Tod eines umstrittenen Sammlers

"Irgendwann wird man Cornelius Gurlitt noch mal dankbar sein"

Türschild mit der Aufschrift Cornelius Gurlitt.
Türschild mit der Aufschrift Cornelius Gurlitt: Der verstorbene Kunstsammler wollte Raubkunst offenbar zurückgeben. © dpa / Barbara Gindl
Moderation: Andrea Gerk · 06.05.2014
Er war bereits hochbetagt, als in seiner Münchner Wohnung ein Kunstschatz gefunden wurde – mit Raubkunst aus der Nazi-Zeit. Noch im April hat der verstorbene Kunstsammler Cornelius Gurlitt zugesagt, die bei ihm gefundenen Werke auf ihre Herkunft hin untersuchen zu lassen. Ein beachtliches Zugeständnis nennt das der Kunstkritiker Stefan Koldehoff.
Der Vater war Kunsthändler im Dienste Adolf Hitlers. Zahlreiche Werke, die bei Cornelius Gurlitt als "Kunstschatz von Schwabing" gefunden wurden, sind Raubkunst oder stammen als so genannte "entartete Kunst" aus öffentlichen Sammlungen, die von den Nationalsozialisten im staatlichen Auftrag enteignet wurden.
Noch im April hat der nun mit 81 Jahren verstorbene Gurlitt der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern zugesagt, die von der Augsburger Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Werke auf ihre Herkunft hin untersuchen zu lassen. Werke, die dabei als Raubkunst identifiziert würden, sollten zurückgegeben werden.
Das sei offenbar auf Anraten seiner Anwälte geschehen, sagte der Kunstkritiker Stefan Koldehoff im Deutschlandradio Kultur. Gurlitt sei seit längerem krank gewesen und habe offenbar letzte Dinge geregelt. "Er wusste, dass es gesundheitlich wahrscheinlich nicht mehr so recht aufwärts gehen sollte."
Es gibt Erben, die sich zu Wort gemeldet haben
Was nun mit der umfangreichen Sammlung geschehen werde, sei unklar. Es gebe Erben, so Koldehoff. Zwar sei Gurlitts Schwester inzwischen verstorben, doch es gebe deren Ehemann, "es gibt Kinder, es gibt Verwandte, auch in Spanien eine Cousin". Und diese Erben hätten sich schon im Vorfeld zu Wort gemeldet. "Auch mit denen wird man sich auseinanderzusetzen zu haben." Er hielt es für wahrscheinlich, dass die Erben eher auf den zweiten, nicht beschlagnahmten Kunstfund in Salzburg Zugriff bekommen könnten. Ob ein Testament vorliege, hätte Gurlitts Sprecher heute nicht mitteilen wollen.
Koldehoff äußerte die Ansicht, dass die Gurlitt-Sammlung für ein Museum nicht "tauge". Sie sei "eher zufällig" und ohne ein "stringentes Sammlungskonzept" zustande gekommen und insofern wenig museal.
Gurlitts eigener Wille sei aber gewesen – daraufhin deuteten zumindest Gerüchte –, dass sowohl Raubkunst als auch entartete Kunst an frühere Besitzer oder deren Nachfahren zurückgegeben werden. "Das wäre zumindest ein große Geste", meinte Koldehoff.
Kulturstaatsministerin hat eine Stiftung angeregt
Insgesamt habe der Fall Gurlitt einen "bedeutenden Wandel im Umgang mit Raubkunst" in der Gesellschaft bewirkt.
"Dieser Fall hat dazu geführt, dass man in Deutschland begriffen hat, dass es da immer noch ein ungelöstes Problem gibt. Wir müssen heute niemandem mehr erklären, was Raubkunst war (...) dass diese Bilder immer noch unterwegs sind und dass es immer noch Menschen gibt, die um ihr ursprüngliches Eigentum kämpfen, dass die unterstützt werden müssen."
Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters habe bereits die Einrichtung einer Stiftung angeregt, die diese Aufgabe übernehmen könne.
"Irgendwann wird man Cornelius Gurlitt noch mal dankbar sein für das, was er getan hat – unfreiwillig", sagt Koldehoff. Seine Einwilligung, die Werke untersuchen zu lassen, gehe über alle bisherigen Zugeständnisse beim Thema Raubkunst hinaus.