Tod von Karikaturist Kurt Westergaard

    "Wir müssen die Äußerungsfreiheit verteidigen"

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    Kurt Westergaard in seinem Haus
    Auch nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" verteidigte der dänische Karikaturist Kurt Westergaard die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. © IMAGO / Belga
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    Der dänische Karikaturist Kurt Westergaard ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Weltbekannt wurde er 2006 durch eine Mohammed-Karikatur, die für Proteste sorgte. Der Fall wirke bis heute bei Karikaturisten nach, sagt Journalist Andreas Platthaus.
    Am 30. September 2005 druckte die konservative dänische Zeitung "Jyllands-Posten" zwölf Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed ab. Vier Monate später lösten die Zeichnungen die größte außenpolitische Krise für Dänemark seit dem Zweiten Weltkrieg aus.
    Eine der Karikaturen zeigt den Propheten mit einer Bombe im Turban. Diese stammte von Kurt Westergaard und machte ihn damit zum bekanntesten unter den Zeichnern. Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben, wie verschiedene dänische Medien berichten und sich dabei auf Familie und Freunde des Zeichners beziehen. Westergaard war eigentlich Deutsch-Lehrer und arbeitete seit Mitte der 80er-Jahre als Karikaturist für die Zeitung "Jyllands Posten".
    "Er ist in gewisser Weise ein Selfmade-Karikaturist", sagt der Journalist, Autor und Comic-Experte Andreas Platthaus [Audio]. "Er ist im Alter von ungefähr 50 Jahren zur Karikatur gekommen, war aber dann sofort als großes Talent erkennbar, gerade weil er so klassisch gezeichnet hat, eher realistisch, gar nicht so wahnsinnig verzerrend." Sein Stil, der sich durch starke Schwarz-Weiß-Kontraste und Räumlichkeit ausgezeichnet habe, habe an die Karikaturentradition des 19. Jahrhunderts angeknüpft. "Er war ein in jedem Sinne konservativer Mensch, was das Ästhetische angeht", meint Platthaus.

    Heftige Proteste, Botschaften werden attackiert

    Gegen die Mohammed-Karikaturen protestierten weltweit Hunderttausende Muslime, es kam zu Ausschreitungen, Dutzende starben, auch die Botschaften Dänemarks und Norwegens wurden attackiert. In Dänemark und anderen westlichen Ländern löste die Westergaard-Zeichnung eine Debatte über die Grenzen der Meinungs- und Religionsfreiheit aus. Es stellte sich die Frage, inwiefern man bei Satire auf die religiösen Gefühle anderer Rücksicht nehmen solle.
    Das beschäftigt auch den Filmemacher Andres Veiel. Westergaard sei sehr mutig gewesen und habe dafür einen hohen Preis gezahlt, sagt er [AUDIO] . Dennoch bleibe eine Grundfrage: Rein juristisch betrachtet müsse die Freiheit der Kunst immer gewährleistet sein. Zugleich müssten Künstler aber auch abwägen: Wenn man wisse, dass man andere mit dem eigenen Werk verletze, müsse man sich auch fragen, ob es wirklich notwendig sei, alles zu zeigen. Der Zweifel bleibe wichtig: "Muss es wirklich sein? Müssen wir alles ans Licht zerren?"
    Westergaard habe einmal erzählt, er sei in einem sehr strengen, christlichen Elternhaus aufgewachsen und für ihn sei es eine Offenbarung gewesen, sich von den fundamentalistischen Strukturen zu befreien, sagt Veiel: "In dem Sinne ist er ein Konvertit, der dieses Joch abstreifen wollte und es im wahrsten Sinne des Wortes in die Welt hinausgebrüllt hat."

    "Wir müssen die Äußerungsfreiheit verteidigen"

    Kurt Westergaard lebte lange unter Polizeischutz. Trotzdem gelang es einem Attentäter im Jahr 2010, mit einer Axt in das Haus des Zeichners einzudringen. Westergaard entging dem Anschlag nur knapp. Einige Monate später hörte er als Karikaturist auf. Im Januar 2015 begründeten Terroristen den Anschlag auf das französische Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris unter anderem mit dem Abdruck des Bildes.
    Trotz dieser Erfahrungen sagte Westergaard 2015, es sei richtig gewesen, die Karikaturen zu veröffentlichen: "Wir hatten einen Zusammenstoß zweier Kulturen erlebt, und wir können ja nicht etwas so Fundamentales in der dänischen Demokratie aufgeben wie die Äußerungsfreiheit, wir müssen sie verteidigen."

    Folgen für andere Karikaturisten

    Andreas Platthaus sieht auch Folgen dieser Ereignisse für die gesamte Szene: "Ich habe mit vielen Karikaturisten, sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern gesprochen in den Jahren seither und fast alle sagen: Wir sind viel vorsichtiger, was religiöse Themen angeht. Im Idealfall lassen wir die Finger davon. Das heißt: Man sieht dazu keine Karikaturen mehr – oder zumindest sehr wenige."
    Frankreich und Charlie Hebdo bildeten die Ausnahme. "Die sind genauso drastisch wie vorher. Aber genau darum kommen die auch alle paar Monate mit großer Zuverlässigkeit wieder neu unter Morddrohungsbeschuss und unter intensiveren Polizeischutz. Also es ist ein im buchstäblichen Sinne vermintes Gelände, selbst wenn man keine unmittelbaren Bomben in Turbane zeichnet."
    (leg/ahe)
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