Til Schweiger: Filmkritik und Unterhaltungskino gehen nicht zusammen
Der Schauspieler und Regisseur Til Schweiger hat sich vor dem morgigen Kinostart seines neuen Filmes "1 1/2 Ritter" kritisch zur Rolle der Filmrezension in den Feuilletons geäußert. "Richtige Filmkritik und Unterhaltungskino aus Deutschland - das geht nicht zusammen", sagte Schweiger im Deutschlandradio Kultur. Natürlich habe die Kritik das Recht, seinen Film schlecht zu finden. Er habe aber ebenso das Recht, auf eine Pressevorführung des Filmes zu verzichten,.
Joachim Scholl: Herr Schweiger, Sie haben in Sachen Erfolg schon mal ordentlich vorgelegt. "Keinohrhasen" ist einer der erfolgreichsten Filme, die je in Deutschland gedreht worden sind. Und da ist natürlich auch die Erwartung für das Nachfolgewerk riesengroß, damit natürlich auch der Erfolgsdruck. Wie haben Sie das wahrgenommen? War das eher Ansporn oder hemmt einen das eher mit so einem Knaller im Rücken?
Til Schweiger: Weder noch, weder noch. Also ich habe immer den Ansporn oder den Anspruch, den bestmöglichen Film zu machen, wenn ich einen Film anfange. Und danach hat man das nicht mehr in der Hand. Da kann man noch versuchen, den Film zu bewerben, eine Öffentlichkeit zu erschaffen für den Film, und der Rest ist nicht mehr planbar. Da trifft man den Nerv der Zuschauer oder man haut gnadenlos dran vorbei. Das ist also theoretisch beides möglich. Wenn ich jetzt davon träumen würde, dass der Film wieder so erfolgreich wird wie "Keinohrhasen", dann setze ich mich ja dem Scheitern geradezu aus. Und deswegen, ich bin eigentlich eher so ein Zweckpessimist, ich sage, ich finde den Film toll. Wenn die Erwartung nicht so hoch hängt, kann man auch nicht so tief fallen.
Scholl: Herr Schweiger, Ihre Filme spielen meist in der Jetztzeit, vom "Roten Baron" mal abgesehen, der ja so in die Zwanzigerjahre geht, funktionieren auch so ein bisschen im Wechselspiel mit dem Zeitgeist. Warum auf einmal jetzt Mittelalter?
Schweiger: Das ist einfach zu erklären. Das Drehbuch habe ich nicht selber geschrieben, das kam so bei uns auf den Tisch. Und ich habe es gelesen und fand es extrem lustig und charmant und entzückend, und die Idee eben, das Mittelalter sehr modern zu zeigen. Und Sie haben ja schon erwähnt, es gibt einen McSpieß, also eine Fastfoodkette, es gibt aber auch eine Disko, wo die Prinzessin ihre Favorite Boy Band sich anschaut. Und das Konzept fand ich so charmant, dass ich gesagt habe, den Film möchte ich machen. Und das Zeitalter, eigentlich lasse ich lieber die Finger weg von sogenannten "Period Pieces", weil die Kosten einfach schon durch Ausstattung und Kostüme höher sind als bei einem zeitgenössischen Film.
Scholl: Rick Kavanian als Comedian, der unter anderem die "Bullyparade" groß gemacht hat, sind Sie es ja gewohnt, in die abseitigsten Rollen zu schlüpfen. War da die Figur des türkischen Halbritters Erdal so etwas wie das gewohnte Geschäft für Sie?
Rick Kavanian: Nein, ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich bin mit der Erfahrung oder mit dem Ansatz eigentlich des gewohnten Geschäftes in den ersten Drehtag, und das war jetzt auch die Kerkerszene. Und wir haben die geprobt und Til kam irgendwann zu mir, hat mich beiseite genommen und hat gesagt: Nee! Und ich so: Wie nee? Und da sagt er, nee, ich stelle ich mir das anders vor. Und da war ich erst mal vor den Kopf geschlagen. Er fand es zwar komisch, was ich gemacht habe, aber ihm hat so die Tiefe gefehlt der Figur. Er hat gesagt: Ich glaube dir das nicht, was du machst. Es ist witzig, was du machst, aber ich möchte eine Figur, mit der sich die Leute identifizieren können, eine Figur, die die Leute mögen.
