Tiroler Volksschauspiele

Alpines Sommertheater

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Hannes Perkmann und Daniel Klausner in "Fliegende Hitzen", einem Stück über den Tiroler Serienmörder Guido Zingerle © Foto: Tiroler Volksschauspiele / Günther Egger
Von Bernhard Doppler |
Jedes Jahr im Juli und August finden in Telfs die Tiroler Volksschauspiele statt. Sie präsentieren modernes Volkstheater mit vielen Exil-Tirolern, aber auch Gästen aus Berlin und Bayern wie Katharina Thalbach und Georg Ringsgwandl.
Telfs ist nicht in erster Linie Urlaubsort, eher eine Arbeitersiedung. Im allerersten Jahr ihres Bestehens waren die Tiroler Volksschauspiele auch gar nicht in Telfs, sondern im beschaulichen Hall in Tirol beheimatet. Aber als man dort vor 33 Jahren Felix Mitteres Stück "Stigma" aufführen wollte, verbot man dort die Spiele. Man witterte in Hall eine "Ansammlung von Schweinereien und Religionsverhöhnung". Die Gemeinde Telfs hatte weniger Schwierigkeiten und bot sich als Ersatz an. Doch was sind "Volksschauspiele"? Der Dramatiker Felix Mitterer kommt noch immer regelmäßig im Sommer nach Telfs zurück:
"Der Begriff Volksschauspiele, Volkstheater ist ja ein sehr schwieriger, über den man stundenlang reden kann. Jedenfalls war es der Grundgedanke von Hans Brenner und allen anderen, das Volkstheater, das alte, und die Stücke, die da sind, ganz neu anzuschauen, zeitgemäß zu interpretieren, Uraufführungen zu finden und diesen Begriff einfach auszuweiten."
Heimaturlaub für Exil-Tiroler
Es war eine Grundidee, prominente Tiroler Künstler im Sommer auf die heimische Theaterszene treffen zu lassen, auf die vielen Amateurtheatervereine, die es in Tirol gibt. Dietmar Schönherr, Tobias Moretti, Hans Brenner, Ruth Drexel kamen hierher auf Heimaturlaub. Heute leitet sie Markus Völlenklee. Er lebt in Berlin.
"Es ist scho eine Sache, wenn man Tiroler ist wie ich, ich bin im Dialekt aufgewachsen, und du hast dir dann die Fremdsprache Hochdeutsch angeeignet und du spielst in der eigenen Sprache, das ist schon eine Art von nach Hause kommen."
Ausprobiert werden die verschiedensten Spielorte, oft sind es vor dem Abriss stehende Gebäude wie eine alte Fabrik oder ein Wald in der Nähe eines Tennisplatzes, einmal spielte man auch in 2000 Meter Höhe auf dem Hausberg, der Munde. Bei dem einzigen regulären Veranstaltungsraum, dem Rathaussaal, hat der Tiroler Künstler Karl-Heinz-Steck dem Abriss gewissermaßen vorgearbeitet. Der Theatersaal sieht aus, als ob eine Bombe darin eingeschlagen und das Rathaus vollkommen verwüstet hätte.
"Ich bin sehr froh, dass wir drinnen sind und ein Kunstobjekt daraus gemacht haben, dass wir diesen Bombeneinschlag da drinnen stattfinden lassen, inspiriert von den ganzen Angriffen in Syrien und Israel."
In der Tradition des barocken Volksschauspiels
Als Uraufführung wird dort "Fliegende Hitzen" gegeben, ein Stück über den Tiroler Serienmörder Guido Zingerle, ein Fall der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Lorenz Gutmann und Veronika Eberl spielen nicht nur mit, sondern sind auch Autoren des Stücks. Wenn der heilige Antonius und der Teufel um die Seele Zingerles wetten, dann wird die Tradition des barocken Volksschauspiels berührt. Der Fall Zingerle erinnert aber auch an Büchners Woyzeck oder an die sozialen Volksstücke von Ödön von Horvath. An solche Tradition schließt "Fliegende Hitzen" durchaus an. Lorenz Gutmann:
"Wir kommen auch aus dieser Generation, wo man versucht die Leut über das Volkstheater, wo man nicht nur mit Hurrah und Haha ins Theater zu holen, sondern auch mit Ängsten, Gefühlen, Befürchtungen usw., was den Menschen tagtäglich beschäftigt."
Prominente Gäste aus Berlin und Bayern
Es sind nicht nur Exiltiroler, die nach Telfs auf Heimaturlaub kommen, auch Berliner wie Katharina Thalbach sind inzwischen des öfteren hier zu Gast. Ihr neuer Brecht-Abend erlebt hier seine Uraufführung. Ein besonderer Fan von Telfs ist der Bayer Georg Ringsgwandl. Sein neuestes Werk "Der Hund, der Hund" nennt er eine "Sprechoper für eine ältere Frau, Hund und drei Stimmen", Gezeigt wird eine alte Frau, die mit ihrem Hund viermal am Tag um den Häuserblock geht. Georg Ringsgwandl:
Dass wenn man das Stück gehört, niemals man mehr an einer alten Frau achtlos vorbeigeht. Weil es ist ja so, in vielen Orten sieht man eine alte Frau mit einem Hund spazieren und man denkt sich: Was ist denn des, aber die Wahrheit ist, hinter vielen von diesen Frauen verbergen sich Schicksale, die von einer Dramatik sind, von einer Fallhöhe, von einer Schwere, Härte, zum Teil von einer glänzenden Schönheit, die wir uns gar nicht vorstellen können.
Christiane Ostermayer, auch schon öfter Gast in Telfs, spielt die alte Frau.
Eine leise, zartes, von Geräuschen des Spaziergangs, vom Quietschen der Reifen, vom Knarren der Mülltonnen und vor allem von Erinnerungen bestimmtes Stück, manchmal gesungen, manchmal gesprochen. Das Volkstheater hier – weniger Drama, fast schon Kammermusik im Bauern-Stadl.
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