Tim Moore: Mit dem Klapprad in die Kälte. Abenteuer auf dem Iron Curtain Trail
Aus dem Englischen von Olaf Bebtkämper
Covandonga Verlag, Bielefeld 2017
384 Seiten, 14,80 Euro
Der Grenzradler
Eine Expedition der besonderen Art: Der Iron Curtain Trail ist ein Radweg entlang des einstiegen Eisernen Vorhangs, über 8500 Kilometer lang. Tim Moore hat ihn befahren - mit einem alten DDR-Klapprad.
Es gibt Zeitgenossen, die jeder Verrücktheit nachlaufen - sympathisch Verrückte. Tim Moore ist so einer: Als der Journalist sieht, dass es einen Radweg von Barentssee bis zum Schwarzen Meer gibt, die Euro Velo Route 13, entlang des einstigen "Eisernen Vorhangs", beschließt er, die 8500 Kilometer durch 20 Länder abzuradeln.
Briten sagt man ja ein gewisses Stilbewusstsein nach, und vielleicht sucht Tim Moore deshalb lange nach dem passenden Rad für seine Unternehmung. Er entscheidet sich schließlich für ein "Mifa 904, ein Klapprad von 1990, das weitgehend seit 1967 unverändert so gebaut wird, mit 20-Zoll-Reifen, ohne Schaltung. Moore verpasst dem Rad einen neuen Sattel, lässt den Rahmen verstärken - und fährt los. Von Norden nach Süden, denn er beschreibt sich selbst als Sklaven der "Idiotenschwerkraft" – Karten kann man nur von ob nach unten abreisen.
Mit dem Mifa 904 durch den Neuschnee
Bei der Reiseplanung schaut er sich die Temperatur in Nordnorwegen an, sieht, dass es um Weihnachten herum trocken ist und Mitte März, kurz vor seiner Abreise, acht Grad warm. Mit Sack und Pack fliegt er los – und steht im tiefsten Neuschnee. Der Winter kommt spät in Lappland, dann aber heftig: mit zweistelligen Minustemperaturen. Dennoch radelt Moore tapfer los. Mit vier Mützen auf dem Kopf, drei Paar Handschuhen und Plastiktüten unter den Socken quält er sich durch die Eiswüste, schafft etwa acht Kilometer in der Stunde, ist froh, wenn er abends eine Pension und eine Art Restaurant findet, wo es wieder irgendetwas mit Rentier gibt: Suppe, Braten oder auch Pizza. So arbeitet sich der Engländer langsam nach Süden vor, die Luft wird wärmer, die Kleidung dünner, die Spikes-Reifen werden gegen normale getauscht. An der Ostsee überquert er die Grenze nach Russland.
Dazu erzählt Moore von der schweigsam-stoischen Hilfsbereitschaft der Finnen, von der Tristesse russischer Grenzorte und verwüsteter Industrielandschaften dort, aber auch von dem Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion, der Besatzung Finnlands durch Stalins und der furchtbaren Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen. Er besucht in Lettland eine gigantische Radioteleskopanlage, mit der die Sowjetunion die Telekommunikation, Satellitensignale und Flugbewegungen überwachte, und schaut zurück auf den Rüstungswettlauf der 1980er-Jahre. In Deutschland besichtigt er die Mifa-Fabrik, in Südosteuropa liebt er die Lebendigkeit der serbischen Städte und steht fassungslos vor der Armut Rumäniens.
Dazu erzählt Moore von der schweigsam-stoischen Hilfsbereitschaft der Finnen, von der Tristesse russischer Grenzorte und verwüsteter Industrielandschaften dort, aber auch von dem Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion, der Besatzung Finnlands durch Stalins und der furchtbaren Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen. Er besucht in Lettland eine gigantische Radioteleskopanlage, mit der die Sowjetunion die Telekommunikation, Satellitensignale und Flugbewegungen überwachte, und schaut zurück auf den Rüstungswettlauf der 1980er-Jahre. In Deutschland besichtigt er die Mifa-Fabrik, in Südosteuropa liebt er die Lebendigkeit der serbischen Städte und steht fassungslos vor der Armut Rumäniens.
Ein Muss für Radreisende
Tim Moore ist ein Meister des gepflegten britischen Understatements und des selbstironischen Humors. Dazu weiß er viel über Geschichte und Kultur der Länder, die er bereist, und vermittelt das mit leichter Hand. Er trifft allerhand skurrile Gestalten, lässt auch ungern einen Gag aus; die bösen gehen dabei meist auf eigene Kosten. Natürlich hat sein Buch ein paar Längen – passend zur Reise – aber es ist trotzdem ein vergnügliches, bildreich geschriebenes und intelligentes Lesevergnügen – und für Radreisende ein Muss.