Toni Morrison: "Die Herkunft der anderen. Über Rasse, Rassismus und Literatur"
Rowohlt Verlag, Reinbek, 2018
112 Seiten, 16,00 Euro
Was es heißt, in Amerika schwarz zu sein
In dem Band "Die Herkunft der anderen" sind Vorlesungen der US-amerikanischen Schriftstellerin Toni Morrison zusammengefasst, die sie 2016 gehalten hat. Darin thematisiert sie auch die kaum zu ertragene Brutalität damals gegenüber Sklaven.
Die Vorlesungen, die in dem Band "Die Herkunft der anderen" abgedruckt sind, hat die 85-jährige Toni Morrison im Sommer 2016 an der Harvard University gehalten. Ihre Auseinandersetzung mit dem Rassismus ist daher kein Kommentar zu Trump. Damals habe es vielmehr so ausgesehen, als würde Amerika nach acht Jahren mit einem schwarzen Präsidenten "den Ballast seiner Geschichte abwerfen", schreibt Ta-Nehisi Coates in seinem Vorwort.
Toni Morrison beginnt die Vorlesungen mit einer Erinnerung an ihre "teerschwarze" Ur-Großmutter, eine Respektsperson in der Familie. Als sie bei einem Besuch ihre hellhäutigeren Ur-Enkelinnen sieht, meint sie: "Diese Kinder sind verpfuscht worden." Die abwertende Bemerkung der Urgroßmutter sei ohne Wirkung auf sie geblieben, schreibt Morrison rückblickend, seltsamerweise verzichtet sie darauf, den quasi umgekehrten Rassismus ihrer Urgroßmutter zu kommentieren. Diese Unschärfe ist charakteristisch für das ganze Buch, denn eine kohärente These ist den sechs Vorlesungen kaum zu entnehmen, abgesehen von einigen eher allgemein gehaltenen Bemerkungen wie der, dass niemand als Rassist geboren werde, dass Rasse "ein genetisches Trugbild" sei und der "Konstruktion von Andersartigen" diene. Das Fremde werde benötigt, "um das selbstentfremdete Ich zu stabilisieren".
Toni Morrison beginnt die Vorlesungen mit einer Erinnerung an ihre "teerschwarze" Ur-Großmutter, eine Respektsperson in der Familie. Als sie bei einem Besuch ihre hellhäutigeren Ur-Enkelinnen sieht, meint sie: "Diese Kinder sind verpfuscht worden." Die abwertende Bemerkung der Urgroßmutter sei ohne Wirkung auf sie geblieben, schreibt Morrison rückblickend, seltsamerweise verzichtet sie darauf, den quasi umgekehrten Rassismus ihrer Urgroßmutter zu kommentieren. Diese Unschärfe ist charakteristisch für das ganze Buch, denn eine kohärente These ist den sechs Vorlesungen kaum zu entnehmen, abgesehen von einigen eher allgemein gehaltenen Bemerkungen wie der, dass niemand als Rassist geboren werde, dass Rasse "ein genetisches Trugbild" sei und der "Konstruktion von Andersartigen" diene. Das Fremde werde benötigt, "um das selbstentfremdete Ich zu stabilisieren".
Brutalität und Romantisierung der Sklaverei
In ihren Vorlesungen nähert sich Toni Morrison ihrem Lebensthema Rassismus auf assoziative Weise: persönliche Erinnerungen wechseln ab mit historischen Dokumenten zur Sklaverei und Betrachtungen zur Literatur. "Die Notwendigkeit, die Sklaven zu einer fremden Art zu erklären, scheint ein verzweifelter Versuch zu sein, sich seiner eigenen Normalität zu versichern", so Morrison. Die Sklavenhalter sprachen den Sklaven gerade deswegen die Menschlichkeit ab, weil sie in ihrem Sadismus selbst ihre Menschlichkeit preisgaben.
Toni Morrison konfrontiert uns mit der Brutalität der Sklaverei: Die Berichte von Sklavinnen aus dem 19. Jahrhundert sowie eine Aufzählung von geradezu alltäglichen Lynchmorden des 20. Jahrhunderts sind beim Lesen kaum zu ertragen. Die Kehrseite dieser Brutalität besteht in einer Romantisierung der Sklaverei in Büchern wie "Onkel Toms Hütte", hier werde der Rassismus "parfümiert", schreibt Morrison. Bei Faulkner und Hemingway wiederum entdeckt sie einen Rassismus, der den Autoren zu selbstverständlich war, als dass sie erkannt hätten: In "Absalom, Absalom" etwa sei der "eine Tropfen schwarzen Bluts" ein größerer Skandal als der Inzest.
Toni Morrison konfrontiert uns mit der Brutalität der Sklaverei: Die Berichte von Sklavinnen aus dem 19. Jahrhundert sowie eine Aufzählung von geradezu alltäglichen Lynchmorden des 20. Jahrhunderts sind beim Lesen kaum zu ertragen. Die Kehrseite dieser Brutalität besteht in einer Romantisierung der Sklaverei in Büchern wie "Onkel Toms Hütte", hier werde der Rassismus "parfümiert", schreibt Morrison. Bei Faulkner und Hemingway wiederum entdeckt sie einen Rassismus, der den Autoren zu selbstverständlich war, als dass sie erkannt hätten: In "Absalom, Absalom" etwa sei der "eine Tropfen schwarzen Bluts" ein größerer Skandal als der Inzest.
Schwierig und befreiend, über Schwarze zu schreiben
Aufschlussreich sind die Vorlesungen, in denen Morrison Einblick in ihr eigenes Werk gibt. Es sei zugleich schwierig und befreiend, über Schwarze zu schreiben, "ohne in die Falle des Kolorismus zu tappen", meint Morrison. In ihren Romanen nehme sie sich die Freiheit, den Fetisch Farbe entweder zu ignorieren oder zum Thema zu machen. In "Paradies" geht es um die Dystopie einer "reinrassigen" Gemeinschaft mit umgekehrten Vorzeichen: Hier sind es die Schwarzen, die sich reinhalten wollen und die die Weißen zu den Anderen, Fremden machen. Dem Roman "Menschenkind" wiederum liegt die Geschichte einer Sklavin zugrunde, die ihrer zweijährigen Tochter die Kehle durchschneidet, um sie vor weiterem Leid zu bewahren – Morrison lässt dieses tote Kind wiederkehren.
Warum wir immer noch in Hautfarben denken, analysiert Toni Morrison nur ansatzweise. Ihr Buch liefert keine Theorie, sondern Denkanstöße: Sie lässt uns an der Erfahrung teilhaben, was es hieß und heißt, in Amerika schwarz zu sein.
Warum wir immer noch in Hautfarben denken, analysiert Toni Morrison nur ansatzweise. Ihr Buch liefert keine Theorie, sondern Denkanstöße: Sie lässt uns an der Erfahrung teilhaben, was es hieß und heißt, in Amerika schwarz zu sein.