Tom Cruise als "Trojanisches Pferd" von Scientology
Der britische Autor Andrew Morton sieht in der Verfilmung "Valkyrie" mit dem Scientologen Tom Cruise als Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg eine geschickte Werbeaktion der umstrittenen Sekte. Deutschland sei ein interessanter Markt für Scientology, die Gefolgschaft sei aber noch bescheiden.
Jürgen König: "Tom Cruise. Der Star und die Scientology-Verschwörung", so heißt das Buch von Andrew Morton, das jetzt auf Deutsch bei Droemer erschienen ist. Zentrale These: Der Schauspieler Tom Cruise ist ein trojanisches Pferd. Er ist der Werbeträger, der zweitwichtigste Mann der Scientologen, gleich nach deren Chef David Miscavige. Andrew Morton ist britischer Journalist. Er schrieb Bücher u.a. schon über Lady Diana, über Monica Lewinsky, über Madonna. Jetzt also "Tom Cruise. Der Star und die Scientology-Verschwörung." Gestern Vormittag war Andrew Morton bei uns zu Gast gemeinsam mit dem Dolmetscher Johannes Hampel.
Mister Morton, Sie schreiben, Tom Cruise betreibe "die rastlose Expansion von Scientology." Für Sie ist er in der Scientology-Hierarchie der zweitmächtigste Mann. Was macht Sie so sicher, dass das wirklich so ist?
Andrew Morton: Nun, Tom Cruise, schauen Sie sich doch nur an, was er macht. Er fördert diese Organisation mit Millionen von Dollar. Er dient als eine Art Aushängeschild. Er hat Zugang zu den Korridoren der Macht. Er spricht mit Präsidenten und Staatschefs, mit den Botschaftern. Er wird dies auch hier in Deutschland tun. Er kommt mit den wichtigsten Menschen zusammen. David Miscavige, der Chef von Scientology, hat gesagt, wenn er könnte, würde er Tom Cruise zum Generalinspektor, also zur Nummer zwei in seiner Organisation machen. Und schauen wir es uns doch an: Ohne Tom Cruise wäre Scientology doch mehr oder minder eine kleine Vorstadtorganisation.
König: Das heißt, Sie haben Belege dafür, dass Tom Cruise wirklich in die Planungen der Organisation eingebunden ist, dass er der Vizepräsident ist?
Morton: Ja, ich bin mir dessen absolut sicher. Schauen Sie sich das doch an: Er wird wie ein König bei Scientology behandelt. Ihm werden spezielle Privilegien eingeräumt. Es ist seine Aufgabe, neue Prominente heranzuführen, wie er das ja auch bereits geleistet hat. Er ist eine der Hoffnungen für die Scientology. Und ohne Tom Cruise würde doch niemand über diese Organisation reden. Es ist irgendwie wie bei Madonna. Auch sie schöpft diese Berühmtheit aus.
Bei den Jahresversammlungen, bei den Strategiebesprechungen beharren sie und überprüfen, wie viele Presseberichte, wie viele Stunden an Sendezeit sie wieder ergattert haben. Das sind alles Berichte, nicht über Scientology, sondern über Tom Cruise und somit auch über Scientology. Über Tom Cruises Hochzeiten wird berichtet, über die Schwangerschaft seiner Freundin und Ähnliches mehr. Das alles ist ein Mitnahmeeffekt für Scientology, der hochgekommen ist.
König: Tom Cruise ist mit Kate Holmes verheiratet. Sie schreiben von einem Gerücht innerhalb der Scientology-Sekte, wonach die gemeinsame Tochter Suri womöglich gar nicht das leibliche Kind von Tom Cruise ist, sondern, wie Sie schreiben, Kate Holmes sei gefrorenes Sperma des 1986 verstorbenen Scientology-Gründers Ron Hubbard eingesetzt worden. Etliche Anhänger hätten das erzählt, dieses Gerücht innerhalb der Sekte. Konnten Sie das irgendwie nachprüfen, oder ist es letztlich ein Gerücht?
Morton: Nun, wie ich in dem Buch schon dargelegt habe, ist diese ganze Theorie absurd. Ich verwende sie ja als ein Beispiel für all den Zirkus, den Scientology um das Aushängeschild Tom Cruise veranstaltet. Sie sehen ja, was alles mit dieser Schwangerschaft veranstaltet wurde. Tom Cruise hat für eine Viertelmillion Dollar ein Ultraschallgerät gekauft, um jede Phase der Schwangerschaft zu verfolgen. Dieses Gerede um die stille Geburt wurde innerhalb von Scientology gewaltig aufgebauscht.
