Timothy C. Winegard: "Die Mücke. Das gefährlichste Tier der Welt und die Geschichte der Menschheit"
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Henning Dedekind und Heike Schlatterer
Terra Mater/ Salzburg und München 2020
624 Seiten, 32 Euro
Wie Mücken die Geschichte beeinflussten
06:13 Minuten
Stechmücken sind die gefährlichsten Tiere der Welt: Jedes Jahr töten sie an die 850.000 Menschen. Und kein anderes Lebewesen hat die Geschichte der Menschheit so stark beeinflusst wie die Mücke, erklärt der Historiker Timothy C. Winegard.
Historiker beschäftigen sich gerne mit Großtaten von Herrschern oder Feldherren. Nur zu leicht vergessen sie den Einfluss der Natur auf die Weltgeschichte. Was Geschichtsschreiber bis heute weitgehend übersehen haben, ist der prägende Einfluss von Mücken, die viele tödliche Krankheiten wie Malaria, Gelbfieber oder das Dengue-Fieber übertragen.
Der Kanadier Timothy Winegard Timothy Winegard will das ändern, indem er die Mücke im Zentrum der Geschichte platziert. Dabei ist er alles andere als ein Insektenfreund. Sein wichtigstes Argument ist rein militärisch und lautet: "Du musst deinen Feind kennen, wenn du ihn besiegen willst."
Schon die Dinosaurier litten unter Mücken
Die Siegesserie der Mücken begann schon zu Zeiten der Dinosaurier, so der Autor. Viele Millionen Jahre lang machten die winzigen Plagegeister den damaligen Herrschern der Welt das Leben schwer. Als dann weitere Katastrophen wie Vulkanausbrüche und der Einschlag eines gewaltigen Asteroiden hinzukamen, war das Ende der Dinosaurier besiegelt.
Die Stechmücken suchten sich neue Opfer, wie die Vögel, die als Nachkommen der Dinosaurier gelten, und die ersten Säugetiere. Dass viele Millionen Jahre später der Mensch ein wichtiger Nährstofflieferant wurde, ist aus Mückensicht geradezu selbstverständlich. Die weiblichen Mücken brauchten Blut, um ihre Eier mit Nahrung zu versorgen.
Mücken beeinflussen Menschheitsgeschichte
Wie sie dabei die Geschichte der Menschheit prägten, belegt Timothy Winegard mit vielen Beispielen, beginnend in der Antike. So war im vierten vorchristlichen Jahrhundert keine Armee der Welt Alexander dem Großen gewachsen.
Erst in Indien stoppten winzige Stechmücken seinen Eroberungsfeldzug. Reihenweise fielen seine Soldaten der von Mücken übertragenen Malaria zum Opfer. Vermutlich erlag auch Alexander selbst letztlich der Krankheit. Hätte er weitergelebt, resümiert der Historiker, wäre die Welt eine andere geworden.
Denn Alexander hatte damit begonnen, die Kulturen Europas und Asiens zu verbinden, konnte seine Pläne aber nie zu Ende führen. Die Stechmücken waren dagegen.
Ähnlich bedeutsam war das Wirken der Mücken bei der Eroberung Amerikas, im amerikanischen Bürgerkrieg oder im Zweiten Weltkrieg. Die unzähligen Beispiele machen einen großen Teil der über 600 Seiten des Buches aus.
"Die Mücke" ist ein anschaulich geschriebenes Geschichtsbuch, prall gefüllt mit vernachlässigten Aspekten der Geschichtsschreibung. Die Sprache jedoch ist gewöhnungsbedürftig. Militärische Formulierungen und Kriegsmetaphern ziehen sich durch das gesamte Werk. Die Ausdrücke passen oft nicht auf tierisches Verhalten und ökologische Zusammenhänge, die nicht den Gesetzen von Krieg und Frieden unterliegen, sondern denen der Evolution.
Eine neue Sicht auf Geschichte
Timothy Winegard ist sich natürlich bewusst, dass die Mücke keine Kriegspartei ist. Sie verfolgt ihre eigene Strategie und kümmert sich nicht um menschliche Konflikte. Seine Einblicke in die Biologie der Mücken sind jedoch eher oberflächlich.
So ist das Buch weniger geeignet für Naturliebhaber, sondern eher für Geschichtsinteressierte. Ihnen bietet "Die Mücke" eine neue Sichtweise auf bekannte historische Ereignisse.