"In Ischgl würde ich keinen Urlaub machen"
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Erst der Ischgl-Skandal, dann die südafrikanische Corona-Mutante: Die Pandemie hat der Urlaubsregion Tirol schwer zugesetzt. In der Tourismusindustrie und bei Politikern liegen die Nerven blank, aber Naturschützer sehen in der Krise auch eine Chance.
Mit einem Trompeter beginnt Markus Koschuh seine Rede zur Lage Tirols. Der Kabarettist spießt darin so einiges auf: die schwarz-grüne Tiroler Landespolitik, den haarsträubenden Ischgl-Skandal, den umstrittenen Umgang mit Virusvarianten oder die einflussreiche Tourismuslobby.
Markus Koschuh nimmt die Rede Mitte März vor leeren Stuhlreihen in einer Halle in Innsbruck auf. Mal wieder nur für online. Nach dem Dreh steht der 43-Jährige auf der Bühne:
"Wir Kulturschaffenden – und da bin ich einer von vielen – brauchen die Bühne als unser Lebenselixier", sagt er.
"Es geht uns teilweise sehr schlecht. Viele sind sehr demotiviert, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Aber das geht ja allen so, da sind wir nur eine Berufsgruppe von vielen. Ich persönlich schöpfe Motivation, weil ich momentan einfach Material sammle."
"Wenn sie pleitegehen, geschieht es ihnen recht"
Nicht nur die Auftritte von Markus Koschuh fallen wegen Corona aus. Wegen hoher Infektionszahlen in Wien wurde auch der geplante Beginn des Ischgl-Prozesses von Anfang April auf unbestimmte Zeit verschoben. Wegen der Corona-Ansteckungen rund um den Tiroler Skiort im März 2020 hat der Wiener Verbraucherschutzverein die Republik Österreich wegen Amtshaftung verklagt. Ischgl ist längst nicht ad acta gelegt. In der Innsbrucker Fußgängerzone fallen die Meinungen dazu unterschiedlich aus:
"Ich glaube, für Ischgl ist das gute Reklame gewesen, jeder kennt jetzt Ischgl. Die hätten sich sowieso woanders angesteckt", sagt ein Passant. Und eine Frau meint:
"Wenn Sie mich fragen, ich bin keine Tirolerin und ich hasse Ischgl. Die sind sowieso daneben und die sind sowas von gierig, geldgierig. Und wenn sie pleitegehen, dann geschieht es ihnen recht, aber sie gehen nicht pleite. Meine Meinung zu dem Thema."
Eine andere Person fordert Aufarbeitung: "Transparenz ist wichtig, dass man sich anschaut, wo sind Fehler passiert, was ist versäumt worden? Das gehört aufgerollt. Aber man muss sicher berücksichtigen, dass am Beginn dieser ganzen Geschichte einfach noch nicht so ganz klar war, wohin geht das. Viele dachten: Gaudi-Stimmung, da passiert nichts."
Oder es klingt so: "Wir leben mitten in Tirol, wir kennen uns selbst, wir wissen, es gibt schwarze Schafe, es gibt wirtschaftliche Aspekte, die berücksichtigt werden. Es gibt aber natürlich auch Menschen, die sich an alle Richtlinien halten und gut mitmachen."
Ein paar Straßen weiter packen Paula Jorge und Kim Hesterberg bunte Kreidestifte aus. Sie sind von der Initiative "Catcalls of Innsbruck". Der Begriff Catcalling stammt aus den USA und steht für verbale sexualisierte Belästigung im öffentlichen Raum. Etwa anzügliche Kommentare, Gesten oder Geräusche wie Pfeifen. Das erleben auch Jungen, doch in der Regel sind Frauen und Mädchen davon betroffen. Es gibt viele Formen der Belästigung, sagt Kim Hesterberg:
"Diese Belästigungen haben viel mit Macht zu tun, dass es jemanden gibt, der darübersteht und jemand anderen kleiner machen möchte."
