Tim Fischers neues Georg-Kreisler-Album
Großer Auftritt im roten Latexkleid: Im zweiten Teil "kann ich dann so sein, wie ich bin und die Frauen-Lieder präsentierten", sagt Fischer über das Liveprogramm zum Album. © Tine Acker
Chansons mit doppeltem Boden
Georg Kreisler wäre im Sommer hundert Jahre alt geworden. Tim Fischer hat anlässlich des Jubiläums ein Album mit Liedern des großen Nicht-Österreichers herausgebracht. Kreisler-Chansons sind für ihn Diamanten.
Georg Kreisler wäre im Sommer 100 Jahre alt geworden. In Wien geboren, floh er 1938 mit den Eltern vor den Nazis in die Vereinigten Staaten, deren Staatsbürgerschaft er 1943 annahm. Dort begann auch seine künstlerische Karriere, die er nach seiner Rückkehr nach Europa 1955 fortsetzte - mit Liedern, die wohl nur er so schreiben konnte. Von scharfsinnig über subversiv bis anarchisch und absurd, zwischendurch auch romantisch. 2011 starb er in Salzburg.
Auch anlässlich des runden Geburtstags hat Tim Fischer mit „Tigerfest“ ein Album mit Liedern aus der Feder von Kreisler aufgenommen und ein Programm auf die Beine gestellt, das er und seine Band seit Anfang Oktober auf die Bühne bringen.
Chansons mit doppeltem Boden
„Georg Kreisler war unheimlich vielseitig“, schwärmt Fischer, selbst wenn man nur die Chansons betrachte. „In seinen Chanson-Werken hat er immer einen doppelten Boden.“
Diese Besonderheit, so sagt Fischer, gestatte ihm als Interpret, die Lieder wie einen Vexierspiegel zu behandeln. „Ich muss also nicht immer wieder dem Publikum eine Aussage präsentieren, sondern kann auf ganz verschiedenen Ebenen immer wieder neu an die Lieder rangehen.“
Das zeichne Kreisler aus: “Ein Chanson von Georg Kreisler ist wie ein Diamant, und je nach Lichteinstrahlung wirft der andere Lichter und Farben", sagt Fischer: "Das fasziniert mich besonders.“
Auf dem Album sind 16 Lieder aus dem umfangreichen Werk von Kreisler. Der 49-jährige Fischer sagt zum Auswahlprozess, ein Lied müsse ihm erstens gefallen, und er müsse zweitens mit der Aussage etwas anfangen können: „Da gibt es glücklicherweise im Repertoire von Georg Kreisler Tausende Stücke.“
Die Überraschung lauert um die Ecke
Bei Kreislers Liedern müsse man schon beim ersten Satz auf der Hut sein, "denn seine Lieder nehmen Wendungen", sagt Fischer. Wie es bei einem Film nichts Langweiligeres gebe, als wenn am Anfang schon klar sei, wie er ende, so sei es auch bei der Musik. „Da ist man dann bei Georg Kreisler auf einer ganz anderen Ebene zu Hause, da kann man wirklich gewiss sein, dass gleich etwas Anderes um die Ecke guckt.“
Zudem sei das meiste, das Kreisler geschaffen habe, zeitlos: „Es lässt sich ohne Probleme in unsere Zeit transportieren, auch wenn es ein Lied aus den 50er-Jahren ist. Zum Beispiel politische Themen: Da ist man manchmal erschrocken, dass sich im Grunde nur die Namen geändert haben, die sind austauschbar, aber die Zustände sind gleichgeblieben.“
Lieder aus Frauenperspektive
Interessanterweise schreibt Kreisler oft aus Frauenperspektive. Fischer hat eine These, woher das kommt: „Ich glaube, dass das auch wieder auf die jüdische Kultur zurückgeht, auch Kurt Tucholsky hat es verstanden, sich in die Seele einer Frau einzufügen; Friedrich Hollaender hat die größten Chansons für Marlene Dietrich geschrieben."
Ihm komme das sehr entgegen, sagt Fischer zum Live-Programm. Das erste Set bestehe ganz klar aus Männer-Liedern. „Ich verkörpere also einen Mann, ich bin ja schauspielerisch begabt“, sagt Fischer. „Im zweiten Teil kann ich dann so sein, wie ich bin, und kann die Frauen-Lieder präsentierten, also die wunderbaren weichen Gefühle, die mir sehr vertraut sind – oder auch zur eifersüchtigen Furie werden.“
(mfu)