Das war im ersten Moment ein kleiner Schock, weil das war so eine Herausforderung, die mir nicht bewusst war. Ich wusste nicht, dass er tatsächlich so einen großen Wert drauf legt. Vor allen Dingen wusste ich auch nicht, dass er so eine genaue Vorstellung von der Figur hat. Und dann hatten wir allerdings die Möglichkeit, diese Figur am ersten Drehtag ziemlich genau herauszuarbeiten. Und dann habe ich eine Nacht drüber geschlafen und wusste im Grunde, was er meint. Und dann, so ab dem zweiten, dritten Drehtag, da wusste ich genau, in welche Richtung er möchte. Und das war tatsächlich ein anderes Spielen als sonst.
Scholl: Klingt ja fast nach "Method Acting", sei ein Wiener Schnitzel oder so?
Kavanian: Nein, das Wiener Schnitzel habe ich mir für einen anderen Film aufgehoben.
Schweiger: Das wollen wir doch nicht verpulvern.
Kavanian: Das war tatsächlich, es war einfach eine andere Herangehensweise.
Scholl: Sie sind als Comedian groß geworden, waren dann viel im Fernsehen zu sehen, an der Seite von Bully Herbig. Mit dem zusammen haben Sie dann auch den Sprung auf die große Leinwand gewagt, "Der Schuh das Manitu", ein Riesenerfolg. Bald wird man Sie in Ihrer ersten Hauptrolle sehen, so ganz ohne Verkleidung, ohne Perücke, ohne Klamaukeinsatz, ohne Dialekt. Wie geht es Ihnen mit dieser Entwicklung?
Kavanian: Ach, eigentlich ganz gut, ich bin ganz froh drum. Vor allen Dingen freut es mich, dass es so in die Richtung geht, aus dem Grund, weil es für mich eine neue Herausforderung – ich sage mal, der Erdal ist echt auch, obwohl er verkleidet ist, ich sag mal so, sein Innenleben ist nicht groß maskiert. Also ich denke, man begreift ihn relativ schnell. Und ja, bei "Mord ist mein Geschäft, Liebling", da bin ich tatsächlich ohne Brille, ohne Dialekt, mit meiner eigenen Stimme. Es war eine große Herausforderung. Ich bin auch so ein bisschen vorsichtig. Es ist sehr ungewohnt, sich so zu sehen, und es ist auch sehr ungewohnt, sich so zu präsentieren. Und ich bin natürlich gespannt, wann …
Schweiger: (…) Der Film ist toll, "Mord ist mein Geschäft".
Scholl: Wir sind gespannt. Wenn man den Besetzungszettel von "1½ Ritter" liest, da denkt man, um Himmels Willen, wer spielt da eigentlich nicht mit.
Schweiger: Da gibt es ein paar. (…) einige Schauspieler wahnsinnig gerne noch dabei gehabt.
Scholl: Sie haben wahnsinnig viel Leute dabei, wo ich dann denke, um Himmels Willen. Bei "Keinohrhasen", Til Schweiger, haben Sie es ja ähnlich gemacht, im Ansatz jedenfalls. Man hat so ein bisschen das Gefühl, für jedes der Publikümer ist was dabei. Yvonne Catterfeld, die Klitschkos, Jürgen Vogel, Wolfgang Stumpf, das zieht die denn alle ins Kino. Jetzt bei "1½ Ritter" habe ich so das Gefühl, ist es noch mal eine (…) weitergedreht. Also Focus-Chef Markwort spielt den Chefredakteur der Schild-Zeitung, Thomas Gottschalk ist dabei, Robert Blanco, Udo Kier, Hannelore Elsner, Fatih Akin. Ist das so ein bisschen, na, falsche Formulierung vielleicht, aber ist das so ein bisschen Kalkül, um da möglichst viele potenzielle Zuschauerschichten einzufangen oder eher so eine Art gelebtes Ferienlagergefühl, wir machen uns mal einen Riesenspaß und ich schare mal so ein bisschen die Meinen um mich?
Schweiger: Na ja, also die Meinen, ich meine, ich hatte mit Thomas Gottschalk vorher nicht viel zu tun. Er ist nicht so, wie ich es – jetzt gehört er vielleicht dazu, zur erweiterten Family, sage ich mal –, aber er war das vorher nicht. Das war für mich einfach der Unterhaltungskönig von Deutschland und hatte aber, als ich auf der Schauspielschule war vor 1000 Jahren, einen ZDF-Film mit ihm gesehen, da spielte er einen Lehrer und eben absolut authentisch. Und da habe ich gedacht, oh, wenn das passt, dann kann der auch richtig spielen. Ich hatte natürlich dann auch so ein bisschen den Ehrgeiz, der Welt zu zeigen oder Deutschland zu zeigen, dass Thomas Gottschalk ein richtig toller König sein kann. Und das ist er. Also die Leute, die wir sehen, selbst Herr Markwort, der kein Schauspieler ist, das funktioniert.