Von den Belästigungen erfahren sie vor allem via Instagram. Paula Jorge liest ein Beispiel vor:
"Zwei Typen fahren im Auto neben mir her. Einer streckt mir einen Dildo entgegen und fragt Sachen wie: Na? Willst du mal? Erst nach mehreren deutlichen Aufforderungen abzuhauen fahren sie weiter. Die anderen Passanten haben nichts gemacht. Abgespielt hat sich das Ganze auch noch direkt neben dem Spielplatz am Adolf-Pichler-Platz. Solche Erfahrungen und der fahrlässige Umgang mit 'Keine gesetzlichen Regelungen' etc. tragen dazu bei, dass ich mich als Frau in Innsbruck nicht sicher fühle."
Diese Zeilen schreiben die beiden in großen bunten Buchstaben auf den Boden. Sie kreiden an.
"Um einfach sichtbar zu machen: Hey, das ist ein Problem. Das passiert genau bei uns", sagt Kim Hesterberg.
Die Stimmung in Tirol ist angespannt
Die dunkelgelockte Paula Jorge ist 24, die braunhaarige Kim Hesterberg zwei Jahre älter. Sie sind aus Deutschland und machen in Innsbruck ihren Master in Erziehungswissenschaften. Sie haben Catcalls of Innsbruck rund um den Ausbruch der Corona-Pandemie mitgegründet. Der Zeitpunkt war Zufall, doch er passt. Denn durch die Corona-Maßnahmen seien Frauen und Mädchen weit mehr betroffen als ohnehin schon.
"Die Stimmung ist sehr angespannt, das merkt man auf mehreren Ebenen. Wir merken, wie wir von außen betrachtet werden, dass Tirol zum Problem für alle geworden ist und dass wir einzelnen Menschen in Tirol verantwortlich gemacht werden. Dabei versuchen wir, uns alle an die Corona-Maßnahmen zu halten, so wie alle anderen auch. Vor allem seit den Testungen hier. Das ist das eine", sagt Paula Jorge.
"Und innerhalb Tirols ist die Stimmung einfach angespannt: Man geht weniger auf die Straße, vor allem nachts. Vor allem während der Ausgangssperre war das schlimm. Und wir haben auch an den Nachrichten, die wir über Catcalls bekommen haben, gemerkt, die Frauen fühlen sich auf der Straße nicht sicher. Und es gibt gute Gründe, warum sie sich nicht sicher fühlen. Weil sie nicht selten verfolgt werden, sie nicht selten Sprüche hören. Teilweise stehen Männer an den Haustüren und laufen dir im Park hinterher und das ist etwas, was auch diese Grundanspannung ganz gut zeigt."
Normalerweise ist Tirol für Deutsche ein äußerst beliebtes Urlaubsziel und sie machen seit Jahren den Löwenanteil aus. Doch in ganz Österreich haben die Corona-Lockdowns verheerende Folgen für die Tourismusbranche und die Wintersaison 20/21 ist ein Totalausfall. Laut dem österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung sind Wien und die westlichen Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Tirol am meisten betroffen. Allen voran Restaurants und Hotels oder Gasthäuser. Denn nur Geschäftsreisende, Kurgäste oder ortsfremde Arbeitnehmer wie Bauarbeiter oder Handwerker dürfen auswärts übernachten und essen.
Skifahren, Langlaufen oder Winterwandern: Dieses Vergnügen haben in Tirol dieses Jahr nur Einheimische. Das Übernachtungsverbot wird im vergangenen Winter aber mehrfach unterlaufen. Unter dem Vorwand einer Skilehrer-Ausbildung urlauben Ausländer in Tirol, andere geben vor, auf Arbeitssuche zu sein. Ein weiteres Beispiel: Ende Januar 2021 teilen gut gelaunte Schweden ihren Skiurlaub in Sankt Anton auf Facebook.
