Tödlicher Angriff an Tankstelle in Idar-Oberstein

Ist der Täter ein radikalisierter Querdenker?

06:04 Minuten
Blumen, Kerzen und Botschaften an das Opfer liegen vor der Tankstelle, an der ein Maskengegner einen Angestellten erschossen hat. Zwei Menschen stehen vor den Blumen.
Ein Angestellter einer Tankstelle in Idar-Oberstein wurde von einem Kunden erschossen, nachdem der Mitarbeiter den Mann auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. © picture alliance/dpa/Thomas Frey
Ramona Westhof im Gespräch mit Julius Stucke |
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Nachdem ein Mann auf die Maskenpflicht hingewiesen wurde, erschoss er den Kassierer einer Tankstelle. Der Rechtsextremismusexperte André Aden hält einen Zusammenhang zwischen der Tat in Idar-Oberstein und der Querdenken-Szene für sehr wahrscheinlich.
Weit über Rheinland-Pfalz hinaus sorgt eine Gewalttat für Entsetzen: In Idar-Oberstein hat ein Maskengegner den 20-jährigen Kassierer einer Tankstelle erschossen. Der junge Mitarbeiter hatte den Kunden zuvor an die Maskenpflicht erinnert. Steht hinter diesem tödlichem Angriff das, wovor Experten seit Langem warnen – eine Radikalisierung der Querdenken-Bewegung?
Es werde ein Zusammenhang vermutet, berichtet die Journalistin Ramona Westhof. Der Mann sei geständig, die Ermittlungen würden voraussichtlich aber noch einige Wochen dauern. So solle noch geklärt werden, wie der Schütze an die Waffe gelangt sei. Bei ihm zu Hause wurden auch noch mehr Waffen und Munition gefunden. Auch die elektronischen Geräte des Mannes würden derzeit untersucht, ob es etwa Verbindungen in das Querdenken-Milieu gebe.

Beschäftigung mit Corona-Verschwörungserzählungen

Der zuständige Oberstaatsanwalt von Bad Kreuznach hat sich genauer zur Aussage des Schützen von Idar-Oberstein geäußert. Diese legt einen Zusammenhang nahe: "Zu dem Motiv gab er an, dass ihn die Situation der Corona-Pandemie stark belaste", so der Oberstaatsanwalt über die Aussage des Täters. "Er habe sich von dieser Situation immer weiter in die Ecke gedrängt gefühlt und jetzt keinen anderen Ausweg gesehen, als ein Zeichen zu setzen. Dabei schien ihm auch das Opfer verantwortlich für die Gesamtsituation, da es die Regeln durchgesetzt habe."
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa hat sich der Mann auch mit Corona-Verschwörungserzählungen beschäftigt. In einschlägigen Querdenken-Chatgruppen gebe es Beifall für die Tat, sagt Ramona Westhof. Es würden dort auch hämische Witze über das Opfer gemacht.

Radikalisierte Strukturen in der Szene

André Aden von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus beobachtet die Querdenken-Szene und hält einen Zusammenhang zur Szene für sehr wahrscheinlich. Er sagt, dass sich bei Querdenken derzeit zwar einzelne Personengruppen radikalisieren, es aber längst radikalisierte Strukturen in der heterogenen Szene gebe: Reichsbürger, extreme Rechte, bestimmte esoterische Strukturen.
Bei Querdenken seien zum Teil auch dieselben Akteure wie bei Pegida aktiv, sagt Aden. Die Corona-Maßnahmen seien für diese radikalisierten Akteure ein auswechselbarer Anlass. Nach der Pandemie könnte ihr nächstes Thema zum Beispiel der Widerstand gegen Umweltpolitik oder gegen einen angeblichen "Linksrutsch" sein.
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