Aber das alles ist doch ein Beleg für diesen Glauben, der da innerhalb von Scientology vorherrscht, nämlich dass der 1986 gestorbene Gründer Ron Hubbard 20 Jahre später wieder auferstehen werde, wiederkommen werde. Jetzt ist Jahr 2006. Und der große Werbeträger Tom Cruise wird Vater sein. Seine Freundin wird schwanger. Das passt doch alles zusammen. Diese Leute bei Scientology glauben das wirklich. Sie glauben an die Reinkarnation. Sie glauben, dass Hubbard irgendwo im Kosmos herumschwebt und dass er wiederkehren wird. Sie halten ein Haus jederzeit für ihn bereit. Sie legen sogar Tag um Tag die Kleidung für ihn aus. Das alles beweist, wie stark diese Leute in diesen Aberglauben eingesponnen sind.
König: Wo haben Sie recherchiert für Ihr Buch? Ich stelle mir vor, wenn Sie über diesen Stuff, wie Sie sagen, über diesen Unsinn, mit Scientologen gesprochen haben, können das ziemlich amüsante Gespräche gewesen sein. Waren sie es?
Morton: Ich habe, als ich die Recherchen für mein Buch anfing, mit einem ehemaligen hochrangigen Mitglied von Scientology in Florida gesprochen. Der hat gleich zu Beginn gesagt, Andrew, wenn du dich jetzt hier mit Scientology anlegst, dann hast du gute Chancen, dass das Ganze den Bach runtergeht. Aber immerhin, ich war ja im Vorteil. Die Leute kannten mich schon. Ich hatte ja bereits Bücher veröffentlicht, insbesondere das über Diana. Ich bin also kein unbeschriebenes Blatt. Die Leute können mich über Google und Wikipedia jederzeit ausforschen. Sie wissen, dass ich kein Privatdetektiv bin.
Ich fand es sehr faszinierend, im Laufe dieser Arbeiten mit immer mehr ehemaligen Scientology-Mitgliedern in Kontakt zu kommen, die jede meiner Bemerkungen, meiner Beobachtungen als absolut zutreffend bestätigten. Und mehr und mehr kam so ans Tageslicht. Und ich glaube, diese Aufdeckung wird noch weitergehen.
König: Hatten Sie auch Kontakte zu jetzigen Mitgliedern von Scientology? Und gleich noch eine Frage dazu: Haben Sie mit Tom Cruise mal gesprochen?
Morton: Ich habe Tom Cruise zu einem Gespräch eingeladen. Er hat diese Einladung abgelehnt. Ich habe aber mit über 130 Menschen gesprochen, die mit ihm in direktem Kontakt standen oder stehen, auch mit vielen Mitgliedern von Scientology, die diese Organisation gerade erst verlassen haben. Ich habe mit Menschen gesprochen, die durch Tom Cruise auditiert worden waren, die ihn selbst erfahren hatten in seiner Rolle als Scientologe. Ich habe mit ehemaligen Weggefährten, mit Lehrern, mit Schauspielerkollegen, mit Drehbuchautoren gesprochen. Das heißt, mein Bild ist doch recht umfassend.
König: Verlassen wir mal kurz Scientology, denn ist ja eigentlich auch eine Biographie des Tom Cruise. Haben Sie im Leben dieses Schauspielers irgendetwas erlebt, gefunden, kennengelernt, dass Sie richtig berührt hat, wo Sie Sympathie für diese Figur hatten, für diesen Menschen Tom Cruise?
Morton: Eine sehr schöne Frage, die Sie mir da vorlegen. Ich muss sagen, ich habe mich Tom Cruise sehr nahe gefühlt und war auch sehr angerührt, als ich herausfand, dass seine Kindheit von Missbrauch, von Schlägen geprägt war, dass sein Vater ein Alkoholiker war, der ihn dann prügelte. Und ich glaube, das war mit entscheidend dafür, dass er dann Schauspieler wurde. Denn was wir immer wieder feststellen, ist, dass Kinder, die misshandelt, die geprügelt worden sind, es schaffen, gewisse Anteile und Erlebnisse abzuspalten und sich als jemanden anderen auszugeben. Und so muss wohl der kleine Tom auch angefangen haben, Tagträume auszuspinnen, sich als jemand anders zu fühlen. Und deswegen wollte er dann ja auch Schauspieler werden. Übrigens, bezeichnenderweise war sein erster Berufswunsch ja, Pilot zu werden.
