Frankreich streitet über Terrorbekämpfung
In einer Kirche im nordfranzösischen Saint-Étienne-du-Rouvray ist ein Priester bei einer Geiselnahme getötet worden. Frankreichs Präsident François Hollande nannte die Tat einen Terroranschlag. Politischer Streit setzte unmittelbar nach dem Ende der Geiselnahme ein.
Fünf Menschen waren am Vormittag zur Messe in der katholischen Kirche von St. Etienne du Rouvray, einer Vorstadt von Rouen in der Normandie – als zwei mit Messern bewaffnete Männer, islamistische Parolen rufend, die Kirche stürmten. Im Verlauf der Geiselnahme schnitten die Täter dem 84-jährigen Priester die Kehle durch, eine der Geiseln wurde lebensgefährlich verletzt, die drei anderen blieben unversehrt.
Staatspräsident Hollande am Anschlagsort
Eine Frau, die aus einem Seitenausgang der Kirche rechtzeitig fliehen konnte, alarmierte die Polizei; sehr schnell waren Sondereinheiten zur Stelle: als die Geiselnehmer - mit Messern in der Hand - die Kirche verließen, wurden sie von der Polizei erschossen. Nach einem Besuch am Anschlagsort sagte Staatspräsident Francois Hollande, beide Täter hätten sich zur Terrorgruppe "Islamischer Staat" bekannt. Am frühen Nachmittag meldete die Nachrichtenagentur "Amak", der "IS" reklamiere die Tat für sich: Die Antiterrorabteilung der Pariser Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen, einer der Täter war den Behörden als ein radikalisierter Dschihadist bekannt, er stammte aus St.Etienne du Rouvray, wo seine Eltern heute noch leben.
Der politische Streit setzte - noch schneller als nach dem Anschlag von Nizza - unmittelbar nach dem Ende der Geiselnahme ein. Zunächst hatte sich - noch vor der Kirche von St.Etienne du Rouvray – Präsident Hollande an die Bevölkerung gewandt:
"Wir sehen uns einmal mehr einer schweren Belastungsprobe gegenüber. Die Bedrohung ist sehr groß und sie wird sehr groß bleiben. Die Terrorgruppe 'Daesh', der sogenannte 'Islamische Staat' hat uns den Krieg erklärt. Wir müssen diesen Krieg mit allen Mitteln führen – im Rahmen des Rechtsstaates: Denn wir sind eine Demokratie. Die Terroristen wollen unsere Gesellschaft spalten. Und gerade deshalb müssen wir umso mehr zusammenhalten, müssen ein Block sein, ein Ganzes – das niemand zerreißen kann."
Sarkozy fordert härtere Gangart
Der Verweis auf den Rechtsstaat, das Beschwören des Zusammenhalts - diese Worte galten insbesondere auch dem Mann, der zwei Stunden später in einer von mehreren Sendern übertragenen Ansprache an die Öffentlichkeit ging: Nicolas Sarkozy, Präsident der oppositionellen "Republikaner". Seit Monaten fordert er eine härtere Gangart – so auch heute. Die "Seele Frankreichs" sei getroffen worden, Frankreich sei wieder einmal für das angegriffen worden, wofür es stehe, sagte Sarkozy, sprach den "Katholiken Frankreichs und der katholischen Kirche" sein Mitgefühl und seine Solidarität aus – und dann weiter:
"Unser Land ist also - wieder einmal - von der Barbarei getroffen worden – unter besonders unmenschlichen Umständen. Die Nation ist tief bewegt. Diese Situation muss uns dazu führen, dass wir endlich verstehen, dass wir unsere gesamte Anti-Terror-Strategie tiefgreifend verändern müssen: was die Maßnahmen, was die gesamte Dimension unseres Gegenschlages betrifft. Unser Feind kennt keine Tabus, keine Grenzen, keine Moral. Wir müssen unerbittlich sein."
Und also forderte Nicolas Sarkozy die Regierung auf, die seit Monaten vorliegenden Empfehlungen seiner Partei aufzugreifen und ohne Zeitverzug umzusetzen. Dazu zählt etwa die Schaffung einer zentralen Anti-Terror-Behörde. Verdächtige sollen zu Fußfesseln gezwungen oder ausgewiesen werden. In den Haftanstalten will Sarkozy ein Abhörsystem etabliert sehen, gefasste Islamisten sollen dort isoliert werden. Auch ein Spezialgefängnis nach dem Vorbild von "Guantanamo" ist aus den Reihen der "Republikaner" schon vorgeschlagen worden.
Beratungen im Elysee-Palast
Die Regierung kommentierte die Stellungnahme Sarkozys nicht. Premierminister Manuel Valls nannte den Terrorakt einen "Angriff auf ganz Frankreich und alle Katholiken", auch er betonte die Geschlossenheit der Bevölkerung: "Wir stehen zusammen", sagte er. Präsident Francois Hollande lud alle Repräsentanten der verschiedenen Konfessionen Frankreichs für morgen zu einer Beratung in den Elysee-Palast ein.