Todesfälle auf dem Mond
Christine Lehmann lässt ihre Reporterin Lisa Nerz diesmal nicht im süddeutschen Raum agieren. Sie schießt ihre Krimi-Heldin auf den Mond. In der Raumstation trifft sie auf viele seltsame Gestalten aus aller Welt und versucht, einen Mörder dingfest zu machen, als ob's der Orientexpress wäre.
On the dark side of the moon ist schwer was los. Vielleicht nicht so sphärisch, wie sich das damals Pink Floyd gedacht haben, sondern eher handfest. In Christine Lehmanns neuem Krimi "Nachtkrater" kommt es nämlich zu betrüblichen Todesfällen in der internationalen Mondstation Artemis. Eine Menge Aufklärungsarbeit für Lisa Nerz, die zwischen allen Geschlechtern oszillierende Schwabenreporterin aus Stuttgart, die in bisher sieben Abenteuern jedes Mal nicht umhin kommt, Mordfälle aufzuklären … Mondstation? Eine Schwäbin im Weltall?
Christine Lehmann, die mit ihren Kriminalromanen um Lisa Nerz, - alle spielten bislang im süddeutschen Raum, aus nicht immer klaren Gründen als Vertreterin des Regionalkrimis gilt, hat in ihrem neuen Krimi den näheren und weiteren Orbit um Stuttgart verlassen. Sie schießt ihre Heldin dahin, wohin viele Kritiker den Regionalkrimi sowieso geschossen haben wollen: auf den Mond.
Erstaunlich ist dabei, dass Lehmann ein so überzeugendes Mond-Szenario aufbaut, dass der Sprung von der Metapher zur Realitätssimulation sehr klein ist.
Lisa Nerz landet – lebensweltlich unplausibel, literarisch völlig plausibel - auf der Mondstation, weil sie von ihrem Freund und Gelegenheits-Lover, dem Staatsanwalt Richard Weber manipuliert worden war, um dort oben Beweise für sehr irdische, sehr dunkle Machenschaften der Energiewirtschaft zu sammeln, die schon einen anderen Astronauten das Leben gekostet haben.
In der Raumstation, die ein abgeschlossenes Bio- und Soziotop ergibt, trifft Lisa Nerz auf viele seltsame Gestalten aus aller Welt und versucht, einen Mörder dingfest zu machen, als ob´s der Orientexpress wäre. Die Mondstation ist der Orientexpress oder der Nildampfer oder jeder andere Krimi-Ort, an dem Menschen isoliert von der Außenwelt zusammen sein müssen. Und natürlich hat sich Lehmann dieses Szenario konstruiert, um ihr lustiges Spiel zu treiben. Sie dekliniert alle klassischen Whodunnit-Situationen durch.
Wenn ich was zu nörgeln hätte, dann hier: Manche Passagen sind zu lang geraten, wer wann wie lange unter welchen Umständen im Toiletten-Modul war, mag zwar schrecklich wichtig für den Plot sein, den Leser verwirrt´s ob der ausführlichen und wiederkehrenden Schilderung, aber das nur am Rande …
Durch diese Deklinationen entsteht ein kleiner Katalog zeitgenössischer Thrillerthemen: Kontamination, böse Waffen, Verschwörungen, Terrorismus – flämisch oder islamistisch -, geheimnisvolle Zeichen, ein wenig PSI, ein wenig Aliens, ein wenig Skandal. Dazu die üblichen Mordgründe der conditio humana: Liebe, Eifersucht, edles Gedankengut und Patriotismus. Das ist schon sehr vergnüglich wie Lehmann all diese Handlungspartikel und Motiv-Optionen aufmarschieren und dann von Lisa Nerz oder den Umständen abservieren lässt. Am Ende haben wir uns derart gut amüsiert, dass wir ein Problem aus den Augen verloren haben: Gibt es überhaupt eine Forschungsstation auf dem Mond? Zumindest ich habe angefangen, während der Lektüre zu grübeln.