König: Es tut mir ja ein bisschen leid, dass ich jetzt das Gespräch doch wieder auf Scientology bringen muss, aber die deutsche Ausgabe ist eben ganz und gar schon im Untertitel "Der Star und die Scientology-Verschwörung" mit diesem Fokus versehen. Tom Cruise hat ja jetzt in Deutschland Teile des Films "Die Walküre" gedreht. Er spielt darin den Widerstandskämpfer Stauffenberg. Das werten Sie als, wie es heißt, publizistisches Meisterstück: "Das war ein geschickter Schachtzug, den Hitlerattentäter zu spielen. Ein Scientologe gibt den Deutschen ihren Helden zurück." Glauben Sie wirklich, dass Scientology in Deutschland größeren Zulauf haben wird, weil Tom Cruise den Stauffenberg spielt?
Morton: Nun, die Gefolgschaft von Scientology hier in Deutschland ist ja recht bescheiden. Man spricht von 12.000 Mitgliedern. Einige sagen, 3.000 dürfte eher zutreffen. Nun, wie dem auch sei. Scientology versucht jedenfalls, seine Präsenz hier in Deutschland auszuweiten. Und da ist Tom Cruise natürlich ein geeignetes Mittel. Sie wissen ja vielleicht, im Jahr 1997 wurde ein offener Brief an die deutsche Bundesregierung verfasst, unterzeichnet von Hollywood-Stars, darunter Tom Cruise, worin dann die Menschenrechte für Scientology eingeklagt wurden. Er hat bei der Veröffentlichung der Filme "Vanilla Sky" oder "Krieg der Welten" ebenfalls die Gelegenheit genutzt, um für seine Sache zu werben.
Und ich glaube, es ist ein außerordentlich geschickter Publicity-Schachtzug, Tom Cruise hier als eine Art trojanisches Pferd einzusetzen. Er braucht eigentlich gar nichts zu machen, außer nett in die Kamera zu lächeln. Und es wird ja geradezu ein Buschfeuer an Aufmerksamkeit erzeugt. Das alles ist sehr geschickt eingefädelt. Und wir sollten nicht vergessen, Deutschland ist mit 82 Millionen Menschen auch ein bedeutender Markt mit viel Geld für Scientology.
König: Wir hatten am Freitag den Religionssoziologen Gerald Willms hier zu Gast. Der meinte, das Thema sein in Deutschland maßlos überbewertet, so hat er es wörtlich gesagt, maßlos überbewertet. Und auch Tom Cruise als Galionsfigur sei mitnichten der große gefährliche Buhmann, vor dem man sich in Acht nehmen müsse. Ist da nicht was dran, dass es ein viel Lärm much ado about nothing ist?
Morton: Nun, ich würde sagen, die Hysterie und die Verzerrung der Tatsachen, die man da findet, das ist sicherlich übertrieben. Aber was nun den eigentlichen Grundbestand an Tatsachen angeht, so gilt doch weiterhin, dass Mitglieder von Scientology ins Gefängnis gesteckt worden sind, weil sie vor einem amerikanischen Gericht überführt wurden, die größte Unterwanderungsaktion der amerikanischen Geschichte in amerikanischen Regierungsbehörden angestellt zu haben. Es gibt für Scientology viele Belege, dass ehemalige Mitglieder eingeschüchtert werden, dass Familien zerstört werden. Erst letztes Wochenende hat eine Nichte des Chefs von Scientology öffentlich beklagt, dass Scientology ihre eigene Familie zerstört habe.
Was Tom Cruise nun angeht, er ist ein gefährlicher Mann nur in dem Ausmaße, als man es ihm einräumt, gefährlich zu sein. Was er da so loslässt über die Psychiatrie, dass Psychiatrie etwa weltweit verboten werden sollte. Ja, das kann er ja ruhig sagen. Man muss es eben dann aber auch kritisch hinterfragen. Man muss Argumente fordern, was ja jetzt nicht geschieht.