Scholl: Das würde mich eigentlich sehr interessieren. Also bei "Barfuß" zum Beispiel ist es mir aufgefallen, wie präzise dieses Ding doch ist, wie unglaublich akribisch getimt, und dann muss man am Set mit jemandem arbeiten, der vielleicht eine tolle Zeitung macht oder ein guter Showmaster ist, aber genau mit diesen Kategorien – Timing, Intensität, Präzision – nichts anfangen kann. Ist das wahnsinnig schwierig, ist das Kindergarten?
Schweiger: Das ist nicht Kindergarten. Man braucht Geduld und man muss Vertrauen schenken, das muss man aber sowieso jedem Schauspieler. Weil ein Schauspieler, der kein Vertrauen hat oder der Angst hat, der kann nicht locker sein und dann kann er auch nicht gut sein. Und es dauert halt bei Helmut Markwort, das liegt in der Natur der Sache, deutlich länger als bei Rick.
Scholl: Ich habe gelesen, Til Schweiger, dass bei den Dreharbeiten zu "1½ Ritter" ein sogenannter Schnittbus am Set stand, und jeden Abend nach Ende der Dreharbeiten haben Sie dann die Szenen, den Ertrag des Tages geschnitten. Das ist sehr praktisch, andererseits aber doch ein bisschen problematisch, weil man doch bei diesem Verfahren so gar keinen Abstand zum Material bekommt. Und das bringt ja auch ein bisschen was, wenn man einfach mal ein bisschen liegen lässt und sich dann noch mal aus der Distanz nähert, um schöpferisch hier ranzugehen. Wie war das bei Ihnen?
Schweiger: Es bringt immer was, Sachen liegen zu lassen, aber es macht viel mehr Sinn, einen fertig geschnittenen Film oder der sogenannte Rohschnitt, den liegen zu lassen oder verschiedene Stadien des Schnittes, den liegen zu lassen, weil da habe ich den gesamten Film. Und ein Film ist erst immer im Gesamtrhythmus, funktioniert er oder funktioniert nicht. Eine ungeschnittene Szene liegen zu lassen, bringt mir keinen Abstand, ganz im Gegenteil, doch, sie bringt mir Abstand, aber keinen guten Abstand, weil ich muss mir dann alles noch mal von vorne angucken. Ich weiß aber am nächsten Tag – weil du drehst ja eine Szene, das geht ins Kopierwerk, und am nächsten Tag wird es digitalisiert, in den Computer eingeladen, und dann weiß ich noch genau, wirklich wie so ein kleiner, wie nennt man das, so …
Scholl: Computer.
Schweiger: … Computer, ich weiß noch genau, welchen Blick oder welches Lächeln oder welche Betonung ich in dem und dem Take am besten hatte. Ich weiß da auch viel besser Bescheid als mein Cutter, weil der war ja beim Drehen nicht dabei , und wir hatten noch gar keine Zeit, das zu sichten.
Scholl: Der kann aber auch sagen, auf mich wirkt das jetzt so und so, weil er eben nicht diesen Eindruck vom Dreh selber hat.
Schweiger: Absolut, natürlich, das sagt er auch. Das sagen auch viele. Also in der Entstehung, bei mir dürfen – es gibt ja auch Regisseure, die lassen niemanden in den Schneideraum, das ist ein Verbrechen, das geht nicht, das muss alles hoch geheim – bei mir kann jeder rein, jeder, weil das ist immer neuer Input.
Scholl: Das Publikum, wenn man den Foren im Internet glauben darf, das freut sich ein Loch in den Bauch. Die Filmkritiker sind nicht so begeistert, die fühlen sich ausgeschlossen, denn eine Pressevorführung gab es nicht. Und Til Schweiger, Sie sagen ja auch, dass Sie nicht die Filmkritik beeindrucken möchten, sondern das Publikum erreichen wollen. Ich frage mich, man kann doch das eine machen und muss das andere nicht lassen, oder?
