Zum Tod des Stadtforschers Mike Davis
In "City of Quartz" bezog Mike Davis am Beispiel Los Angeles' als erster Faktoren wie Gewinn- und Machtstreben aber auch Rassismus in die Stadtforschung ein. © Getty Images / EyeEm / Mario Worwell
Der hippe "Meister des Untergangs"
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Der US-Stadtsoziologe Mike Davis ist mit 76 Jahren gestorben. Er war Fleischer, Lkw-Fahrer und hat eine neue Form der Stadtforschung betrieben: Er verband Wissenschaft mit Haltung. Das machte ihn zum Verbündeten junger Leute, die Veränderung wollten.
"City of Quartz" war 1990 sein erstes Werk und damals bahnbrechend. Das Buch ist Mike Davis' Analyse seiner Geburtsstadt Los Angeles und deren Zukunft. Der Autor habe darin eine neue Form von Stadtforschung betrieben, sagt Architekturjournalist Claas Gefroi, eine "angewandte Stadtsoziologie" bei der er Wissenschaft gekonnt mit Haltung und Aktivismus verbunden habe, ohne sprachlich zu akademisch zu formulieren.
Stadtentwicklung neu gedacht
Er habe Faktoren miteinbezogen, die bis dahin von der Forschung ausgeblendet worden seien, erklärt Gefroi und zählt auf: "Zum Beispiel Gewinn- und Machtstreben, die soziale Spaltung, Privatisierung, Ausgrenzung von Personengruppen, Rassismus". Damit sei Mike Davis der erste gewesen, der das mit einer solchen "Tiefe und Präzision angesprochen hat".
Mike Davis zählt zu den Gründungsmitgliedern der Los Angeles School of Urbanism. "Das hatte eine besondere Bedeutung in den USA, speziell in Kalifornien", ordnet Gefroi ein. "Und mit Zeitverzögerung schwappte das nach Europa." Aber es habe immer auch Kritiker aus Forschung und Wirtschaft gegeben, die gesagt hätten, so könne man Stadt nicht denken, nicht untersuchen, erinnert sich der Architekturjournalist. "Er hat vor allem viele junge Leute mit seiner Arbeit angesprochen, weil sie sehr frisch daherkam." Die jungen Menschen, die die Städte haben verändern wollen, "für sie war er ein Verbündeter".
Düstere gesellschaftliche Prognosen
Die Entstehung von Slums, die Entstehung von Epidemien: "Mike Davis hatte ein gutes Sensorium für Entwicklungen und hat sie früh aufgegriffen", sagt Claas Gefroi. Ihm zufolge sind es meistens sehr düstere Prognosen gewesen, die von Mike Davis kamen. Dafür sei Davis von vielen spöttisch als "Meister des Armageddons" oder "Meister des Untergangs" bezeichnet worden.
Laut dem Architekturjournalisten war Mike Davis Marxist, der eine materialistische Geschichtsphilosophie verfolgte und: "Geschichte war für ihn immer die Geschichte von Klassenkämpfen. Unter diesem Aspekt hat er seine Forschungen betrieben."
Seine Bücher, auch in deutscher Übersetzung, sind immer noch erhältlich. "City of Quartz" sei bis heute sein Schlüsselwerk geblieben, so Gefroi, und "es bleibt brennend aktuell".
(mfied)