Anfang Februar 2021 bekommt Tirol ein weiteres Problem. Die sehr ansteckende Virus-Mutation wird entdeckt, die zuerst in Südafrika festgestellt wurde. Virologen sind alarmiert und die schwarz-grüne Bundesregierung von Sebastian Kurz erwägt Sonderregeln für Tirol. Gleichzeitig steht Österreich kurz vor geplanten landesweiten Lockerungen des dritten Lockdowns und der ÖVP-Landeshauptmann Günter Platter will auch die Geschäfte in Tirol unbedingt wieder öffnen. Der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser droht in diesem Zusammenhang sogar dem Bundesgesundheitsminister in Wien:
"Wir haben uns in den letzten Monaten sehr viel gefallen lassen und jetzt ist der Punkt gekommen, wo es reicht. Eindeutig", sagt er. "Was jetzt passiert, ist wieder klar auf Tirol abgezielt, und das lassen wir uns nicht mehr gefallen. Wenn morgen auch nur ansatzweise etwas aus dem Gesundheitsministerium kommen sollte, dann werden sie uns richtig kennenlernen."
Widerstand gegen den Sonderlockdown
Alle wissen: Der einflussreiche Wirtschaftsfunktionär Walser hat in der Tiroler ÖVP Gewicht, die wiederum für die Bundes-ÖVP sehr wichtig ist. Das Tiroler Sträuben gegen einen möglichen Sonderlockdown erinnert viele damals an unheilvolle Tage im März 2020. Rund um den Tiroler Wintersportort Ischgl infizieren sich damals tausende Touristen mit Corona. Europaweit lassen sich mindestens 11.000 Infektionen auf Ischgl zurückführen, erinnert ORF-Moderator Martin Thür den Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Walser Anfang Februar in einem Interview in der Sendung ZIB2: "Wer sagt Ihnen, dass das alles nicht wieder so eine Situation wie damals in Ischgl ist?", fragte der Moderator.
Christoph Walser kontert: "Das, was Sie jetzt gesagt haben, stimmt so nicht."
"Doch!"
"Da hat es eine Kommission gegeben, die ist zu ganz anderen Schlüssen gekommen."
"Nein, diese Zahlen sind völlig unbestritten, die sind von den Gesundheitsministerien der anderen Länder. Die habe ich ganz persönlich angeschrieben und die haben mir diese Zahlen genannt."
"Die Kommission hat hier genau ermittelt und zu Ischgl alles festgestellt, also, ich glaube, darüber brauchen wir auch jetzt nicht mehr diskutieren. Es ist lange genug über Ischgl geschimpft worden. Die Frage ist, wie ist eigentlich das Virus nach Ischgl gekommen. Das ist die grundsätzliche Frage. Man verurteilt immer einen Ort."
Landespolitiker als Lobbyisten in eigener Sache
Das Kräftemessen der Tiroler Funktionäre und der schwarz-grünen Landesregierung mit dem Bund endet Anfang Februar 2021 mit Ausreisetests aus Teilen Tirols, mehr Impfangeboten und einer zahnlosen Reisewarnung für Tirol aus Wien. Diese ruft dennoch Franz Hörl auf den Plan, Tiroler Tourismusunternehmer und Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat, dem österreichischen Parlament. Die Wiener Reisewarnung für Tirol würde weit weniger bedeuten als die aus Deutschland, schnaubt Franz Hörl.
"Die ist ja viel entscheidender, wie wenn Wien einen Rülpser tut. Ich betrachte das als äußerst unfreundlichen Akt und ich werde mir das sehr wohl erklären lassen."