Schweiger: Ich will am liebsten natürlich auch die Filmkritik beeindrucken, aber man kann nicht alles haben. Und ich habe mir irgendwann einfach mal überlegt, woran liegt das, dass, egal welchen Film ich mache, das nicht funktioniert. Und es ist einfach so, das geht nicht zusammen. Die richtige Filmkritik und Unterhaltungskino aus Deutschland, das geht nicht zusammen. Mehr kann man eigentlich dazu nicht sagen, außer dass ich eben wirklich, dass genauso wie die Kritik das Recht hat, meinen Film schlecht zu finden, das ist ihr absolutes Recht und das spreche ich keinem ab, aber genauso habe ich das Recht zu sagen, ich zeige meinen Film nicht, weil das kostet Geld zur Vorführung. Und wenn ich weiß, wie der Outcome ist, also das Ergebnis schon von vornherein feststeht, dann brauche ich das nicht.
Scholl: Ein tapferer Ritter hält das aus, oder?
Schweiger: Ich bin ja kein tapferer Ritter, ich bin ein sensibler Künstler.
Scholl: Wenn man jetzt karottenpsychologisch denken würde, dann müsste man fragen, was steckt denn da dahinter? Sind Sie da gekränkt worden, ist es Angst vor Verrissen oder ist es vielleicht auch …
Schweiger: Nicht Angst und auch nicht gekränkt. Ich denke da einfach – jetzt kann man von Kalkül reden –, ich sage mir, warum soll ich einen Film, an dem ich so lange gearbeitet habe, warum soll ich den dem Risiko aussetzen, wo ich das Ergebnis eigentlich vorher weiß. Das kann ich belegen. Es war kein Film, den ich gemacht habe – ob das "Knockin’ on Heaven’s Door" war oder "Barfuß" oder "Der Eisbär", da gab es nichts, nichts, nichts Gutes.
Scholl: Nun gut, aber auf der anderen Seite bringen Sie sich ja auch dadurch um die Chance, positiv überrascht zu werden.
Schweiger: Nein, ich bringe mich um die Chance, die Wahrnehmung in diesen Zeitungen kriege ich eben nicht. Und deswegen verstehe ich auch gar nicht, dass das so groß diskutiert wird.
Scholl: Stichwort Kritik: Wenn Til Schweiger sagt, nein, ich mache das so, wie ich mir das vorstelle, und die Kritiker kriegen den Film vorab nicht zu sehen, dann trifft das ja eigentlich auch alle, die ganzen Gewerke. Und dann gibt es ja auch keinen Kritiker, der zum Beispiel sagen würde, hej, der Rick Kavanian, der legt da eine richtig tolle Leistung hin, also so ein bisschen mitgefangen, mitgehangen. Wurmt Sie das?
Kavanian: Ach überhaupt nicht. Also ich, das soll jetzt nicht vermessen klingen, aber man entwickelt über die Jahre auch ein Gefühl für das, was man macht. Und ich freue mich natürlich, wenn die Leute die Leistung gut finden. Aber was mir wichtig ist, ist zu sehen, dass ich in meiner Rolle im Film funktioniere. Und das kann man auch, sage ich mal, nach ganz allgemeinen Maßstäben bewerten. Nach wie vor stehe ich vor dem Standpunkt, mir ist das Lob des Publikums, ganz ehrlich gesagt, wichtiger als das, sage ich mal, des Kritikers.
Scholl: Ich frage deswegen so penetrant nach, weil ich irgendwie ein bisschen eine andere Wahrnehmung habe. Also selbst jemand wie Lars-Olav Beier vom "Spiegel", der sich es nicht nehmen lässt, auf jeden Film sehr, sehr kritisch einzuhauen, der schreibt in jedem seiner Artikel, aber wirklich in jedem, mindestens zweimal, dass Til Schweiger der einzig große Filmstar Deutschlands ist und dass er sich wünscht, dass dieser Erfolg weiterhin anhält.
Schweiger: Das ist ja schön, aber ich meine, es tut mir leid, das soll jetzt nicht eingebildet klingen, das ist einfach nur ein Fakt. Wenn er es jetzt nicht schreiben würde, dann wäre es auch okay. Dass er sich das wünscht, eigentlich wünschen es sich ja alle, aber viele tragen nicht dazu bei. Der deutsche Film hat es so schwer, allein schon wahrgenommen zu werden, weil er … Die Entwicklung früher, da gab es Filme, die konnten über Mundpropaganda ein Jahr lang im Kino laufen und dadurch auch zum Erfolg werden, wie "Der bewegte Mann" zum Beispiel. Der würde heute nicht mehr funktionieren, weil mit den Zahlen, die "Der bewegte Mann" damals gemacht hat am Anfang, würde der sofort aus dem Kino rausfliegen. Und das ist, weil eben die, gerade die amerikanischen Filme kommen mit so vielen Kopien, dass kein Platz mehr ist für kleine, gute deutsche Filme. Und heute, die Zahlen sind dramatisch, die Zahlen gehen runter, und die Leute gucken heute, die jungen Leute spielen lieber Computer.
