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Rattenfänger 2.0

400.000.000, in Worten "Vierhundert Millionen", so viele Mitglieder hat Facebook weltweit.
400.000.000, in Worten "Vierhundert Millionen", so viele Mitglieder hat Facebook weltweit. Das ist so viel wie die gesamte Bevölkerung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Portugal, Österreich, Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Polen zusammen genommen. Von jedem dieser Nutzer hat Facebook neben dem Namen, dem Wohnort und der e-mail Adresse auch Angaben über Hobbies, Vorlieben, Interessen, ganz wichtig: Freunde (und wenn's dumm kommt, auch deren e-mail Adressen) sowie Fotos und vieles mehr. Facebook gleicht sogar die e-mail Adressen seiner Mitglieder mit denen nicht registrierter Namen ab, und weiß daher sogar einiges über seine Nichtmitglieder.
Facebook ist für seine Mitglieder zwar kostenlos, aber nicht umsonst. Facebook ist kein gemeinnütziger Verein und keine Wohltätigkeitsorganisation, sondern ein Wirtschaftsunternehmen mit einem geschätzten Wert von irgendwo zwischen 11.5 Milliarden und 15 Milliarden US Dollar. Der Wert des Unternehmens besteht in seiner Datensammlung, in dem, was Facebook über seine 400 Millionen Nutzer weiß. Diese Daten sind Facebooks Kapital, und wie bei jedem Wirtschaftsunternehmen geht es auch bei Facebook um die Erwirtschaftung von Gewinn. Das Kapital des 21. Jahrhunderts sind Daten über Menschen und ihre Konsum- und Verhaltensgewohnheiten. Man kann Facebook keinen Vorwurf daraus machen, mit seinem Kapital, Gewinn zu erwirtschaften. Jedes andere Unternehmen macht genau dasselbe. Der Unterschied besteht darin, dass im Falle von Facebook die Nutzer ihre Daten freiwillig und kostenlos hergeben und die legitime Frage lautet: Warum eigentlich?
Auch wenn die Wahrheit unbequem ist, den Vorwurf muss man nicht Facebook, sondern den Nutzern für ihre Naivität machen. Für wen es überraschend kommt, das Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, verkündet, es gebe keine Privatsphäre mehr oder dass Facebook seine Datenschutzrichtlinien ändert, der hat das Internet nicht verstanden. Es ist zwar vieles bunt und kostenlos, aber es ist nicht umsonst zu haben. Und auch die Tatsache, dass die Daten unter anderen Vorzeichen hergegeben wurden rechtfertig nicht die Aufregung, die ihre zukünftige Weitergabe jetzt hervorruft. Wer heute Daten an ein Unternehmen gibt, zumal an eines dessen Kerngeschäft die Sammlung von Daten ist, dem muss klar sein, dass diese Daten nicht nur Mittel zum Zweck, sondern einen Wert an sich darstellen. Nach der Pleite von Karstadt-Quelle waren die Kundendaten von Quelle einer der lukrativsten Posten der Konkursmasse.
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erklärt nun in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg ihren Unmut über die geplanten Lockerungen beim Datenschutz von Facebook und den möglichen Verkauf von Daten und droht medienwirksam mit ihrem Austritt aus dem sozialen Netzwerk. Big Deal!
Jedem Kind bleut man ein, nichts von Fremden anzunehmen, ihnen nicht zu erzählen wo man wohnt und ja nicht mit ihnen mitzugehen. Der Politik und den Medien gelingt es offenbar nicht, Nutzer sozialer Netzwerke so zu sensibilisieren, dass sie verantwortungsvoll mit ihren Daten umgehen. Und da ist es anschließend leichter und populärer, auf den Rattenfänger böse zu sein, als auf die Kinder, die ihm folgten.
In der Sendung reden wir darüber, ob es darum geht, alles zu schützen oder ob alles freigegeben werden sollte. Frank Rieger vom Chaos Computer Club und der Autor Christian Heller aka Plomlompom haben ganz unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema. Erstmals saßen sie gemeinsam an einem Tisch und sprachen mit uns über Facebook, ihre Position zu Datenschutz in sozialen Netzwerken, über den Wert von Privatsphäre und über den offenen Brief von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner.