Tomer Gardi über "Eine runde Sache"
Tomer Gardis Roman besteht aus zwei Teilen. Der erste ist ziemlich lustig und hält sich nicht an Sprachregeln - der zweite ist in geschliffenem Deutsch. © Shiraz Grinbaum
Vom "Broken German" zu geschliffenem Deutsch
11:08 Minuten
Bin ich jemand anderes, wenn ich auf Deutsch schreibe, als wenn ich auf Hebräisch schreibe? Aus dieser Frage entstand der Roman "Eine runde Sache" des in Berlin lebenden Israelis Tomer Gardi. Ein Teil setzt auf ein sehr ungewöhnliches Deutsch.
"Drausen" mit einem "s", "kamm" dafür mit zwei "m" – so schreibt der israelische Schriftsteller Tomer Gardi auf Deutsch. Mit seinem Buch "Broken German" hat er beim Bachmann-Preis vor ein paar Jahren eine Art sprachtheoretische Debatte ausgelöst. Sein neuer Roman "Eine runde Sache" hat zwei Teile: Den ersten hat Tomer Gardi wieder in seinem "Broken German" – eine Art gebrochenes Deutsch – geschrieben, den zweiten auf Hebräisch, Anne Birkenhauer hat ihn in geschliffenes Deutsch übersetzt.
Das Buch sei aus einem Zwiespalt entstanden, sagt Tomer Gardi. Er habe eine Art Kern einer Idee gehabt, den er entwickeln wollte. "Mir war aber klar, wenn ich diesen Kern der Idee auf Deutsch entwickle, in meiner deutschen Fantasie, mit meinem deutschen Wortschatz und meiner deutschen Lebenserfahrung, wird es zu einer ganz anderen Geschichte führen, als wenn ich es mit meinem Hebräisch entwickle."
Erlkönig und sprechender Schäferhund
Daraus sind zwei sehr unterschiedliche Geschichten entstanden. Die erste ist ziemlich lustig: Sie beginnt im Theater, dann geht es in den Wald, dort spricht die Figur Tomer Gardi mit dem Schäferhund Rex. Der Erlkönig wird erst veräppelt, dann taucht er selbst auf und es beginnt eine fantastische Odyssee. Der zweite Teil ist eine geschliffene historische Geschichte über den indonesischen Maler Raden Saleh im 19. Jahrhundert und bewegt sich von Java durch Europa und zurück nach Asien.
Er habe mit dem Buch herausfinden wollen, ob er eine andere Person sei, wenn er auf Deutsch schreibe, als wenn er auf Hebräisch schreibe. Für die Leserinnen und Leser sei die Frage aber eher, wie Sprachen unsere Lebensrealität und Identität beeinflussen. Für sich habe er festgestellt, erklärt Gardi: "Wie ich es verstehe, haben meine hebräischsprachige Identität und deutschsprachige Identität viel miteinander zu tun, obwohl sie zu unterschiedlichen Geschichten führen."
Grenzen der Übersetzbarkeit austesten
Auch wenn Gardi im ersten Teil des Buchs Grammatik und Rechtschreibung in ganz eigener Weise nutzt, kann man sich schnell daran gewöhnen. "Ich habe keine ästhetische oder politische Haltung, die sagt: ‚Die Regeln sind überflüssig‘", so Gardi. "Sie sind aber flexibler, als man denkt."
Es sei ihm auch darum gegangen, die Grenzen der Übersetzbarkeit von Sprache auszutesten. Auch im ersten Teil des Buches sei vieles übersetzt. Beispielsweise übersetzt der Erzähler den Schäferhund Rex, da der Erlkönig ihn nicht versteht.
Letztlich sei im Buch alles ein Durcheinander und eine Mischung von Originalsprache und Übersetzung, sagt Gardi.
(abr)