Vernachlässigte Länder
22:59 Minuten
Auch bei uns kommen manche Weltregionen in der Berichterstattung zu kurz. Deshalb hatten wir gefragt, was Ihnen gefehlt hat in diesem Jahr? Einiges wollen wir aufgreifen: Es geht um DDR-Freundschaften in Afrika, Nordkorea-Vergleiche und Strände.
Sind die Touristen zurück in Tunesien nach dem Anschlag von 2015? Warum hören wir nie etwas über Mosambik? Stimmt es, dass Togo das "Nordkorea Afrikas" ist? Wie entwickelt sich eigentlich Taiwan im Schatten des übermächtigen Bruders China? Vier Hörerfragen, die uns im Zuge der "Wunsch-Weltzeit" erreicht haben und die wir jetzt beantworten wollen.
Tunesien holt die Touristen zurück
"Was tut sich in Tunesien in den ehemaligen Urlaubsgebieten um Sousse und Umgebung - sind sie weiterhin dem Verfall ausgesetzt nach dem Anschlag 2015?", wollte eine Hörerin wissen.
"Jetzt ist der Tourismus zurückgekommen", sagt unsere Reporterin für die Region Anne-Françoise Weber. "Dieses Jahr gab es sieben Millionen Touristen, der neue Tourismus-Minister hofft, dass es nächstes Jahr neun Millionen werden." Wichtig sei, dass die Briten zurückkommen, weil unter den Opfern viele Briten waren.
Das Hotel, wo der Angriff stattfand, wurde im letzten Jahr wiedereröffnet, nachdem zwei Millionen Euro investiert wurden. Auch in die Sicherheit sei investiert worden. Anschläge gebe es weiter, allerdings nicht in den Urlaubsregionen:
"Im Juni sind an der Grenze zu Algerien Sicherheitskräfte im Visier gewesen, jetzt im Herbst in der Innenstadt von Tunis wurden Polizisten verletzt und im Dezember hat ein Terrorkommando gezielt einen Mann getötet, der sich gegen die Terroristen eingesetzt hat. Es ist also nicht völlig entspannt, aber die Schauplätze sind andere."
DDR-Bürger hatten enge Verbindung zu Mosambik
"Ich würde gern einen Beitrag hören über Mosambik, was total oder fast verschwiegen wird in den Medien", sagte uns eine Hörerin.
Und sie hat recht. Aus Mosambik haben wir lange nicht mehr berichtet. Warum? Es gibt dort keine festen Korrespondentenplätze und selten besondere Entwicklungen. Dazu ist die Infrastruktur katastrophal. Wenn man aus Südafrika über die Grenze in die Hauptstadt Maputo kommt, wird dringend von der Fahrt mit den Überlandbussen abgeraten, weil die Unfallquoten rekordverdächtig hoch sind. Auf Tourismus ist Mosambik nicht vorbereitet, auch wenn die lange Küste und die Savanne mit großartigen Naturerlebnissen dazu einladen. Zurzeit kommen hauptsächlich Urlauber aus Südafrika in das Land, aber längst nicht genug, um von einem eigenen Wirtschaftszweig sprechen zu können. Die Menschen leben von allem von Landwirtschaft und Fischfang.
Mosambik war über 500 Jahre lang Kolonie und wurde erst 1975 unabhängig von Portugal. Dann folgten 16 Jahre Bürgerkrieg, angefeuert und finanziert von den Parteien im Kalten Krieg. Die Beziehungen zur DDR waren eng, mosambikanische Vertragsarbeiter wurden im sozialistischen Bruderland ausgebildet und DDR-Fachkräfte kamen nach Mosambik, um bei der Modernisierung des Landes zu helfen. Aber nach dem Bürgerkrieg lag das Land am Boden. Und die ehemaligen Verbündeten des sozialistischen Lagers verschwanden.
"Dennoch existieren bis heute enge Bande nach Ostdeutschland. Die ehemaligen Vertragsarbeiter der DDR treffen sich in Mosambik regelmäßig und fordern von Deutschland Rentenzahlungen für ihre damals geleistete Arbeit", erzählt Margarete Wohlan, deren Schwager als Interflug-Vertreter von 1984 bis 1986 in Mosambik war und bis heute enge Verbindungen nach Mosambik unterhält. Sie will im nächsten Jahr für die Weltzeit hinfliegen.
Die internationale Entwicklungshilfe konzentriert sich vor allem auf den Gesundheitssektor. Denn Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 56 Jahren und die Geburtenrate liegt bei über fünf Kinder pro Frau.