Til Schweiger: Weder noch, weder noch. Also ich habe immer den Ansporn oder den Anspruch, den bestmöglichen Film zu machen, wenn ich einen Film anfange. Und danach hat man das nicht mehr in der Hand. Da kann man noch versuchen, den Film zu bewerben, eine Öffentlichkeit zu erschaffen für den Film, und der Rest ist nicht mehr planbar. Da trifft man den Nerv der Zuschauer oder man haut gnadenlos dran vorbei. Das ist also theoretisch beides möglich. Wenn ich jetzt davon träumen würde, dass der Film wieder so erfolgreich wird wie "Keinohrhasen", dann setze ich mich ja dem Scheitern geradezu aus. Und deswegen, ich bin eigentlich eher so ein Zweckpessimist, ich sage, ich finde den Film toll. Wenn die Erwartung nicht so hoch hängt, kann man auch nicht so tief fallen.
Scholl: Herr Schweiger, Ihre Filme spielen meist in der Jetztzeit, vom "Roten Baron" mal abgesehen, der ja so in die Zwanzigerjahre geht, funktionieren auch so ein bisschen im Wechselspiel mit dem Zeitgeist. Warum auf einmal jetzt Mittelalter?
Schweiger: Das ist einfach zu erklären. Das Drehbuch habe ich nicht selber geschrieben, das kam so bei uns auf den Tisch. Und ich habe es gelesen und fand es extrem lustig und charmant und entzückend, und die Idee eben, das Mittelalter sehr modern zu zeigen. Und Sie haben ja schon erwähnt, es gibt einen McSpieß, also eine Fastfoodkette, es gibt aber auch eine Disko, wo die Prinzessin ihre Favorite Boy Band sich anschaut. Und das Konzept fand ich so charmant, dass ich gesagt habe, den Film möchte ich machen. Und das Zeitalter, eigentlich lasse ich lieber die Finger weg von sogenannten "Period Pieces", weil die Kosten einfach schon durch Ausstattung und Kostüme höher sind als bei einem zeitgenössischen Film.
Scholl: Rick Kavanian als Comedian, der unter anderem die "Bullyparade" groß gemacht hat, sind Sie es ja gewohnt, in die abseitigsten Rollen zu schlüpfen. War da die Figur des türkischen Halbritters Erdal so etwas wie das gewohnte Geschäft für Sie?
Rick Kavanian: Nein, ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich bin mit der Erfahrung oder mit dem Ansatz eigentlich des gewohnten Geschäftes in den ersten Drehtag, und das war jetzt auch die Kerkerszene. Und wir haben die geprobt und Til kam irgendwann zu mir, hat mich beiseite genommen und hat gesagt: Nee! Und ich so: Wie nee? Und da sagt er, nee, ich stelle ich mir das anders vor. Und da war ich erst mal vor den Kopf geschlagen. Er fand es zwar komisch, was ich gemacht habe, aber ihm hat so die Tiefe gefehlt der Figur. Er hat gesagt: Ich glaube dir das nicht, was du machst. Es ist witzig, was du machst, aber ich möchte eine Figur, mit der sich die Leute identifizieren können, eine Figur, die die Leute mögen.
Das war im ersten Moment ein kleiner Schock, weil das war so eine Herausforderung, die mir nicht bewusst war. Ich wusste nicht, dass er tatsächlich so einen großen Wert drauf legt. Vor allen Dingen wusste ich auch nicht, dass er so eine genaue Vorstellung von der Figur hat. Und dann hatten wir allerdings die Möglichkeit, diese Figur am ersten Drehtag ziemlich genau herauszuarbeiten. Und dann habe ich eine Nacht drüber geschlafen und wusste im Grunde, was er meint. Und dann, so ab dem zweiten, dritten Drehtag, da wusste ich genau, in welche Richtung er möchte. Und das war tatsächlich ein anderes Spielen als sonst.
