Tomi Obaro: "Freundin bleibst du immer"

Wiedersehen in Lagos

05:52 Minuten
Buchcover zu "Freundin bleibst du immer" von Tomi Obaro.
© hanserblau

Tomi Obaro

Übersetzt von Stefanie Ochel

Freundin bleibst du immerhanserblau, Berlin 2022

320 Seiten

24,00 Euro

Von Sonja Hartl |
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Drei nigerianische Frauen, drei unterschiedliche Lebenswege: In Tomi Obaros Debütroman treffen sich alte Freundinnen wieder und ziehen Bilanz. Sie denken schonungslos nach über Ehen, ihre Körper und Töchter. Das bleibt in Erinnerung.
Vor über 30 Jahren haben sich Funmi, Enitan und Zainab auf der Universität in Zaria, im Norden Nigerias, kennengelernt und sind seither Freundinnen. Zur Hochzeit von Funmis Tochter sehen sie sich nun wieder – drei Schwarze Frauen in ihren 40ern, die längst Entscheidungen getroffen haben, mit deren Konsequenzen sie leben müssen.
Das ist eine verheißungsvolle Ausgangssituation. Tomi Obaro erzählt in ihrem Debütroman „Freundin bleibst du immer“ kapitelweise wechselnd von einer der Frauen: Enitan hat kurz nach ihrem Abschluss Hals über Kopf einen US-Amerikaner geheiratet, ist mit ihm nach New York gegangen und kehrt nun in ein Land zurück, das ihr gleichermaßen vertraut wie fremd ist. Zainab lebt weiterhin im Norden Nigerias, sie pflegt ihren Ehemann und hat wieder mit dem Schreiben angefangen. Die schillernde Funmi ist in Lagos mit einem reichen Mann verheiratet, von dessen Geschäften und potenziellen Affären sie nichts wissen will. Das Wegsehen garantiert ihr ein zufriedenes Leben.

Von Müttern und Schönheit

Die Unterschiede zwischen diesen Frauen nutzt Tomi Obaro, um von Müttern, dem Leben in den verschiedenen Regionen Nigerias und von Attraktivität zu erzählen. So wusste Enitan immer, dass sie weniger attraktiv ist als ihre Freundinnen. Sie hat den ersten Mann geheiratet, der sie schön findet, und erlebt seither in den USA einen Alltagsrassismus, der ihr Gefühl, nicht zu genügen, noch verstärkt. Ihre Unsicherheit verdeckt sie hinter einer gelassenen Unnahbarkeit, die auch das Verhältnis zu ihrer Tochter belastet.
Dagegen war sich Funmi immer bewusst, dass ihr Aussehen ihr Kapital ist. Ihr ganzes Leben hat sie es bewusst eingesetzt. Aber aus der trotzigen jungen Frau, die um Selbstbehauptung kämpft, ist längst eine Egozentrikerin geworden, die nicht sehen will, wie unglücklich ihre Tochter ist.

Erzählerisch unausgewogen

Funmi ist der schillernde Mittelpunkt dieses Romans. Die Beschreibung ihrer illegalen Abtreibung im Jahr 1984 ist die beste Passage des gesamten Romans, in ihr entfaltet der nüchterne Stil eine ungeheure politische Kraft.
Jedoch unterläuft der Roman bisweilen sein eigenes Potenzial – und das liegt vor allem an seiner Struktur. Er setzt im Jahr 2015 ein und geht dann in die 1980er Jahre – die Zeit des Kennenlernens – zurück. Vor dem Hintergrund der Militärdiktatur und Studierendenprotesten in Nigeria versuchen die drei jungen Frauen ihren Weg zu finden. Doch wichtige Ereignisse wie der Tod von Funmis erster großer Liebe wurden bereits in den Gegenwartskapiteln erwähnt und werden nun nahezu pflichtschuldig abgehandelt.

Interessante Frauenfiguren

Diese Unausgewogenheit zeigt sich auch bei den Töchtern von Funmi und Enitan: Sie sind Aufhänger, Scharniere, bleiben jedoch blass. Dabei verkörpert Enitans in den USA geborene Tochter jenen Blick von außen auf Nigeria. Ähnlich wie andere US-Touristen hat sie ein vor allem durch Literatur geformtes Bild des Landes im Kopf, über das die Menschen in Nigeria nur noch lachen können.
In ihrem leichtgängigen Roman „Freundin bleibst du immer“ hat Tomi Obaro drei interessante Frauenfiguren geschaffen und erzählt pointiert von ihren Lebensweisen, ihren Beziehungen, aber auch ihrem Aufwachsen in verschiedenen Regionen des Landes und Familienkonstellationen. Zwar gibt sie ihren Figuren keinen Raum für Weiterentwicklungen oder Veränderungen – aber in Erinnerung bleibt dieses Frauen-Trio alleine durch die schonungslose Offenheit, mit der sie einander gegenübertreten.
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