegen stark steigender Tierarztkosten bereits die nächste. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Jörn Straehler-Pohl |
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Von Corona bis Inflation: Ausgesetzte oder abgegebene Tiere stehen auch für größere gesellschaftliche Krisen. Das Hamburger Tierheim hat wie viele andere längst Probleme, die Fundtiere unterzubringen. Dabei steht eine neue Welle wohl erst noch bevor.
Nino, ein ziemlich struppiger Kater, hat schon ganz schön was auf dem Buckel. „Wir wollen ihn mal in die Praxis bringen, einmal auf die Waage stellen“, sagt Danilo Saß. Der Tierarzt des Tierheims in der Hamburger Süderstraße hat den Kater mühsam wieder aufgepäppelt.
„Der war, als er kam, eigentlich nicht mehr stehfähig. Er war kurz vor dem diabetischen Koma, haben wir dann im Blut festgestellt. Ganz schlimm verfloht, ganz furchtbar abgemagert, ausgetrocknet“, erzählt er.
„Inzwischen macht er wieder einen ganz guten Eindruck, ist auf sein Insulin eingestellt, und wir wollen heute einmal schauen, was er wiegt, wie viel er zugenommen hat und ob er jetzt langsam mal vermittelt werden kann.“

Die Kosten für Haustiere steigen

Was der kranke Kater Nino hinter sich hat, warum er ausgesetzt wurde oder vielleicht auch weggelaufen ist – das wissen höchstens sein früherer Besitzer oder seine Besitzerin. Nino könnte aber bald das Schicksal vieler Fundtiere teilen. Hunde oder Katzen, die ihren Haltern einfach zu teuer werden.
„Wir befürchten das, ja. Gar nicht mal unbedingt, weil die Leute plötzlich ihre Tiere nicht mehr wollen oder nicht mehr mögen, sondern weil sie es schlicht nicht mehr können. Wenn die krank werden, brauchen die eine gewisse Versorgung, und die kostet einfach sehr, sehr viel Geld. Das ist nicht immer absehbar, das kann ja einfach ein Fass ohne Boden sein“, erklärt er.
Denn nicht nur Tierfutter wird teurer. Ab Oktober steigen die Kosten für den Tierarzt deutlich. Eine Ultraschalluntersuchung kostet dann beispielsweise nicht mehr 42, sondern gleich 59 Euro, weil die alte Gebührenordnung für Tierärzte nach langen Jahren komplett überarbeitet wurde.

Abgabewelle nach dem Lockdown

Es droht also die nächste Welle an Fundtieren. Nach der letzten Welle mit den Corona-Tieren. Hunde oder Katzen, die im Lockdown angeschafft wurden und mit denen die Halterinnen und Halter dann doch nichts anfangen konnten, sagt Janet Bernhardt, die Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins.
„Wir selbst haben versucht, dagegen anzugehen, und haben wirklich nachgefragt, wenn Anfragen waren in der Corona-Zeit: Sind die Tiere wirklich auf Dauer? Oder ist das jetzt nur wegen der Corona-Zeit? Sofern jemand gesagt hat: Ich bin jetzt im Homeoffice, ich will mir jetzt einen Hund anschaffen, haben wir dann gleich quasi einen Strich davor gemacht und gesagt: So funktioniert das nicht“, erzählt sie.
Janet Bernhardt zeigt das weitläufige Gelände des Hamburger Tierheims. Die Hundezwinger und die eingezäunten Auslaufflächen. Das Katzenhaus. Ein Teich für Schildkröten. Eine Freifläche mit Mini-Schweinen, die krank und abgemagert waren, als sie ins Tierheim kamen. Die Volieren mit den Sittichen, Finken und Kanarienvögeln.
Viele der Gehege und Zwinger sind in die Jahre gekommen – das Geld für Neubauten wäre zwar da, sagt die Vereinschefin. Das Problem sind eher fehlende Flächen, weil rund um das Tierheim bereits gebaut werden soll.

Rekordzahlen in den Sommerferien

Was auch kaum reicht, ist der Platz für die vielen Tiere, die hier aufgenommen werden. Gerade während der Sommerferien.

Es ist erschreckend. Ich bin mittlerweile seit mehr als 30 Jahren im Tierschutz aktiv und sehe es jedes Jahr, dass die Zahlen der ausgesetzten Tiere, der Fundtiere, der Abgabetiere deutlich ansteigt. Tatsächlich ist immer wieder der Grund: Wir fahren in den Urlaub, oder wir machen irgendwie eine Weltreise oder was auch immer, und wir können das Tier nicht mitnehmen. Deswegen werden die Tiere halt abgeschoben.

Janet Bernhardt, Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins

Janet Bernhardt spricht von einem neuen, traurigen Rekord in diesem Sommer – mehr als 200 Tiere seien in den Ferien aufgenommen worden. Ein Teil der Probleme, die das Tierheim hat, war lange Zeit aber auch hausgemacht. Der Verein hatte jahrelang Hunderte Straßenhunde von Rumänien nach Hamburg geholt. Sie sollten hier an neue Besitzer vermittelt werden. Ob das aber wirklich sinnvoll war, das ist umstritten.
Dazu kamen schwere interne Zerwürfnisse. Dem damaligen Vereinsvorstand wurde vorgeworfen, Beschäftigte schlecht zu behandeln. Inzwischen gibt es einen komplett neuen Vorstand, und es ist wieder ruhiger geworden um den Hamburger Tierschutzverein.
Zurück in die Praxis von Tierarzt Danilo Saß und zu Kater Nino. „600 Gramm zugenommen, das ist super“, freut sich der Tierarzt. Aber das Tier ist noch ganz schön dünn oder? „Ja, ist immer noch sehr schlank. Er soll ja auch nicht dick werden, aber wenn man den gesehen hat, wie der hier ankam.“

Viele Wildtiere werden abgegeben

Aber es sind längst nicht nur Haustiere, um die sich Danilo Saß kümmern muss. Mehr und mehr werden auch Wildtiere ins Tierheim gebracht – oft auch gesunde Jungvögel, die hier eigentlich nichts zu suchen haben.
„Man hat immer so das Gefühl, die Menschen wissen noch, wie eine Taube aussieht“, erklärt er. „Die wissen: Das ist ein Eichhörnchen und das ist ein Igel. Da hört es dann aber auch langsam auf. Vor allem wissen sie dann nicht: Was brauchen die eigentlich? Wie leben die eigentlich?“

Die Menschen sammeln dann alles ein, was für sie offensichtlich von den Eltern verlassen wurde und bringen es her. Manche Leute sind dann wirklich erbost darüber, dass wir sagen: Mensch, setzen Sie es doch wieder dahin, die Mutter sucht es bestimmt, das ist doch kein Problem bei Vögeln, die füttert es dann weiter. Da ist die Einsicht manchmal nicht so da.

Danilo Saß, Tierarzt

Das Tierheim hat bereits mehr als 4700 Wildtiere in diesem Jahr aufgenommen. Wenn der Trend anhält, könnten es in diesem Jahr mehr als 7000 Tiere werden – auch das wäre dann ein neuer Rekord.
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