Scholl: Klingt ja fast nach "Method Acting", sei ein Wiener Schnitzel oder so?
Kavanian: Nein, das Wiener Schnitzel habe ich mir für einen anderen Film aufgehoben.
Schweiger: Das wollen wir doch nicht verpulvern.
Kavanian: Das war tatsächlich, es war einfach eine andere Herangehensweise.
Scholl: Sie sind als Comedian groß geworden, waren dann viel im Fernsehen zu sehen, an der Seite von Bully Herbig. Mit dem zusammen haben Sie dann auch den Sprung auf die große Leinwand gewagt, "Der Schuh das Manitu", ein Riesenerfolg. Bald wird man Sie in Ihrer ersten Hauptrolle sehen, so ganz ohne Verkleidung, ohne Perücke, ohne Klamaukeinsatz, ohne Dialekt. Wie geht es Ihnen mit dieser Entwicklung?
Kavanian: Ach, eigentlich ganz gut, ich bin ganz froh drum. Vor allen Dingen freut es mich, dass es so in die Richtung geht, aus dem Grund, weil es für mich eine neue Herausforderung – ich sage mal, der Erdal ist echt auch, obwohl er verkleidet ist, ich sag mal so, sein Innenleben ist nicht groß maskiert. Also ich denke, man begreift ihn relativ schnell. Und ja, bei "Mord ist mein Geschäft, Liebling", da bin ich tatsächlich ohne Brille, ohne Dialekt, mit meiner eigenen Stimme. Es war eine große Herausforderung. Ich bin auch so ein bisschen vorsichtig. Es ist sehr ungewohnt, sich so zu sehen, und es ist auch sehr ungewohnt, sich so zu präsentieren. Und ich bin natürlich gespannt, wann …
Schweiger: (…) Der Film ist toll, "Mord ist mein Geschäft".
Scholl: Wir sind gespannt. Wenn man den Besetzungszettel von "1½ Ritter" liest, da denkt man, um Himmels Willen, wer spielt da eigentlich nicht mit.
Schweiger: Da gibt es ein paar. (…) einige Schauspieler wahnsinnig gerne noch dabei gehabt.
Scholl: Sie haben wahnsinnig viel Leute dabei, wo ich dann denke, um Himmels Willen. Bei "Keinohrhasen", Til Schweiger, haben Sie es ja ähnlich gemacht, im Ansatz jedenfalls. Man hat so ein bisschen das Gefühl, für jedes der Publikümer ist was dabei. Yvonne Catterfeld, die Klitschkos, Jürgen Vogel, Wolfgang Stumpf, das zieht die denn alle ins Kino. Jetzt bei "1½ Ritter" habe ich so das Gefühl, ist es noch mal eine (…) weitergedreht. Also Focus-Chef Markwort spielt den Chefredakteur der Schild-Zeitung, Thomas Gottschalk ist dabei, Robert Blanco, Udo Kier, Hannelore Elsner, Fatih Akin. Ist das so ein bisschen, na, falsche Formulierung vielleicht, aber ist das so ein bisschen Kalkül, um da möglichst viele potenzielle Zuschauerschichten einzufangen oder eher so eine Art gelebtes Ferienlagergefühl, wir machen uns mal einen Riesenspaß und ich schare mal so ein bisschen die Meinen um mich?
Schweiger: Na ja, also die Meinen, ich meine, ich hatte mit Thomas Gottschalk vorher nicht viel zu tun. Er ist nicht so, wie ich es – jetzt gehört er vielleicht dazu, zur erweiterten Family, sage ich mal –, aber er war das vorher nicht. Das war für mich einfach der Unterhaltungskönig von Deutschland und hatte aber, als ich auf der Schauspielschule war vor 1000 Jahren, einen ZDF-Film mit ihm gesehen, da spielte er einen Lehrer und eben absolut authentisch. Und da habe ich gedacht, oh, wenn das passt, dann kann der auch richtig spielen. Ich hatte natürlich dann auch so ein bisschen den Ehrgeiz, der Welt zu zeigen oder Deutschland zu zeigen, dass Thomas Gottschalk ein richtig toller König sein kann. Und das ist er. Also die Leute, die wir sehen, selbst Herr Markwort, der kein Schauspieler ist, das funktioniert.