Nein, es gibt keine, aber es spricht für die Präzision im Imaginären, dass man Christine Lehmann ihre Station abnimmt. Es entfällt natürlich auch die Frage (falls sie sich überhaupt jemandem stellt), ob diese Fiktion ausreicht, den Roman als Science-Fiction zu bezeichnen. Nein, "Nachtkrater" ist ein beinahe puristischer, klassischer Kriminalroman mit viel, viel Spielwitz.
Rezensiert von Thomas Wörtche
Christine Lehmann: Nachtkrater. Roman.
Hamburg: Ariadne Krimi 2008, 441 Seiten, € 12,90
Christine Lehmann, die mit ihren Kriminalromanen um Lisa Nerz, - alle spielten bislang im süddeutschen Raum, aus nicht immer klaren Gründen als Vertreterin des Regionalkrimis gilt, hat in ihrem neuen Krimi den näheren und weiteren Orbit um Stuttgart verlassen. Sie schießt ihre Heldin dahin, wohin viele Kritiker den Regionalkrimi sowieso geschossen haben wollen: auf den Mond.
Erstaunlich ist dabei, dass Lehmann ein so überzeugendes Mond-Szenario aufbaut, dass der Sprung von der Metapher zur Realitätssimulation sehr klein ist.
Lisa Nerz landet – lebensweltlich unplausibel, literarisch völlig plausibel - auf der Mondstation, weil sie von ihrem Freund und Gelegenheits-Lover, dem Staatsanwalt Richard Weber manipuliert worden war, um dort oben Beweise für sehr irdische, sehr dunkle Machenschaften der Energiewirtschaft zu sammeln, die schon einen anderen Astronauten das Leben gekostet haben.
In der Raumstation, die ein abgeschlossenes Bio- und Soziotop ergibt, trifft Lisa Nerz auf viele seltsame Gestalten aus aller Welt und versucht, einen Mörder dingfest zu machen, als ob´s der Orientexpress wäre. Die Mondstation ist der Orientexpress oder der Nildampfer oder jeder andere Krimi-Ort, an dem Menschen isoliert von der Außenwelt zusammen sein müssen. Und natürlich hat sich Lehmann dieses Szenario konstruiert, um ihr lustiges Spiel zu treiben. Sie dekliniert alle klassischen Whodunnit-Situationen durch.
Wenn ich was zu nörgeln hätte, dann hier: Manche Passagen sind zu lang geraten, wer wann wie lange unter welchen Umständen im Toiletten-Modul war, mag zwar schrecklich wichtig für den Plot sein, den Leser verwirrt´s ob der ausführlichen und wiederkehrenden Schilderung, aber das nur am Rande …
Durch diese Deklinationen entsteht ein kleiner Katalog zeitgenössischer Thrillerthemen: Kontamination, böse Waffen, Verschwörungen, Terrorismus – flämisch oder islamistisch -, geheimnisvolle Zeichen, ein wenig PSI, ein wenig Aliens, ein wenig Skandal. Dazu die üblichen Mordgründe der conditio humana: Liebe, Eifersucht, edles Gedankengut und Patriotismus. Das ist schon sehr vergnüglich wie Lehmann all diese Handlungspartikel und Motiv-Optionen aufmarschieren und dann von Lisa Nerz oder den Umständen abservieren lässt. Am Ende haben wir uns derart gut amüsiert, dass wir ein Problem aus den Augen verloren haben: Gibt es überhaupt eine Forschungsstation auf dem Mond? Zumindest ich habe angefangen, während der Lektüre zu grübeln.
Nein, es gibt keine, aber es spricht für die Präzision im Imaginären, dass man Christine Lehmann ihre Station abnimmt. Es entfällt natürlich auch die Frage (falls sie sich überhaupt jemandem stellt), ob diese Fiktion ausreicht, den Roman als Science-Fiction zu bezeichnen. Nein, "Nachtkrater" ist ein beinahe puristischer, klassischer Kriminalroman mit viel, viel Spielwitz.
Rezensiert von Thomas Wörtche
Christine Lehmann: Nachtkrater. Roman.
Hamburg: Ariadne Krimi 2008, 441 Seiten, € 12,90