Togo ist kein "Nordkorea Afrikas"
"Togo - das stille Nordkorea Afrikas", fragte uns die Familie Herbst, um mehr über das Land zu erfahren.
Eigentlich erstaunlich, dass wir in Deutschland kaum etwas über Togo wissen, denn das Land war einmal deutsche Kolonie (1884-1916), und Spuren davon sind bis heute zu finden. Togo ist ein Kleinstaat in Westafrika, die Nachbarn sind Benin, Burkina Faso und Ghana. Wir berichten fast nie aus Togo, einfach deshalb, weil kaum jemand dorthin fährt. Togo wurde nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Frankreich und Großbritannien aufgeteilt und nach Gutdünken immer wieder in seinen Grenzen verändert. Die Küste Togos gehört zu der sogenannten "Sklavenküste", die sich über Benin bis nach Nigeria erstreckt. Von dort aus wurden Sklaven in alle Welt verschifft, die zuvor gejagt und gefangen worden waren.
1960 wurde das Land unabhängig und existiert seither in seinen derzeitigen Landesgrenzen.
Togo wird autoritär regiert, Kritiker finden sich schnell im Gefängnis wieder und die Menschenrechte werden nicht respektiert. Nach der fast 40-jährigen Militärdiktatur unter Gnassingbé Eyadéma regiert nun seit 2005 einer seiner Söhne: Faure Gnassingbé siegte bei Wahlen, die Opposition spricht von Wahlbetrug.
Dennoch kann man Togo nicht als "Nordkorea Afrikas" bezeichnen.
"Das Leben in Togo ist wesentlich freier und unkontrollierter als das, was wir aus Nordkorea hören", meint Elias Aguigah, der in Togo einen Freiwilligendienst in einer Grundschule und im Kindergarten absolviert hat und auch selbst Familie dort hat. Er wundert sich darüber, "dass wir in Deutschland sicher mehr über Nordkorea als über Togo wissen".
Taiwan wird vom Schulhof-Stärksten gemobbt
Uns hat Herr von Waltersheim geschrieben, um auf Taiwan aufmerksam zu machen:
"Meines Erachtens die zu Unrecht vergessene Insel. Für alle Staaten gilt das Selbstbestimmungsrecht der dort wohnenden Bevölkerung, nicht aber hier. Gemäß des alten Spruchs: 'Gold/Geld zieht dem Recht die Zähne', wird wegen der wirtschaftlichen Vormacht Festlands-Chinas diesem demokratischen Staat diplomatisch von fast allen UN-Staaten die Anerkennung verweigert. Schade! Hauptsache, die Kasse stimmt, also wie einst am Schulhof: Faustrecht."
In der Tat leben die rund 23 Millionen Taiwaner als Unterdrückte. Zwar haben sie eine funktionierende parlamentarische Demokratie und einen gewissen ökonomischen Wohlstand, aber nur 17 Länder unterhalten diplomatische Beziehungen zu Taiwan - vor allem kleine Staaten wie Tuvalu, Kiribati und Haiti. Alle anderen fürchten wirtschaftliche Nachteile im Handel mit der Volksrepublik China. Die regierende Kommunistische Partei erhebt Anspruch auf Taiwan und will den Menschen keine Autonomie zugestehen. Dieser Position folgen alle westlichen Staaten, auch die Europäische Union.
Der Ursprung des Konflikts liegt Jahrzehnte zurück: Nach dem Sieg der Kommunisten im Chinesischen Bürgerkrieg flüchteten die Anhänger der bis dahin regierenden Kuomintang ab 1949 auf die Insel Taiwan. Bisher Heimat vieler indigener Gruppen aus dem austronesischen Sprachraum. Auch sie lebten fortan unter der Diktatur des KMT-Anführers Chiang Kai-Shek in der "Republic of China". In den 80er- und 90er-Jahren gab es viele Proteste. Es folgte die Transformation in eine Demokratie. Die Kuomintang blieb aber an der Macht und unterhielt enge Beziehungen zu "Festland"-China. Die große Nähe missfiel vor allem den Jüngeren - sie wollten mehr Eigenständigkeit und trugen 2016 zum Machtwechsel bei. Kurz davor haben wir berichtet.
Nun regiert auf Taiwan die "Democratic Progressive Party", die eine Unabhängigkeit von der Volksrepublik China präferiert. Das will die Kommunistische Partei verhindern. Zur Not auch militärisch. Mehr als 1000 Raketen sind vom Festland auf Taiwan gerichtet. Die liberalen Demokraten auf der Insel erfüllt das mit großen Sorgen. Im nächsten Jahr werden wir deshalb wieder hinreisen.