Im Augenblick sieht es doch so aus, dass alle diese Prominenten eine Art Freifahrtschein genießen. Sie dürfen alles vom Stapel lassen, was ihnen in den Sinn kommt. Niemand hinterfragt das kritisch. Das gilt nicht für Politiker. Ich meine also, und das habe ich ja auch in dem Buch gemeint, dass jeder sich gerieren darf wie Politiker. Aber wie Politiker muss man sie dann auch vor den Gerichtshof der Vernunft ziehen und sagen, was ist dran? Und das geschieht im Moment nicht.
König: Ein Gespräch mit dem britischen Journalisten und Autor Andrew Morton. Sein Buch "Tom Cruise. Der Star und die Scientology-Verschwörung" ist im Droemer-Verlag erschienen. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Zehnwachs und Johanna Reischmann.
Mister Morton, Sie schreiben, Tom Cruise betreibe "die rastlose Expansion von Scientology." Für Sie ist er in der Scientology-Hierarchie der zweitmächtigste Mann. Was macht Sie so sicher, dass das wirklich so ist?
Andrew Morton: Nun, Tom Cruise, schauen Sie sich doch nur an, was er macht. Er fördert diese Organisation mit Millionen von Dollar. Er dient als eine Art Aushängeschild. Er hat Zugang zu den Korridoren der Macht. Er spricht mit Präsidenten und Staatschefs, mit den Botschaftern. Er wird dies auch hier in Deutschland tun. Er kommt mit den wichtigsten Menschen zusammen. David Miscavige, der Chef von Scientology, hat gesagt, wenn er könnte, würde er Tom Cruise zum Generalinspektor, also zur Nummer zwei in seiner Organisation machen. Und schauen wir es uns doch an: Ohne Tom Cruise wäre Scientology doch mehr oder minder eine kleine Vorstadtorganisation.
König: Das heißt, Sie haben Belege dafür, dass Tom Cruise wirklich in die Planungen der Organisation eingebunden ist, dass er der Vizepräsident ist?
Morton: Ja, ich bin mir dessen absolut sicher. Schauen Sie sich das doch an: Er wird wie ein König bei Scientology behandelt. Ihm werden spezielle Privilegien eingeräumt. Es ist seine Aufgabe, neue Prominente heranzuführen, wie er das ja auch bereits geleistet hat. Er ist eine der Hoffnungen für die Scientology. Und ohne Tom Cruise würde doch niemand über diese Organisation reden. Es ist irgendwie wie bei Madonna. Auch sie schöpft diese Berühmtheit aus.
Bei den Jahresversammlungen, bei den Strategiebesprechungen beharren sie und überprüfen, wie viele Presseberichte, wie viele Stunden an Sendezeit sie wieder ergattert haben. Das sind alles Berichte, nicht über Scientology, sondern über Tom Cruise und somit auch über Scientology. Über Tom Cruises Hochzeiten wird berichtet, über die Schwangerschaft seiner Freundin und Ähnliches mehr. Das alles ist ein Mitnahmeeffekt für Scientology, der hochgekommen ist.
König: Tom Cruise ist mit Kate Holmes verheiratet. Sie schreiben von einem Gerücht innerhalb der Scientology-Sekte, wonach die gemeinsame Tochter Suri womöglich gar nicht das leibliche Kind von Tom Cruise ist, sondern, wie Sie schreiben, Kate Holmes sei gefrorenes Sperma des 1986 verstorbenen Scientology-Gründers Ron Hubbard eingesetzt worden. Etliche Anhänger hätten das erzählt, dieses Gerücht innerhalb der Sekte. Konnten Sie das irgendwie nachprüfen, oder ist es letztlich ein Gerücht?
Morton: Nun, wie ich in dem Buch schon dargelegt habe, ist diese ganze Theorie absurd. Ich verwende sie ja als ein Beispiel für all den Zirkus, den Scientology um das Aushängeschild Tom Cruise veranstaltet. Sie sehen ja, was alles mit dieser Schwangerschaft veranstaltet wurde. Tom Cruise hat für eine Viertelmillion Dollar ein Ultraschallgerät gekauft, um jede Phase der Schwangerschaft zu verfolgen. Dieses Gerede um die stille Geburt wurde innerhalb von Scientology gewaltig aufgebauscht.