Der ÖVP-Abgeordnete Franz Hörl ist auch Bundessprecher der Seilbahnwirtschaft sowie Seilbahnbetreiber im Tiroler Zillertal und damit Lobbyist in eigener Sache. Tiroler wie Franz Hörl oder der Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser vereinnahmen gerne alle Menschen in Tirol. Sebastian Holzknecht gefällt das ganz und gar nicht:
"Ich sehe die Äußerungen sehr kritisch und ich identifiziere mich überhaupt nicht damit. Ich bin überhaupt kein Fan von diesen Verallgemeinerungen, egal in welchem Kontext, und ich glaube auch, dass es sich die Politiker und die Wirtschaftskammer usw. ein bisschen einfach machen, indem sie da die Sprache ein bisschen missbrauchen, indem sie sagen: wir Tiroler. Dass sie da automatisch von einem Rückhalt ausgehen. Für mich ist das überhaupt nicht der Fall und ich finde, diese Personen, die da an den Schaltern sitzen, sollten vielleicht auch mal ein bisschen genauer darüber nachdenken, was sie sagen, was sie machen, wie sie diese ganze Krise angegangen sind."
Der 38-jährige Fotograf lebt mit seiner Familie auf dem Land in der Nähe von Innsbruck. Wenn er aus dem Küchenfenster schaut, schweift sein Blick über ein traumhaftes Panorama aus Bergen und weitläufigen Wiesen. Sebastian Holzknecht ist ein leidenschaftlicher Sportler und er fährt auch gern Ski. Urlaub in Ischgl? Das käme dem Tiroler nicht in den Sinn:
"Ich mache immer einen großen Bogen um diese großen Hotspots. Mir ist das einfach zu viel und ich mag es nicht, am Lift anzustehen und zu merken, da wird gedrängelt und ein bisschen gegeiert, sagt man bei uns, wer als nächster hochfährt. Das ist mir extrem unangenehm und da schäme ich mich manchmal ein bisschen. Meine Strategie ist, ich bin sehr viel am Wandern, sehr viel am Hiken, auch im Winter. Und ich bin zu 90 Prozent immer allein unterwegs und suche mir da immer die ganz feinen Plätze aus."
Auch Paul Steger möchte sich nicht vereinnahmen lassen. Weder vom ÖVP-Abgeordneten und Seilbahnbetreiber Franz Hörl noch vom Tiroler Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Walser:
"Der ist für mich ein rotes Tuch. Der bekämpft die Bemühungen der Tiroler Landesregierung zur Reduzierung des Verkehrs massivst und pudelt sich da auf und regt sich auf, wenn die Wiener irgendwas sagen. Das gleiche ist mit dem Hörl! Unser Hauptproblem ist die Wochenendanreise. Also von Samstag bis Samstag. Und dann herzugehen mit seiner Seilbahngesellschaft und werben, dass die Leute am Samstag mit Bussen zu uns Skifahren kommen sollen, da stimmt was nicht."
In Nicht-Coronazeiten ächzt auch das Zillertal unter dem Anreiseverkehr von Touristen. Paul Steger aus Mayrhofen im Hinteren Zillertal ist Vorstand der Sektion Zillertal des Alpenvereins und ein drahtiger, energiegeladener Mann Anfang 70. Er macht den Eindruck, als könne er jederzeit auf den nächsten Dreitausender hinauf spazieren.
Auf dem großen hellen Holztisch im Haus des Alpenvereins in Mayrhofen liegt eine Landkarte der Tuxer Alpen. Ein Gebiet hat Paul Steger mit einem dicken schwarzen Stift umrahmt:
"Das ist der gesamte Bereich der Tuxer Alpen, der in gewisser Weise bedroht ist von Zusammenschlüssen."
Die Forderung: ein Schutzgebiet für die Tuxer Alpen
Vor Jahrzehnten war die erste Bürgerinitiative gegen Kraftwerksbetreiber und Staumauern gerichtet, erinnert sich Paul Steger. Heute fordert er mehr Vorgaben des Landes Tirol und ein Schutzgebiet für die Gebirgsgruppe Tuxer Alpen. Im Kern ein kaum erschlossener Lebensraum vieler Pflanzen und Tierarten. Seilbahnprojekte oder Zusammenschlüsse von Skigebieten sollten dort verboten sein.
