Tim Flach: "Vögel"
Übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer
Knesebeck, München 2021
336 Seiten, 68 Euro
Tim Flach: „Vögel“
Brillenkauz © Tim Flach / Knesebeck Verlag
Schönheit, Glanz und Prunk
06:14 Minuten
Der Engländer Tim Flach gehört zu den renommiertesten Tierfotografen weltweit. In seinem Studio saßen bereits Affen, Pandas und Raubkatzen. Sein neuer Bildband zeigt Vögel: Flach sind berauschende und überwältigende Aufnahmen gelungen.
Sie schaut in die Kamera, als wüsste sie, wie schön sie ist. Dabei hat sie sich noch nicht einmal herausgeputzt, sondern trägt ihr übliches schiefergraues Federkleid.
Der Blick der Inkaseeschwalbe
Doch da ist auch noch der ungewöhnlich lange weiße Zwirbel-Schnurrbart um den feuerroten Schnabel. Das wirklich Umwerfende an dieser Inkaseeschwalbe aber ist ihr Blick: offen, direkt, scheinbar warmherzig und tiefgründig.
Kaum ein Fotograf kann Tiere so porträtieren wie Tim Flach. Für seine zahlreichen Buch- und Ausstellungsprojekte hatte der 1958 in London geborene Künstler in den letzten zwei Jahrzehnten unzählige Lebewesen vor der Linse. Flach fotografierte Seepferdchen und Wale, Tiger und Makaken, Monarchfalter und Glühwürmchen.
Frontal, im Profil und im Flug fotografiert
Viele seiner Protagonisten zeigte er in ihrem natürlichen Lebensumfeld, die meisten aber holte der preisgekrönte Fotograf ins Studio. So hat er es auch bei seinem neuesten Prachtband gehalten, der monothematisch angelegt ist und Vögel in ihrer ganzen Schönheit feiert.
Die Studioaufnahmen sind – Porträts vor meist schwarzem Hintergrund – schlichtweg umwerfend. Flach zeigt 140 Arten; darunter Paradiesvögel, Tukane und Papageien, Lauf-, Greif- und Wasservögel, Sperlingsvögel und auch Hausgeflügel. Manche der Gefiederten lichtet er frontal ab, manche im Profil, andere wiederum im Flug.
So präsentieren sich Wiedehopf, Guineaturako oder die Schleiereule mit weit aufgespannten Flügeln, während Kakadus, Kardinäle oder Meisen im Halbporträt als ganz eigene Persönlichkeiten erscheinen.
Wunderbar anzusehen sind sie alle – zumal Flach versteht, sämtliche Details einzufangen: herrlich farbige Federmuster, außergewöhnliche Schnabelformen oder zarte Maserungen um die Augen.
Bei soviel Wunderwerk, Schönheit und Glanz, ja fast Prunk, stellt sich unwillkürlich die Frage, warum die Natur die Vögel so üppig bedachte. Flachs Co-Autor Richard O. Prum weiß das zu erläutern. Der Evolutionsornithologe, der Vögel in seinem euphorischen Einleitungstext als "Offenbarung" erlebt, steuert viele wissenschaftliche Fakten bei.
Potenz zeigt sich im prachtvollen Gefieder
So hat sich Schönheit, wie er erklärt, evolutionär herausgebildet und ist für die Männchen unverzichtbar, wenn diese nicht bei der Brutpflege helfen. Denn sie müssen sexuell attraktiv sein, und Potenz zeigt sich im prachtvollen Gefieder.
Tatsächlich besticht die Vogelwelt mit beeindruckenden Details und ungewöhnlichem Können. So erfährt man hier, dass Wiedehopfe ihren Kot gegen Feinde einsetzen, dass Helmkasuare Feinden im Sprung mit ihren bis zu dreizehn Zentimeter langen Krallen den Bauch aufschlitzen, und dass Wanderfalken als schnellste Tiere der Welt im Sturzflug an die 390 Stundenkilometer erreichen.
Allerdings: Dieser herrliche Bildband mit seinen einfühlsamen Texten ist nicht nur zum Schwelgen gedacht. Tatsächlich wollen Flach und Prum ihre Leserinnen und Leser aufrütteln. Nicht wenige der hier gezeigten Schönheiten sind akut bedroht. Es ist an uns, sie und ihren Lebensraum zu schützen.