Tomas Espedal: "Bergeners"
Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Matthes & Seitz, Berlin 2018
160 Seiten, 22 Euro
Ein trauriges Buch über verlorene Liebe
Ein Lachs-Essen im fernen New York verleiht einem Paar in "Bergeners" den Mut zu sagen: "Wenn wir nach Hause kommen, müssen wir uns trennen.“ Espedal erzählt anrührend von einer verlorenen Liebe und der tröstlichen Einsamkeit der Literatur.
Ehe man in Bergen ankommt und einige Bergener kennenlernt, muss man durch die Welt ziehen. Tomas Espedal ist ein Globetrotter, ein Weltengänger. "Bergeners" ist also ein Welt- und Heimatbuch, das eine dient der Horizonterweiterung, das andere dem Innehalten, dem Zu-sich-Kommen. Aber im Grunde handelt dieses schöne, traurige und nachdenkliche Buch von der Liebe, der verlorenen Liebe.
Es fängt mit einer Szene an einem norwegischen Wasserfall an, etwa 100 Kilometer nördlich von Bergen, ein Junge beobachtet einen Lachs, der hinaufzuspringen versucht, "es wirkt unmöglich". Dann sind wir unversehens in New York, wo der Erzähler Tomas Espedal mit seiner Freundin Janne einen norwegischen Lachs isst, der ihn nicht nur an die Heimat erinnert, sondern auch ihr den Mut verleiht zu sagen: "Wenn wir nach Hause kommen, müssen wir uns trennen."
Er trinkt und raucht und sitzt gern im Dunkeln
Dieses Geständnis muss ihn in eine tiefe, anhaltende Krise stürzen, denn Janne ist gewissermaßen seine Lebensversicherung: "Nie würde er ohne sie zurechtkommen". Was also tun? "Eine zu lieben, die weg ist, das ist dasselbe wie schreiben." Schreiben also. Über die "Krankheit Liebe": am Tage Träume, nachts die Einsamkeit, die sich neben ihn legt. Über die Einsamkeit, über die verzweifelte Einsicht, "dass er allein bleiben musste, um mit ihr zusammenzubleiben".
Seine Einsamkeit: Ist es Trauerarbeit oder Melancholie? Er trinkt und raucht, er sitzt gern im Dunkeln, er feiert seinen 50. Geburtstag allein, er beschreibt Goyas "Schwarze Bilder", er spricht mit Toten, zum Beispiel mit seiner Mutter, zu der er ein ähnlich ambivalentes Verhältnis wie zu seiner Heimatstadt hat. Freunde macht man sich in diesem Zustand (und in diesem Alter) nicht mehr.
Wahrhaftige Literatur
Sein Kollege Karl Ove Knausgårds schrieb noch von der "unglaublichen Kraft" Bergens. Von Knausgård ist hier auch die Rede, es geht um eine angebliche Vergewaltigung. Was beide Autoren miteinander verbindet, obwohl sie so anders schreiben, ist ihr Verständnis heutiger Literatur. Ziemlich genau in der Mitte kommt die programmatische Passage, mit der Espedal die norwegische Wirklichkeitsliteratur und damit sein eigenes Buch charakterisiert: "Was wir schreiben, muss wahr sein, wir müssen das Wirkliche mit all unserem Ernst und all unserer Kraft beschreiben."