Der Zauber der Reduktion
Bassist Dieter Ilg und Trompeter Till Brönner kennen sich seit 20 Jahren. Nach einigen gemeinsamen Live-Auftritten haben sie nun ein Album herausgebracht – mit eigenen Stücken, Songs von Cohen bis Beatles, und mit Lied 347 aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch.
Till Brönner ist einer der erfolgreichsten Jazzmusiker Deutschlands und wie so oft – wenn jemand erfolgreich ist – hat er viele Neider. Die Kritik, die Missgunst an ihm und seiner Musik hat oft etwas sehr Provinzielles und Kleingeistiges. Denn eines wird dabei oft vergessen: Till Brönner ist nicht nur ein ausgezeichneter Perfomer und ein guter Kommunikator, er ist vor allem auch ein – in technischer Hinsicht – großartiger Trompeter. Besonders deutlich wird so etwas in der kleinen Form, in der Reduktion.
Die nichtgespielten Noten
Schon der große Miles Davis hat immer wieder betont, dass die nicht gespielten Noten im Jazz mindestens die gleiche Bedeutung haben, wie die tatsächlich gespielten.
Das beherzigen auch Till Brönner und Dieter Ilg auf ihrem gemeinsamen Album "Nightfall". Wenn man ohne Harmonieinstrument agiert, Trompete und Bass nicht in hyperaktiver Absicht spielt, dann bleiben automatisch Zwischenräume. Brönner sagt:
"Diese Räume auch nicht zu füllen ist interessanterweise etwas, das für den Zuhörer eine Herausforderung darstellt, an die er sich aber ungefähr nach fünf Minuten bis zehn Minuten im Konzert gewöhnt hat, also das Gehör ist offenbar dazu in der Lage, sich das, was nicht zu hören ist, dazu zu denken. Und das regt nach unserer Erfahrung und unserer Empfindung wirklich das Gehirn und das Herz an."
In der Tat regt diese Musik, wie es Till Brönner formuliert und beabsichtigt, den Kopf, vor allem aber das Herz an – und natürlich auch den Bauch. Beide Musiker erzeugen einen zauberhaften Gesamtsound. Der Phantasie seien trotz der großen Reduktion ohnehin keine Grenzen gesetzt, meint Dieter Ilg.
"Und die Phantasie des Zuhörers in einer Pause, ist genau die gleiche wie bei einem gespielten Ton; und dann überlegt man sich manchmal schon, ob man den einen Ton oder den anderen Ton spielt. Dadurch entstehen dann automatisch Pausen. Ich würde mal sagen, die Tatsache, dass nur zwei Instrumente spielen, regt schon so genug Phantasie an, dass ich das jederzeit und sofort und jetzt wiederholen würde."
"Diese Räume auch nicht zu füllen ist interessanterweise etwas, das für den Zuhörer eine Herausforderung darstellt, an die er sich aber ungefähr nach fünf Minuten bis zehn Minuten im Konzert gewöhnt hat, also das Gehör ist offenbar dazu in der Lage, sich das, was nicht zu hören ist, dazu zu denken. Und das regt nach unserer Erfahrung und unserer Empfindung wirklich das Gehirn und das Herz an."
In der Tat regt diese Musik, wie es Till Brönner formuliert und beabsichtigt, den Kopf, vor allem aber das Herz an – und natürlich auch den Bauch. Beide Musiker erzeugen einen zauberhaften Gesamtsound. Der Phantasie seien trotz der großen Reduktion ohnehin keine Grenzen gesetzt, meint Dieter Ilg.
"Und die Phantasie des Zuhörers in einer Pause, ist genau die gleiche wie bei einem gespielten Ton; und dann überlegt man sich manchmal schon, ob man den einen Ton oder den anderen Ton spielt. Dadurch entstehen dann automatisch Pausen. Ich würde mal sagen, die Tatsache, dass nur zwei Instrumente spielen, regt schon so genug Phantasie an, dass ich das jederzeit und sofort und jetzt wiederholen würde."
Über zwanzig Jahre kennen sie sich
Dieter Ilg und Till Brönner kennen sich seit über zwanzig Jahren und haben schon etliche gemeinsame Konzerte gegeben. Till Brönner wird – ohne Frage – stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen, aber auch Dieter Ilg gehört in die erste Liga des deutschen Jazz und kann auf eine beeindruckende Bio- und Diskographie blicken.