Aber das alles ist doch ein Beleg für diesen Glauben, der da innerhalb von Scientology vorherrscht, nämlich dass der 1986 gestorbene Gründer Ron Hubbard 20 Jahre später wieder auferstehen werde, wiederkommen werde. Jetzt ist Jahr 2006. Und der große Werbeträger Tom Cruise wird Vater sein. Seine Freundin wird schwanger. Das passt doch alles zusammen. Diese Leute bei Scientology glauben das wirklich. Sie glauben an die Reinkarnation. Sie glauben, dass Hubbard irgendwo im Kosmos herumschwebt und dass er wiederkehren wird. Sie halten ein Haus jederzeit für ihn bereit. Sie legen sogar Tag um Tag die Kleidung für ihn aus. Das alles beweist, wie stark diese Leute in diesen Aberglauben eingesponnen sind.
König: Wo haben Sie recherchiert für Ihr Buch? Ich stelle mir vor, wenn Sie über diesen Stuff, wie Sie sagen, über diesen Unsinn, mit Scientologen gesprochen haben, können das ziemlich amüsante Gespräche gewesen sein. Waren sie es?
Morton: Ich habe, als ich die Recherchen für mein Buch anfing, mit einem ehemaligen hochrangigen Mitglied von Scientology in Florida gesprochen. Der hat gleich zu Beginn gesagt, Andrew, wenn du dich jetzt hier mit Scientology anlegst, dann hast du gute Chancen, dass das Ganze den Bach runtergeht. Aber immerhin, ich war ja im Vorteil. Die Leute kannten mich schon. Ich hatte ja bereits Bücher veröffentlicht, insbesondere das über Diana. Ich bin also kein unbeschriebenes Blatt. Die Leute können mich über Google und Wikipedia jederzeit ausforschen. Sie wissen, dass ich kein Privatdetektiv bin.
Ich fand es sehr faszinierend, im Laufe dieser Arbeiten mit immer mehr ehemaligen Scientology-Mitgliedern in Kontakt zu kommen, die jede meiner Bemerkungen, meiner Beobachtungen als absolut zutreffend bestätigten. Und mehr und mehr kam so ans Tageslicht. Und ich glaube, diese Aufdeckung wird noch weitergehen.
König: Hatten Sie auch Kontakte zu jetzigen Mitgliedern von Scientology? Und gleich noch eine Frage dazu: Haben Sie mit Tom Cruise mal gesprochen?
Morton: Ich habe Tom Cruise zu einem Gespräch eingeladen. Er hat diese Einladung abgelehnt. Ich habe aber mit über 130 Menschen gesprochen, die mit ihm in direktem Kontakt standen oder stehen, auch mit vielen Mitgliedern von Scientology, die diese Organisation gerade erst verlassen haben. Ich habe mit Menschen gesprochen, die durch Tom Cruise auditiert worden waren, die ihn selbst erfahren hatten in seiner Rolle als Scientologe. Ich habe mit ehemaligen Weggefährten, mit Lehrern, mit Schauspielerkollegen, mit Drehbuchautoren gesprochen. Das heißt, mein Bild ist doch recht umfassend.
König: Verlassen wir mal kurz Scientology, denn ist ja eigentlich auch eine Biographie des Tom Cruise. Haben Sie im Leben dieses Schauspielers irgendetwas erlebt, gefunden, kennengelernt, dass Sie richtig berührt hat, wo Sie Sympathie für diese Figur hatten, für diesen Menschen Tom Cruise?
Morton: Eine sehr schöne Frage, die Sie mir da vorlegen. Ich muss sagen, ich habe mich Tom Cruise sehr nahe gefühlt und war auch sehr angerührt, als ich herausfand, dass seine Kindheit von Missbrauch, von Schlägen geprägt war, dass sein Vater ein Alkoholiker war, der ihn dann prügelte. Und ich glaube, das war mit entscheidend dafür, dass er dann Schauspieler wurde. Denn was wir immer wieder feststellen, ist, dass Kinder, die misshandelt, die geprügelt worden sind, es schaffen, gewisse Anteile und Erlebnisse abzuspalten und sich als jemanden anderen auszugeben. Und so muss wohl der kleine Tom auch angefangen haben, Tagträume auszuspinnen, sich als jemand anders zu fühlen. Und deswegen wollte er dann ja auch Schauspieler werden. Übrigens, bezeichnenderweise war sein erster Berufswunsch ja, Pilot zu werden.