Scholl: Das würde mich eigentlich sehr interessieren. Also bei "Barfuß" zum Beispiel ist es mir aufgefallen, wie präzise dieses Ding doch ist, wie unglaublich akribisch getimt, und dann muss man am Set mit jemandem arbeiten, der vielleicht eine tolle Zeitung macht oder ein guter Showmaster ist, aber genau mit diesen Kategorien – Timing, Intensität, Präzision – nichts anfangen kann. Ist das wahnsinnig schwierig, ist das Kindergarten?
Schweiger: Das ist nicht Kindergarten. Man braucht Geduld und man muss Vertrauen schenken, das muss man aber sowieso jedem Schauspieler. Weil ein Schauspieler, der kein Vertrauen hat oder der Angst hat, der kann nicht locker sein und dann kann er auch nicht gut sein. Und es dauert halt bei Helmut Markwort, das liegt in der Natur der Sache, deutlich länger als bei Rick.
Scholl: Ich habe gelesen, Til Schweiger, dass bei den Dreharbeiten zu "1½ Ritter" ein sogenannter Schnittbus am Set stand, und jeden Abend nach Ende der Dreharbeiten haben Sie dann die Szenen, den Ertrag des Tages geschnitten. Das ist sehr praktisch, andererseits aber doch ein bisschen problematisch, weil man doch bei diesem Verfahren so gar keinen Abstand zum Material bekommt. Und das bringt ja auch ein bisschen was, wenn man einfach mal ein bisschen liegen lässt und sich dann noch mal aus der Distanz nähert, um schöpferisch hier ranzugehen. Wie war das bei Ihnen?
Schweiger: Es bringt immer was, Sachen liegen zu lassen, aber es macht viel mehr Sinn, einen fertig geschnittenen Film oder der sogenannte Rohschnitt, den liegen zu lassen oder verschiedene Stadien des Schnittes, den liegen zu lassen, weil da habe ich den gesamten Film. Und ein Film ist erst immer im Gesamtrhythmus, funktioniert er oder funktioniert nicht. Eine ungeschnittene Szene liegen zu lassen, bringt mir keinen Abstand, ganz im Gegenteil, doch, sie bringt mir Abstand, aber keinen guten Abstand, weil ich muss mir dann alles noch mal von vorne angucken. Ich weiß aber am nächsten Tag – weil du drehst ja eine Szene, das geht ins Kopierwerk, und am nächsten Tag wird es digitalisiert, in den Computer eingeladen, und dann weiß ich noch genau, wirklich wie so ein kleiner, wie nennt man das, so …
Scholl: Computer.
Schweiger: … Computer, ich weiß noch genau, welchen Blick oder welches Lächeln oder welche Betonung ich in dem und dem Take am besten hatte. Ich weiß da auch viel besser Bescheid als mein Cutter, weil der war ja beim Drehen nicht dabei , und wir hatten noch gar keine Zeit, das zu sichten.
Scholl: Der kann aber auch sagen, auf mich wirkt das jetzt so und so, weil er eben nicht diesen Eindruck vom Dreh selber hat.
Schweiger: Absolut, natürlich, das sagt er auch. Das sagen auch viele. Also in der Entstehung, bei mir dürfen – es gibt ja auch Regisseure, die lassen niemanden in den Schneideraum, das ist ein Verbrechen, das geht nicht, das muss alles hoch geheim – bei mir kann jeder rein, jeder, weil das ist immer neuer Input.
Scholl: Das Publikum, wenn man den Foren im Internet glauben darf, das freut sich ein Loch in den Bauch. Die Filmkritiker sind nicht so begeistert, die fühlen sich ausgeschlossen, denn eine Pressevorführung gab es nicht. Und Til Schweiger, Sie sagen ja auch, dass Sie nicht die Filmkritik beeindrucken möchten, sondern das Publikum erreichen wollen. Ich frage mich, man kann doch das eine machen und muss das andere nicht lassen, oder?
Schweiger: Ich will am liebsten natürlich auch die Filmkritik beeindrucken, aber man kann nicht alles haben. Und ich habe mir irgendwann einfach mal überlegt, woran liegt das, dass, egal welchen Film ich mache, das nicht funktioniert. Und es ist einfach so, das geht nicht zusammen. Die richtige Filmkritik und Unterhaltungskino aus Deutschland, das geht nicht zusammen. Mehr kann man eigentlich dazu nicht sagen, außer dass ich eben wirklich, dass genauso wie die Kritik das Recht hat, meinen Film schlecht zu finden, das ist ihr absolutes Recht und das spreche ich keinem ab, aber genauso habe ich das Recht zu sagen, ich zeige meinen Film nicht, weil das kostet Geld zur Vorführung. Und wenn ich weiß, wie der Outcome ist, also das Ergebnis schon von vornherein feststeht, dann brauche ich das nicht.