Zuletzt waren es vor allem seine Jazz-Bearbeitungen klassischer Komponisten, die der Bassist mit seinem Trio auf Festivals und in stattlichen Konzerthäusern präsentiert hat. Auch wenn beide Musiker eine voneinander ziemlich unabhängige Karriere verfolgt haben, spüren sie eine starke Affinität und eine intensive Verbindung. Das merkt man auch, wenn Brönner seinen Kollegen beschreibt:
"Dieter Ilg ist als Mensch und Bassist gar nicht voneinander zu trennen. Und das ist großartig, das mag auf viele Musiker zutreffen. Aber in seinem Fall ist es ein wirkliches Geschenk, denn ich glaube, dass wir vieles in unserer Mentalität, auch wenn wir öffentlich unterschiedlich wahrgenommen werden, doch auch ähnlich und gemeinsam haben. Wir geben uns auf der Bühne einen, ich glaube, Konzert zwischen Virtuosität und Sensibilität, so empfinde ich das."
"Dieter Ilg ist als Mensch und Bassist gar nicht voneinander zu trennen. Und das ist großartig, das mag auf viele Musiker zutreffen. Aber in seinem Fall ist es ein wirkliches Geschenk, denn ich glaube, dass wir vieles in unserer Mentalität, auch wenn wir öffentlich unterschiedlich wahrgenommen werden, doch auch ähnlich und gemeinsam haben. Wir geben uns auf der Bühne einen, ich glaube, Konzert zwischen Virtuosität und Sensibilität, so empfinde ich das."
Cohen, Beatles, eigene Songs
Das Album "Nightfall" wird eröffnet von einem Stück des unvergessenen Singer-Songwriters Leonard Cohen. "A Thousand Kisses Deep", später kommt der Beatles-Klassiker "Eleanor Rigby", zwischendrin gibt es auch einige eigene Stücke – und dann eine Adaption des Pop-Songs "Scream and Shout", mit dem Rapper Will I.Am und Sängerin Britney Spears 2013 die Charts knackten. Aus dem Kirchengesangbuch ist Lied 347 dabei, "Ach bleib mit deiner Gnade".
Jazz-Standards aus dem "Great American Songbook" interpretieren Till Brönner und Dieter Ilg dagegen diesmal nur anderthalb. Ist die Zeit nicht ohnehin schon lange reif für neue Standards? Brönner sagt dazu:
"Ich glaube, der wesentliche Punkt ist der, dass Stücke, die am Ende das Wort 'Standard', den Begriff 'Standard' verdient haben, das Label 'Standard' verdient haben, am Ende einfach auch Zeit brauchen, um sich zu so was zu entwickeln. Und wenn man ein aktuelles Stück aufnimmt, dann ist das die These, die man aufstellt, das ein Stück möglicherweise zum Standard werden könnte, auch das finde ich interessant."
"Ich glaube, der wesentliche Punkt ist der, dass Stücke, die am Ende das Wort 'Standard', den Begriff 'Standard' verdient haben, das Label 'Standard' verdient haben, am Ende einfach auch Zeit brauchen, um sich zu so was zu entwickeln. Und wenn man ein aktuelles Stück aufnimmt, dann ist das die These, die man aufstellt, das ein Stück möglicherweise zum Standard werden könnte, auch das finde ich interessant."
Till Brönner – und das beweist er auch wieder eindrucksvoll auf diesem neuen Album ist nicht nur ein erstklassiger und unglaublich klar fokussierter, aufgeräumter Trompeter. Er trat in letzter Zeit auch häufig als Sänger in Erscheinung. Doch diesmal? Nein…
"Ich habe nicht darüber nachgedacht und es dann folgerichtig auch nicht getan. Wir wollten, glaube ich, in der Tat in der Konzeption, alles zu reduzieren nicht noch ein drittes Element mit einbauen. Ich glaube, dass das Konzept, so wie es jetzt ist, wirklich ein recht konsequentes ist. Und jetzt noch alle unsere Features oder Möglichkeiten noch mit einzubauen, hätte ja eine unnötige Verbreiterung des Spektrums bedeutet. Das hat es einfach nicht gebraucht dieses Mal."
"Ich habe nicht darüber nachgedacht und es dann folgerichtig auch nicht getan. Wir wollten, glaube ich, in der Tat in der Konzeption, alles zu reduzieren nicht noch ein drittes Element mit einbauen. Ich glaube, dass das Konzept, so wie es jetzt ist, wirklich ein recht konsequentes ist. Und jetzt noch alle unsere Features oder Möglichkeiten noch mit einzubauen, hätte ja eine unnötige Verbreiterung des Spektrums bedeutet. Das hat es einfach nicht gebraucht dieses Mal."