Tobias Friedrich: "Fußbälle"

Der Ball wird immer runder

Grätsche beim Fußball
Jeder Ball ist anders - Grätsche beim Hobby-Fußball. © Imago/Westend
Von Knut Benzner |
Wie jedes Mal bei Fußball-Events werden die zugehörigen Weisheiten bemüht - die bekannteste: "Der Ball ist rund". Dabei ist jeder anders und Fußbälle wurden seit der ersten Weltmeisterschaft immer weiter optimiert, wie uns Tobias Friedrich in seinem Buch erzählt.
Tobias Friedrich hat selbst Fußball gespielt - klar:
"In der C-Jugend des RSV Geismar, eine äußerst erfolglose Saison als Linksaußen, haha, und sehr schnell auch erkannt, dass das keine Karriere für mich sein wird."
Und heute, mit 47:
"Jahaaa, morgen Abend, hoffe ich wieder, einmal die Woche in der Halle mit ähnlich beweglichen oder nicht beweglichen Menschen."
Damals, in der C-Jugend, werden die Fußbälle aus Leder gewesen sein.
Aus Leder ist seit langem kein Ball mehr:
"Nee, inzwischen wurde das durch Kunststoff abgelöst, mit den verschiedensten Zusammensetzungen, es soll immer mehr optimiert werden, dass er immer gerader, schneller fliegt, und Lederball ist schon längst passé, ja."
Lederbälle konnten, wenn sie sich schön mit Wasser aufgesaugt hatten, arg schwer werden, die Blase war, bevor aus Kautschuk oder anderem Gummi,...
"Genau, richtig."
...eine tatsächliche Blase...
"Schweinsblase wurde verarbeitet und rein gesteckt und dann zugenäht, es waren alles Unikate natürlich."
Handgenäht...
"Handgenäht, genau."
Und: Pro Spiel ein Ball. Dass die Balljungen bei Einwurf, Ecke oder Abwurf sofort einen anderen, selbstverständlich identischen Ball zur Verfügung stellen...

Schneller, weiter und womöglich höher

Vor ein, zwei Jahren lernte Friedrich Péter Pesti kennen, Sammler von Fußbällen und Fußball-Fotograf.
"Er hat sich ganz genau überlegt, wie er die Bälle fotografiert: Er hat einen Tunnel gebaut, er hat Kunstrasen ausgelegt, damit sie alle exakt gleich fotografiert werden..."
...in Originalgröße...
"Und weiß auch sehr genau, wann welche Bälle wie wo produziert wurden."
Bälle aus fast aller Welt. Bunte, weiße, graue, alte, uralte, nagelneue: Der Ball der ersten WM 1930 in Uruguay, der der 2016er EM in Frankreich, der "beau jeu", schönes Spiel heißt.
Er fliegt schneller, weiter und womöglich höher.
"Es gibt ja sogar von Bayer ein Teil des Unternehmens, der sich nur damit befasst, wie man diese Bälle optimieren kann und den Kunststoff, wie er noch besser fliegt, weil die Bälle natürlich mit großem Brimborium vorgestellt werden."
Er soll sich verkaufen. Millionenfach.
Friedrichs Favorit?
"Für die EM?"
Nee, als Ball.
"Also vom ästhetischen her würde ich fast einen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts nehmen, die Lederbälle sind schon sehr besonders, die hatten unglaubliche Pannel-Strukturen, wie die zusammen genäht waren, die ersten Inkarnationen der klassischen Fußbälle."
Auf der linken Buchseite seine Texte, Fakten, Verarbeitung, Geschichte inklusive historischer Fotos, auf der rechten Buchseite die Bälle, die die Welt bedeuten.

Der Wettbewerb ist erbarmungslos

Mindestens zwei von denen haben eine besondere Vergangenheit: Der Endspielball von 1954, gülden fast, gold-gelb, Sepp Herberger hatte Werner Kohlmeyer, den linken Verteidiger, beauftragt, den Ball, hergestellt von einer Schweizer Firma, nach Spielende einzustecken. Und der Endspielball von 1966, ein Slazenger,...
"Jahhhah."
Übrigens rot, so rot wie die Trikots und Stutzen der Engländer, was allerdings niemand sah, weil das Spiel in schwarz-weiß übertragen wurde – den nahm Helmut Haller, Mittefeldspieler, einfach mit.
"Und da gibt es sogar Fotomaterial, ist auch im Buch, wie er vor der Queen steht, den Ball unterm Arm, und der hat ihn dann mitgenommen und hat den seinem Sohn geschenkt."
Der hat, so sagen Gerüchte, einfach damit gespielt.
"Bei dem anderen war das übrigens so, mit Herberger, der hat dann darauf bestanden von den Spielern, dass sie leserlich unterschreiben auf dem Ball."
Inzwischen ist der Markt unter den drei großen Sportartikelkonzernen aufgeteilt. Und die EM- und WM-Bälle? Aus Herzogenaurach bzw. aus China. Nein, nicht die Firma mit dem Tier im Namen, die andere.
Der Verdrängungswettbewerb, so Friedrich, ist erbarmungslos.
Nike, Kappa, Mitre, Hummel, Puma...
"Es sieht immer mehr danach aus, dass adidas fast flächendeckend komplett übernimmt."
Der Ball ist rund.
"Er wurde immer runder, sagen wir mal so, der Ball wurde tatsächlich immer runder."
So rund wie dieses wunderbare Fußball-Buch.

"Fußbälle" von Tobias Friedrich und Péter Pesti ist bei Edel erschienen, hat 128 Seiten, 60 Bilder von Fußbällen und doppelt soviel von anderem, Spielszenen, Mannschaftsfotos und kostet 14,95 Euro.
ISBN 9783841904591

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