König: Es tut mir ja ein bisschen leid, dass ich jetzt das Gespräch doch wieder auf Scientology bringen muss, aber die deutsche Ausgabe ist eben ganz und gar schon im Untertitel "Der Star und die Scientology-Verschwörung" mit diesem Fokus versehen. Tom Cruise hat ja jetzt in Deutschland Teile des Films "Die Walküre" gedreht. Er spielt darin den Widerstandskämpfer Stauffenberg. Das werten Sie als, wie es heißt, publizistisches Meisterstück: "Das war ein geschickter Schachtzug, den Hitlerattentäter zu spielen. Ein Scientologe gibt den Deutschen ihren Helden zurück." Glauben Sie wirklich, dass Scientology in Deutschland größeren Zulauf haben wird, weil Tom Cruise den Stauffenberg spielt?
Morton: Nun, die Gefolgschaft von Scientology hier in Deutschland ist ja recht bescheiden. Man spricht von 12.000 Mitgliedern. Einige sagen, 3.000 dürfte eher zutreffen. Nun, wie dem auch sei. Scientology versucht jedenfalls, seine Präsenz hier in Deutschland auszuweiten. Und da ist Tom Cruise natürlich ein geeignetes Mittel. Sie wissen ja vielleicht, im Jahr 1997 wurde ein offener Brief an die deutsche Bundesregierung verfasst, unterzeichnet von Hollywood-Stars, darunter Tom Cruise, worin dann die Menschenrechte für Scientology eingeklagt wurden. Er hat bei der Veröffentlichung der Filme "Vanilla Sky" oder "Krieg der Welten" ebenfalls die Gelegenheit genutzt, um für seine Sache zu werben.
Und ich glaube, es ist ein außerordentlich geschickter Publicity-Schachtzug, Tom Cruise hier als eine Art trojanisches Pferd einzusetzen. Er braucht eigentlich gar nichts zu machen, außer nett in die Kamera zu lächeln. Und es wird ja geradezu ein Buschfeuer an Aufmerksamkeit erzeugt. Das alles ist sehr geschickt eingefädelt. Und wir sollten nicht vergessen, Deutschland ist mit 82 Millionen Menschen auch ein bedeutender Markt mit viel Geld für Scientology.
König: Wir hatten am Freitag den Religionssoziologen Gerald Willms hier zu Gast. Der meinte, das Thema sein in Deutschland maßlos überbewertet, so hat er es wörtlich gesagt, maßlos überbewertet. Und auch Tom Cruise als Galionsfigur sei mitnichten der große gefährliche Buhmann, vor dem man sich in Acht nehmen müsse. Ist da nicht was dran, dass es ein viel Lärm much ado about nothing ist?
Morton: Nun, ich würde sagen, die Hysterie und die Verzerrung der Tatsachen, die man da findet, das ist sicherlich übertrieben. Aber was nun den eigentlichen Grundbestand an Tatsachen angeht, so gilt doch weiterhin, dass Mitglieder von Scientology ins Gefängnis gesteckt worden sind, weil sie vor einem amerikanischen Gericht überführt wurden, die größte Unterwanderungsaktion der amerikanischen Geschichte in amerikanischen Regierungsbehörden angestellt zu haben. Es gibt für Scientology viele Belege, dass ehemalige Mitglieder eingeschüchtert werden, dass Familien zerstört werden. Erst letztes Wochenende hat eine Nichte des Chefs von Scientology öffentlich beklagt, dass Scientology ihre eigene Familie zerstört habe.
Was Tom Cruise nun angeht, er ist ein gefährlicher Mann nur in dem Ausmaße, als man es ihm einräumt, gefährlich zu sein. Was er da so loslässt über die Psychiatrie, dass Psychiatrie etwa weltweit verboten werden sollte. Ja, das kann er ja ruhig sagen. Man muss es eben dann aber auch kritisch hinterfragen. Man muss Argumente fordern, was ja jetzt nicht geschieht.
Im Augenblick sieht es doch so aus, dass alle diese Prominenten eine Art Freifahrtschein genießen. Sie dürfen alles vom Stapel lassen, was ihnen in den Sinn kommt. Niemand hinterfragt das kritisch. Das gilt nicht für Politiker. Ich meine also, und das habe ich ja auch in dem Buch gemeint, dass jeder sich gerieren darf wie Politiker. Aber wie Politiker muss man sie dann auch vor den Gerichtshof der Vernunft ziehen und sagen, was ist dran? Und das geschieht im Moment nicht.
König: Ein Gespräch mit dem britischen Journalisten und Autor Andrew Morton. Sein Buch "Tom Cruise. Der Star und die Scientology-Verschwörung" ist im Droemer-Verlag erschienen. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Zehnwachs und Johanna Reischmann.