Paul Steger findet: Im Zillertal gibt es ausreichend Skigebiete Lifte und Seilbahnen. Anfang der 60er-Jahre war die Mayrhofer Penkenbahn die erste im ganzen Zillertal. Viele Familien hätten dann privat Seilbahnen betrieben und später seien Banken eingestiegen. Vor 15 bis 20 Jahren hätten die Probleme begonnen:
"Da haben wir gesehen, es wird immer mehr und immer mehr und es ist einfach nicht genug. Und ich finde, irgendwann muss das auch ein Ende finden. Wenn man zum Beispiel schaut, das Ski Zell ist ja ein schönes, großes Skigebiet und in Gerlos gibt’s auch ein großes Skigebiet. Das war dann schon das Thema ein Zusammenschluss. Skifahrerisch völlig daneben. Man muss da ewig auf Liften sein, nur weil jeder der größere sein will. Das betrifft nicht nur unser Tal, das betrifft ganz Tirol und ganz Österreich. Das ist einfach für mich ein Gräuel."
Paul Steger tritt ans Fenster und zeigt auf einen der verschneiten Gipfel der Zillertaler Alpen: die Ahornspitze. Nahe der Ahornspitze liegt das 400-Seelen-Dorf Glinzing, ein beliebter Ausgangpunkt fürs Wandern und Bergsteigen im Naturpark Zillertaler Alpen.
Die Zillertaler sehen das Schutzgebiet positiv
Willi Seifert zeigt auf einen Klettersteig, sein kleiner hell-wolliger Hund zieht an der Leine.
"Ja, der ist jetzt nichts für Einsteiger. Es gibt in Mayrhofen so ein paar Klettersteige, wo man sich rantasten kann und Ginzling ist dann so die Härteprobe, auch mental. Da geht es so über eine Seilbrücke drüber, wo man dann so 300 Meter Luft unter sich hat. Die Guten gehen es in einer Stunde, die Verrückten schaffen es in einer halbenoder dreiviertel Stunde. Aber wenn man alle Sicherheitsstufen einhält und sich wirklich Zeit lässt, hat man es in zwei Stunden auf jeden Fall. Wenn man ankommt."
Der dunkelhaarige Geograf ist Geschäftsführer des Naturparks Zillertaler Alpen. Der gemeinnützige Verein bringt viel unter einen Hut: Naturschutz, regionale Entwicklung, Umweltbildung und einen nicht technisierten Tourismus. Also Radfahren, Klettern, Bergsteigen und Wandern oder Ski- und Schneeschuhtouren. Das Naturparkteam achtet auf die Schutzbestimmungen, erforscht Alpenschneehuhn und Steinbock und arbeitet mit Schulen, Tourismusverband, Alpenverein und Einheimischen eng zusammen. Zu Beginn, vor 30 Jahren, hätten die Bewohner das Schutzgebiet als Einschränkung gesehen. Doch Studien zeigen: Das änderte sich.
"Bei der letzten Studie haben wirklich viele Bewohner hervorgehoben, dass das Thema Einschränkung für sie inzwischen positiv ist. Das heißt, ein Gebiet, wo man eben nicht alles darf. Keinen Skilift bauen, wo man nicht einfach einen ewig langen Forstweg ins Gebiet holzen kann, wo die technische Infrastruktur, wenn überhaupt, sensibel oder auch gar nicht umsetzbar ist. Also dass die Einschränkung von Eingriffen in die Landschaft eher positiv besetzt ist, weil die Landschaft so erhalten bleibt. Wie es seit Jahrmillionen ist und wenn man die Kulturlandschaft anschaut, wie es seit vielen Jahrhunderten gepflegt wird."