Scholl: Ein tapferer Ritter hält das aus, oder?
Schweiger: Ich bin ja kein tapferer Ritter, ich bin ein sensibler Künstler.
Scholl: Wenn man jetzt karottenpsychologisch denken würde, dann müsste man fragen, was steckt denn da dahinter? Sind Sie da gekränkt worden, ist es Angst vor Verrissen oder ist es vielleicht auch …
Schweiger: Nicht Angst und auch nicht gekränkt. Ich denke da einfach – jetzt kann man von Kalkül reden –, ich sage mir, warum soll ich einen Film, an dem ich so lange gearbeitet habe, warum soll ich den dem Risiko aussetzen, wo ich das Ergebnis eigentlich vorher weiß. Das kann ich belegen. Es war kein Film, den ich gemacht habe – ob das "Knockin’ on Heaven’s Door" war oder "Barfuß" oder "Der Eisbär", da gab es nichts, nichts, nichts Gutes.
Scholl: Nun gut, aber auf der anderen Seite bringen Sie sich ja auch dadurch um die Chance, positiv überrascht zu werden.
Schweiger: Nein, ich bringe mich um die Chance, die Wahrnehmung in diesen Zeitungen kriege ich eben nicht. Und deswegen verstehe ich auch gar nicht, dass das so groß diskutiert wird.
Scholl: Stichwort Kritik: Wenn Til Schweiger sagt, nein, ich mache das so, wie ich mir das vorstelle, und die Kritiker kriegen den Film vorab nicht zu sehen, dann trifft das ja eigentlich auch alle, die ganzen Gewerke. Und dann gibt es ja auch keinen Kritiker, der zum Beispiel sagen würde, hej, der Rick Kavanian, der legt da eine richtig tolle Leistung hin, also so ein bisschen mitgefangen, mitgehangen. Wurmt Sie das?
Kavanian: Ach überhaupt nicht. Also ich, das soll jetzt nicht vermessen klingen, aber man entwickelt über die Jahre auch ein Gefühl für das, was man macht. Und ich freue mich natürlich, wenn die Leute die Leistung gut finden. Aber was mir wichtig ist, ist zu sehen, dass ich in meiner Rolle im Film funktioniere. Und das kann man auch, sage ich mal, nach ganz allgemeinen Maßstäben bewerten. Nach wie vor stehe ich vor dem Standpunkt, mir ist das Lob des Publikums, ganz ehrlich gesagt, wichtiger als das, sage ich mal, des Kritikers.
Scholl: Ich frage deswegen so penetrant nach, weil ich irgendwie ein bisschen eine andere Wahrnehmung habe. Also selbst jemand wie Lars-Olav Beier vom "Spiegel", der sich es nicht nehmen lässt, auf jeden Film sehr, sehr kritisch einzuhauen, der schreibt in jedem seiner Artikel, aber wirklich in jedem, mindestens zweimal, dass Til Schweiger der einzig große Filmstar Deutschlands ist und dass er sich wünscht, dass dieser Erfolg weiterhin anhält.
Schweiger: Das ist ja schön, aber ich meine, es tut mir leid, das soll jetzt nicht eingebildet klingen, das ist einfach nur ein Fakt. Wenn er es jetzt nicht schreiben würde, dann wäre es auch okay. Dass er sich das wünscht, eigentlich wünschen es sich ja alle, aber viele tragen nicht dazu bei. Der deutsche Film hat es so schwer, allein schon wahrgenommen zu werden, weil er … Die Entwicklung früher, da gab es Filme, die konnten über Mundpropaganda ein Jahr lang im Kino laufen und dadurch auch zum Erfolg werden, wie "Der bewegte Mann" zum Beispiel. Der würde heute nicht mehr funktionieren, weil mit den Zahlen, die "Der bewegte Mann" damals gemacht hat am Anfang, würde der sofort aus dem Kino rausfliegen. Und das ist, weil eben die, gerade die amerikanischen Filme kommen mit so vielen Kopien, dass kein Platz mehr ist für kleine, gute deutsche Filme. Und heute, die Zahlen sind dramatisch, die Zahlen gehen runter, und die Leute gucken heute, die jungen Leute spielen lieber Computer.