TikTok gegen Fake News

Intransparent und dilettantisch

12:15 Minuten
Illustration: "Beitrag melden" auf einem Smartphonedisplay.
TikTok wollte es besser machen als Facebook & Co., aber Studienautor Marcus Bösch überzeugt der Umgang der Plattform mit Fake News und Desinformation nicht. © imago / PantherMedia / Karsten Ehlers
Marcus Bösch im Gespräch mit Katja Bigalke und Dennis Kogel |
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Technisch "grottoid" seien die Maßnahmen, mit denen TikTok seine Plattform von Falschinformationen zur Bundestagswahl frei halten wollte, sagt Marcus Bösch, Autor einer Studie zu diesem Thema. Da hilft auch die Kooperation mit der ARD nicht.
Wenn es um Transparenz und Kontrolle von Fake News geht, ist TikTok auch nicht besser als die anderen großen Plattformen: So könnte man grob das Ergebnis einer Studie zusammenfassen, die die Mozilla Foundation über die Bemühungen TikToks erstellt hat, Fake News und Desinformation im Vorfeld der Bundestagswahl zu entfernen oder zumindest kenntlich zu machen.
"TikTok ist da ganz großartig in der PR. Sie haben früh angekündigt: Wir werden die Integrität der Plattform und die gesamte Integrität der Bundestagswahl schützen", sagt Marcus Bösch, einer der Autoren der Studie mit Blick auf eine in Kooperation mit der ARD entstandene In-App-Informationsseite zur Wahl bei TikTok.
Im Umgang mit fragwürdigen Inhalten verfolgte die Plattform dabei offenbar die Strategie, den gesamten Content zu labeln, sagt Bösch. "Das heißt, immer wenn da ein Video ist, wo wir nicht so genau wissen, ob das jetzt gut ist oder nicht, packen wir da einen Warnhinweis drauf und verlinken auf die Infoseite."

SPD steht auch für "Sexual pleasure device"

In der Praxis allerdings offenbarten sich Bösch zufolge Schwächen bei dieser Vorgehensweise: "Das Problem ist, dass diese Labels technisch so grottoid angelegt wurden, dass man schlicht und ergreifend nur die Raute weglassen muss von einem Hashtag – schreibt man halt Merkel hin und nicht #Merkel – und schon ist auf meinem Video kein Informationsbanner zur Bundestagswahl mehr drauf."
Oder dass zu viele Videos mit einem Label versehen wurden, etwa jedes Video das den Hashtag SPD beinhaltete: "SPD heißt aber in sehr vielen Sprachen der Welt nun mal was anderes, nicht Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sondern Sexual pleasure device oder Schizoid Personality Disorder", so Bösch. "Oder FDP – Filho da puta –, die wurden dann auch alle mit einem deutschen Infolabel versehen, was natürlich dazu geführt hat, dass der gewiefte User, die Userin sich nach dem dritten Hinweis dann auch gedacht hat: Leute, was ist das hier? Und das schmälert den Erfolg dann doch deutlich."

Eine Bundestagsseite, die keine ist

Auch Desinformationsseiten haben die Autoren der Studie auf TikTok gefunden: Zum Beispiel einen Account "der Bundestag", der 14.000 Follower gehabt habe und eine relevante Zahl von Likes. "Der sah vordergründig auch aus wie ein Account des Deutschen Bundestags. Da waren ausschließlich Bundestagsreden drauf, geklaut vom Parlamentsfernsehen, und auf den ersten und zweiten Blick sah das okay aus", sagt Bösch.
"Wenn man sich weitergehend damit auseinandersetzt, stellt man aber fest: Wenn ungefähr 88 Prozent der Videos ausschließlich von der AfD handeln, dann wird hier sehr geschickt eigentlich ein AfD-Duktus auf der Plattform verbreitet unter einem Deckmantel und mit ganz klarer Desinformationsabsicht, nämlich so zu tun als ob es sich um einen offiziellen Account handelt, während es eigentlich ein Propagandakanal ist."
TikTok habe die beanstandeten Accounts gelöscht, sagt Bösch. "Die mediale Berichterstattung bleibt natürlich nicht ohne Wirkung, möchte ich hoffen."
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