Tondokumente von 1990

Als Frauen aus der DDR für Gleichstellung kämpften

30:04 Minuten
Protest am 22. April 1990 gegen eine Übernahme des bundesdeutschen Abtreibungsgesetzes Paragraph 218 vor der Volkskammer in Ost-Berlin. Mehrere Personen halten Transparente hoch.
Protest am 22. April 1990 gegen eine Übernahme des bundesdeutschen Abtreibungsgesetzes Paragraph 218 vor der Volkskammer in Ost-Berlin. © picture-alliance/dpa/Peter Kneffel
Zusammengestellt von Constanze Lehmann |
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Das Ende des Staates DDR rückt im Frühjahr 1990 immer näher. Vielen Frauen ist klar, wirklich gleichberechtigt waren sie nicht. Es entsteht eine Frauenbewegung, die Gleichstellung, Geschlechterfragen und Gewalt gegen Frauen öffentlich thematisiert.
Es ist eine dramatische Zwischenzeit. Am Zentralen Runden Tisch ringen die alten und die neuen politischen Kräfte um Macht und Entscheidungen. Der junge Unabhängige Frauenverband erstreitet sich zwei Plätze am Runden Tisch.

Frauen kämpfen um soziale Belange

Bis zur letzten Sitzung am 12. März gelingt es frauenpolitische, vor allem soziale Themen voranzubringen. Dennoch endet die Zeit mit einer Niederlage für die Frauen der Opposition als der Runde Tisch die formalen Weichen für die Volkskammerwahl stellt.
Reporter: "Die Frauen am Runden Tisch hatten Pech mit ihrem Versuch, gewissermaßen in letzter Minute eine Quotenregelung im Wahlgesetz zu verankern. Ein Vertreter der Nationaldemokraten pochte auf das Kompetenzprinzip und vertröstete die Frauen auf spätere Zeiten. Ein Sprecher des Neuen Forums meinte, man dürfe ihre Empfindlichkeiten und berechtigte Schwierigkeiten nicht zum Prinzip erheben. Das stoße selbst Gutwillige ab."

1990 war ein irres Jahr. Die Mauer war gefallen und die neu gewonnene Freiheit in der DDR war größer als die des bald vereinten Deutschland. Viele lebten die Möglichkeiten aus, die sich nach dem Sturz des SED-Regimes eröffneten. Zugleich wuchs die Sehnsucht, wieder in geordneten Bahnen leben zu können. Hoffnungen von Bürgerrechtlern, die im Herbst 1989 die betonierten Verhältnisse aufgebrochen hatten, wurden bitter enttäuscht. Der Osten lernte den Westen, und der Westen den Osten kennen. Unsere Reihe "Tondokumente aus dem Jahr der deutschen Einheit" vermittelt Eindrücke von diesem stürmischen letzten Jahr der DDR, in dem auch für die alte Bundesrepublik die Zeit ablief. Hören Sie wie Literaten und Feuilleton den Aufbruch diskutierten, stimmungsvolle Eindrücke aus dem Sommer 1990 und wie die Volkskammer das Ende der DDR beschließt.

Zum ersten Mal wird über Feminismus, Geschlechterfragen, Gleichstellung und Gewalt gegen Frauen nicht nur in gesellschaftlichen Nischen geredet. Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte werden vielerorts eingesetzt. Frauenzentren und Frauenhäuser werden gegründet.
DDR-Frau: "Oft bei Außenstehenden, bei Männern, die davon hören, merkt man eigentlich, dass sie mit der Problematik wirklich nicht umgehen können… Sie haben Angst davor, dass es vielleicht doch ihre Privatsphäre beeinflussen könnte, dass Frauen, die da mitarbeiten, oder ihre Frauen, die da mitarbeiten, also ich sage es mal so, aufmüpfig werden könnten."

Nach der Volkskammerwahl wird die Frauenbewegung leiser

DDR-Frau: "Die Frauenbewegung existiert bei uns und das ist das Wichtigste, aber sie ist leiser geworden. Und das sind nicht umsonst also bestimmte politische Ausgrenzungsmechanismen, die jetzt überall laufen. Das betrifft sowohl die Alternativszene, die sagt, also im Zuge der Vereinigung sind alle Fragen wichtiger als Frauenfragen, als auch die Sache, die von den etablierten Parteien betrieben wird."

Frauen werden aus dem Arbeitsmarkt gedrängt

400.000 Menschen verlassen 1990 die DDR. In diesen Zeiten sind es überproportional viele Frauen, die gehen. Sie sind es auch, die überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Der Kampf um die DDR-Fristenlösung

DDR-Frau: "Ich finde, das ist für uns Frauen in der DDR ein Zurück eigentlich zur Steinzeit, würde ich sagen, … Ich habe zwei Kinder. Ich habe meine Kinder auch sehr gerne. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass jede Frau selbstbewusst und verantwortlich über ihren Körper und auch über Kinder entscheiden sollte."

Hoffnung auf Gleichstellung

Frauen verteidigen ihre Berufstätigkeit, wollen Gleichberechtigung und Rechte für Männer, damit auch sie für die Kinder da sein können. Andere Frauen nehmen die Hausfrauenrolle an, entdecken eine neue Mütterlichkeit.


DDR-Frau: "Ich bin also sehr der Meinung, dass Frauen sich artikulieren sollen, dass sie darüber sprechen müssen, das öffentlich machen müssen, in welchen Rollen sie stecken. Und wie wichtig jede einzelne Rolle ist, die sie ausfüllen, dass sie auch stolz darauf sein können, dass sie das alles bislang geschafft haben und dass sie jetzt ihre eigenen Vorstellungen, wie sie es weiterhin haben möchten, wie sie es weiterhin leben möchten, artikulieren können. Irgendwie denke ich schon, sollten Frauen und Männer überlegen, wie ein guter Weg dazwischen zu finden ist. Also ich hoffe ganz doll, dass wir der jetzt kommenden Gesellschaft diesen Stempel aufdrücken können."

Das Manuskript als Textdatei. "Ein Toast auf alle Frauen! Gleichberechtigung in der DDR im Jahr 1990"
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