Die besten Filme nach dem Knast
Vorbereitungen: Regisseur Rainer Werner Fassbinder mit Elisabeth Trissenaar und Günter Lamprecht während der Dreharbeiten zu "Berlin Alexanderplatz" 1979. © picture-alliance / KPA Copyright
Schuld und Bühne
Endlich aus dem Knast, endlich frei – oder? Nicht nur im realen Leben beginnt nach der Entlassung die Herausforderung, im Alltag Fuß zu fassen. Wem das wie gut im Film gelingt, erzählt Hartwig Tegeler in den Top Five.
Das Hollywood-Regiedebüt von „Systemsprenger“-Regisseurin Nora Fingscheidt beginnt mit einer klassischen Filmszene: Der Protagonist, in diesem Fall die Protagonistin, Sandra Bullock, kommt aus dem Gefängnis.
Aber für die Zäsur der Entlassung aus dem Knast bietet die Filmgeschichte viele, viele Varianten – auch in dem, was dann kommt, was wir dann erzählt bekommen werden.
Platz 5 – „Berlin Alexanderplatz“ von Rainer Werner Fassbinder (1980)
Am Gefängnistor. Weimarer Republik, Ender der 20er-Jahre. Nach vier Jahren wird Franz Biberkopf aus der Tegeler Strafanstalt entlassen. Gang mit dem Wärter zum Tor, der öffnet es, Franz wirft einen Blick nach draußen, auf diesen grauenhaften Ort der Freiheit, hält sich verzweifelt die Ohren zu, dreht sich um, will zurück. Der Wärter beruhigt nachsichtig, voller Mitgefühl: „Hast Angst? Musst keine Angst haben. Den meisten geht es jetzt nicht gut. Da fällt einer mehr oder weniger gar nicht auf.“ Die Entlassung als Wurf des Menschen in den Mahlstrom der Großstadt, zurück in die gnadenlose Existenz, die er zu bewältigen hat. Das Insert, das Fassbinder zu Beginn seiner Miniserie einblendet: „Die Strafe beginnt.“ Nach der Entlassung! Radikale Umkehr des Kino-Klischees, dass draußen die Freiheit lockt.
Platz 4 – „Ocean's Eleven“ von Steven Soderbergh (2001)
Als Danny Ocean nach dem zweiten Aufenthalt hinter Gittern rauskommt, erwartet ihn vor den Toren, nach dem gelungenen Millionen-Coup sein bester Freund. Und wer sitzt im Fond der Schrottkarre? Dannys Ex und Neu-Geliebte Tess – Julia Roberts. So liebevoll inszeniert – vom Freund – wünscht sich jeder die Entlassung aus dem Knast. Irgendwelche schlechten Erfahrungen aus dieser Zeit drinnen… Ach wo!
Platz 3 – „The Getaway“ von Sam Peckinpah (1972)
Kontrastprogramm: Auch Doc wird vor dem Gefängnistor abgeholt, als er wegen guter Führung entlassen wird. Doch „Doc“ – Steve McQueen – steckt die Zeit hinter Gittern alles andere als gut weg. „Es macht dich fertig, es macht dich fertig da drinnen.“ Und: „Doc“ ist nur rausgekommen, weil er einen Deal mit dem Teufel abgeschlossen hat und gleich den nächsten Coup erledigen muss. Tödlich, mörderisch. Wenn man das düster unbewegliche Gesicht von McQueen in der Knast-Zeit im Prolog des Films vergleicht mit der Zeit draußen, kannst du nur den Schluss ziehen: Du kannst einen Mann aus dem Knast holen, aber du kannst den Knast nie aus dem Mann rausbekommen – das ist das Credo dieses brutalen wie verstörenden Thrillers.
Platz 2 – „Ein Prophet“ von Jacques Audiard (2009)
Hier das etwas andere Happy End, die Erfüllung… nach der Entlassung. Nach sechs Jahren „drinnen“ und dem geschickt wie skrupellos inszenierten Aufstieg vom Kleinkriminellen zum Paten der muslimischen Mafia kommt Malik raus. Ihn erwartet die Frau seines verstorbenen Komplizen. Ein Mann, eine Frau gehen die kleine Straße lang, auf die Kamera, auf uns zu. Und dann reihen sich hinter den Spaziergängern drei wuchtige SUVs ein. Maliks Untergebene. Denn verlassen hat das Gefängnis der neue Pate, der absolute Herrscher! Lehrjahre sind keine Herrenjahre? Doch, bei Malik wurden sie immer mehr zu Letzterem.
Platz 1 – „Vier im roten Kreis“ von Jean-Pierre Melville (1970)
Wenn Corey rauskommt und bei der Entlassung das zurückbekommt, mit dem er damals „einfuhr“, Schlüsselbund, Pass und so weiter, hat er den nächsten Coup schon geschmiedet. Doch der Einbruch ins Pariser Juwelier-Geschäft ist undurchschaubar für ihn mit anderem verwoben. Dem Ausbruch des Häftlings, dem Rachedurst von Coreys Ex-Kumpan, dem Fauxpas des Kommissars. Dies komplexe Geschehen kann indes nur einer, eine, eines geplant haben: das Schicksal. Wie die Figuren in der klassischen griechischen Tragödie können auch die Protagonisten in „Vier im roten Kreis“ dem, was ihnen passiert, weder trotzen noch widerstehen. Aus dem Knast entlassen, dem Ur-Ort der Unfreiheit, findet sich Corey – Alain Delon – für die kurze Zeit, die er noch zu leben hat, einer größeren Macht ausgeliefert, die ihn immer schon in den Fängen hatte. Von wegen, sagt uns Jean-Pierre Melville in seinen dunklen Bildern, von wegen „Der Mensch ist frei!“.