Javier Marías: „Tomás Nevinson“
© Fischer Verlag
Ein letzter großer Roman
07:05 Minuten
Javier Marias
Übersetzt von Susanne Lange
Tomás NevinsonFischer, Frankfurt 2022736 Seiten
32,00 Euro
Terroristen auf der Flucht und auch Geheimagenten leben ein Leben als andere. Javier Marías' letzter Roman „Tomás Nevinson“ ist ein enorm spannend erzählter Thriller und eine finstere Abhandlung über den Charakter des Menschen.
Javier Marías hat mit seinem letzten veröffentlichten Buch noch einmal eine radikal pessimistische Studie des menschlichen Charakters vorgelegt. Wer den vorhergehenden Roman „Berta Isla“ gelesen hat, wird das neue Buch als Weiterführung der James-Bond-artigen Geheimdienststory begreifen, auch wenn Marías im Nachwort schreibt, es sei „nicht wirklich eine Fortsetzung“, vielmehr bildeten die beiden „ein Paar“.
So wie Tomás Nevinson und Berta Isla in den beiden Teilen dieses traurig-schaurigen, auf wunderbar kunstvolle Weise erzählten Werks ein Ehepaar sind und auch Titelgeber der Bücher.
So wie Tomás Nevinson und Berta Isla in den beiden Teilen dieses traurig-schaurigen, auf wunderbar kunstvolle Weise erzählten Werks ein Ehepaar sind und auch Titelgeber der Bücher.
Zum Hintergrund: Nevinson wurde in seiner Jugend vom britischen Geheimdienst angeworben wegen seiner Intelligenz und seines Sprachtalents. Zunächst sträubte er sich, doch die Agenten stellten ihn vor die Wahl, mitzumachen oder – aufgrund eines inszenierten Verbrechens – auf ewig im Gefängnis zu landen.
Geheimagent auf Lebenszeit
So steht der in England und Spanien aufgewachsene Tomás Nevinson nun lebenslang im Dienste seiner Majestät. Für seinen neuen Fall soll er nun herausfinden, welche von drei in Frage kommenden Frauen in einer nordwestspanischen Kleinstadt jene ist, die für die Terrororganisationen IRA in Irland und die ETA im Baskenland an brutalen Attentaten beteiligt war und danach unter neuer Identität in dieser unauffälligen Gegend untergetaucht ist.
Zur Tarnung lässt er sich als Englischlehrer an der örtlichen Schule anstellen. Die eine Verdächtige ist seine Kollegin, die zweite betreibt erfolgreich ein Restaurant und die dritte ist Ehefrau eines reichen Provinzpolitikers.
Geheimagent auf Lebenszeit
So steht der in England und Spanien aufgewachsene Tomás Nevinson nun lebenslang im Dienste seiner Majestät. Für seinen neuen Fall soll er nun herausfinden, welche von drei in Frage kommenden Frauen in einer nordwestspanischen Kleinstadt jene ist, die für die Terrororganisationen IRA in Irland und die ETA im Baskenland an brutalen Attentaten beteiligt war und danach unter neuer Identität in dieser unauffälligen Gegend untergetaucht ist.
Zur Tarnung lässt er sich als Englischlehrer an der örtlichen Schule anstellen. Die eine Verdächtige ist seine Kollegin, die zweite betreibt erfolgreich ein Restaurant und die dritte ist Ehefrau eines reichen Provinzpolitikers.
Als deutscher Leser denkt man bei diesem Szenario unwillkürlich an die RAF-Mitglieder, denen die DDR eine neue Identität verschafft hatte und die erst nach der Wiedervereinigung enttarnt werden konnten.
Der Roman ist aber weit mehr als ein spannend geschriebener Geheimdienst-Thriller: Marías beleuchtet wieder die vielen Facetten der menschlichen Existenz, des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der Nähe und Abstoßung zwischen Liebenden, die sein gesamtes Werk prägen.
Unterwerfung und freier Wille
Der Protagonist Tomás Nevinson weiß sehr genau, wie es ist, wenn man eine neue Identität annehmen muss. Er empfindet sich als eine Marionette der Geheimdienstchefs, die ihn aus dem mafia-artigen Orden nie entlassen werden.
Unterwerfung und freier Wille
Der Protagonist Tomás Nevinson weiß sehr genau, wie es ist, wenn man eine neue Identität annehmen muss. Er empfindet sich als eine Marionette der Geheimdienstchefs, die ihn aus dem mafia-artigen Orden nie entlassen werden.
Daher entwickelt er ein gewisses Mitleid für die drei Frauen, von denen zumindest eine ständig auf der Hut vor Entdeckung sein muss. Der freie Wille des Individuums steht ebenso infrage wie die Unabhängigkeit von Frauen in einer Beziehung.
Denn je mehr Nevinson seine drei Zielpersonen ausspioniert, desto mehr intime Details aus deren Privatleben offenbaren sich ihm. Dazu schildert Marías herrliche Szenen aus dem Alltag in der Provinz, von Korruption, Anpassung und moralischer Scheinheiligkeit.
Javier Marías verhandelt Reflexionen über Verbrechen und Gerechtigkeit, Schuld und Strafe, über Gut und Böse, Selbstbestimmung und Schicksal. Der ständige Wechsel in der Erzählhaltung – auktorial und Ich-Perspektive Nevinsons – trägt dazu bei, dass dieser Roman kraftvoll immer weiter drängt.
Und er lässt den Autor und seinen Protagonisten stark in eins rücken: Javier Marías lebte zwischen Spanien und England, lehrte an der Universität Oxford, die auch für seine Hauptfigur ein zentraler Ort ist.
„Tomás Nevinson“ ist durch den Gedankenreichtum und den weltumspannenden Blick von Javier Marías auf Fragen von Schuld und Sühne, seinen zahlreichen literarischen Reminiszenzen sowie einen unvergleichlich einnehmenden und mitreißenden Stil ein meisterhafter letzter Roman des großen Autors.
„Tomás Nevinson“ ist durch den Gedankenreichtum und den weltumspannenden Blick von Javier Marías auf Fragen von Schuld und Sühne, seinen zahlreichen literarischen Reminiszenzen sowie einen unvergleichlich einnehmenden und mitreißenden Stil ein meisterhafter letzter Roman des großen Autors.