"Extreme Massen - das funktioniert nicht"
Der Naturpark Zillertaler Alpen umfasst mit rund 430 Quadratkilometern mehr als ein Drittel der Fläche des Zillertals. Der Druck, den alpinen Raum zu nutzen, sei vor Corona enorm groß gewesen, konstatiert Willi Seifert. Strengere Raumordnungsregeln müssten das Verbinden von Skigebieten verhindern, findet er. Den Ischgl-Skandal könne er nur aus der Ferne beurteilen. Allerdings, als Wähler und Bürger wünsche er sich, dass Politiker Fehler eingestehen:
"Ich glaube einfach, der Mensch braucht allgemein Raum und gewisse Formen des Tourismus. Wenn extreme Masse ist, dann funktioniert das nicht. Das kann man jetzt an einer Après-Ski-Bar aufhängen oder an überfüllten Räumen und Plätzen andererseits. Für die Zukunft ist es wichtig, dass gewisse Entzerrungen stattfinden. Fragen der Besucherlenkung sind ganz entscheidend. Auszutauschen zwischen den Interessen von Almwirtschaft, Naturschutz, Erholungssuchenden.
Aber die Entzerrung von Strömen und ein menschenverträglicher Tourismus sind ist ein Gebot der Stunde. Diese Punkte Tragfähigkeit, Kapazitätsgrenzen das sind Dinge, die müssen auch politisch hinterfragt werden. Was kann ich dem Tal, was kann ich den Menschen zumuten. Wo muss ich gewisse Schranken einziehen, damit am Ende alle - Sprich die Einheimischen, die Landschaft, die Erholungssuchenden dieses Erlebnis und diese Qualität vorfinden, die man erwarten kann und muss."
Wie sieht das Zillertal in 50 Jahren aus? Paul Steger aus Mayrhofen ist da eher pessimistisch:
"Das weiß ich nicht genau. Das schau ich mir entweder vom Himmel oder von der Hölle aus an. Ich weiß noch nicht genau, wo ich lande. Ehrlich gesagt, schau ich wirklich mit großer Sorge in die Zukunft. Ich sehe das ja auch bei der Entwicklung im Ort. Das spielt sich ja nicht nur bei der Seilbahn ab, das spielt sich ja auch im Bereich der baulichen Entwicklung ab. Das Zillertal wird bald zuwachsen, wenn es so weitergeht. Es gibt zwar ein Instrumentarium das sind die landwirtschaftlichen Vorrangflächen, die sind durch das Land geregelt. Aber die müssen eigentlich hart bleiben, die dürfen keinesfalls aufgeweicht werden wie sonst ist der Raumordnung, wo ich immer sage das ist die Traumordnung, Tür und Tor geöffnet. Tür und Tor."
Besser überlegen, wo man hinfährt
Auch der Fotograf Sebastian Holzknecht wünscht sich ein Umdenken:
"Vielleicht sollte man sich besser überlegen und recherchieren, wo man hinfährt. Und auch mal einen Tiroler fragen, wenn man Freunde hat, oder auch ein bisschen mehr hinterfragen, was man will. Skifahren kann man in Tirol fast überall. Es gibt überall tolle Skigebiete. Einfach ein bisschen besser nachschauen und dann gibt das superschöne Möglichkeiten bei uns."
Der Innsbrucker Kabarettist Markus Koschuh sehnt sich unterdessen weiter nach Live-Auftritten. Ein Corona-Programm hat er schon parat:
"Ich habe ein eigenes Corona-Programm geschrieben, schon im September, Oktober, das ich jetzt eben durch das laufend anfallende Material – und Österreich ist eine Fundgrube – einfach auch weiterhin aktualisiert halte. Von daher stehe ich jederzeit bereit, wenn es losgeht. Keine Vorlaufzeit, ab auf die Bühne damit. Die Leute müssen dann was zum Lachen haben, weil, es wird noch sehr trist werden."