Der Maler Torsten Schlüter
Torsten Schlüter vor seiner rot-weißen Arbeit "Donnerhall" im Stadion an der Alten Försterei in Berlin. © Elmar Krämer
Ein Unioner zeigt Kunst an der Alten Försterei
07:19 Minuten
Anwälte, Ärztinnen, Arbeiter, Angestellte – und auch Künstler: Im Stadion stehen Menschen mit unterschiedlichsten Biografien nebeneinander. Torsten Schlüter ist einer von ihnen. Nun ist seine Ausstellung „Eisern Union – bis ins Atelier“ in Berlin zu sehen.
Torsten Schlüter, 1959 in Hennigsdorf bei Berlin geboren, ist Unioner seit den 1980er-Jahren. Er hat viele „Aufs und Abs“ miterlebt – mit dem Verein und im Leben. Schlüter studierte erfolgreich Architektur in Weimar – entschied sich aber, den vorbestimmten akademischen Pfad zu verlassen und auf die Malerei zu setzen. Das wurde in der DDR nicht gern gesehen und Schlüter zur unerwünschten Person Weimars erklärt. Später ging er zurück in die alte Heimat Berlin.
Hier gewann er noch zwei neue Heimaten dazu: die Kunst und den 1. FC Union.
„Im Osten war das der Verein in der DDR, der die Opposition im Fußball verkörperte wie kein anderer. Union war als Gegenstück zu diesen etablierten Vereinen, die die DDR-Führung auch wollte – und hat sich dann zum Sammelbecken entwickelt von Arbeitern, aber auch Kulturleuten, von Künstlern, von Punks, von Hippies. Alles Mögliche versammelte sich dort unter diesem Vereinshimmel, in dieser grünen Hölle hier an der Alten Försterei – und nicht jeder Staatsfeind war ein Unioner, aber jeder Unioner war ein Staatsfeind in dem Sinne.“
Union war schon immer ein Lebensgefühl, sagt Schlüter.
Wir sind nicht zum Fußball gegangen, wir sind zu Union gegangen - und das machen wir bis heute.
Zu DDR-Zeiten war das Stadion noch viel mehr eine Art Überdruckventil als heute. Schlüter grinst, wenn er legendäre Sprechchöre zitiert, für die die Union-Fans neben ihren Gesängen so bekannt sind.
"Wenn der Schiedsrichter eine Mauer gestellt hat in den 80ern, dann kam unisono aus dem Stadion mit voller Wucht: ´Die Mauer muss weg, die Mauer muss weg!` Union hatte immer diesen Berliner Humor und diese Trotzigkeit und Widerborstigkeit in allem, was sie taten und dabei immer noch ein bisschen verschmitzt.“
Schlüters lange Verbindung zu Union
Verschmitzt ist auch ein Teil seiner Kunst. Schlüter, der neben Berlin auch auf Hiddensee lebt und arbeitet, hat eine Affinität zu Möwen. Seit Jahren zeichnet er die frechen Flugkünstler der Küste. In der Ausstellung in der Alten Försterei huldigt er ihnen in dem Werk „Urs plus Elf“, zwölf dynamischen Kreidezeichnungen, in denen er die eisernen Unioner zu federleichten Freigeistern der Lüfte werden lässt.
„Man kann Union drin sehen – und man wird Union auch drin finden, wenn man es möchte.“
Anders als bei diesen Zeichnungen ist die Verbindung zum Verein bei den meisten anderen Bildern der Ausstellung offensichtlicher. 2001 entstand die erste Serie von großformatigen Acrylbildern, in denen Schlüter Schweiß, Kampf und Zerrissenheit in Form abstrakter Trikotdarstellungen thematisiert. Vor einem Bild bleibt er stehen.
„Hier habe ich viele Trikots aufgelöst in diesem pulsierenden Herz, dem schlagen Herz des Vereins, der Fanblock das ist natürlich das Symbol: Der Verein wird getragen von seinen Fans.“
Ein Skizzenbuch ist immer dabei
Eigentlich wollte Schlüter Kunst und Fansein nicht vermengen, aber wie das so ist, als Künstler hat er natürlich sicherheitshalber immer ein Skizzenbuch dabei:
„Die erste Zeichnung, die ich mal gemacht habe, die war 1991, glaube ich, nur Stadionskizze. Und in der Zeit habe ich so ab und zu meiner Skizze gemacht, zur Halbzeitpause oder vorm Spiel. Doch der, ohne dass daraus irgendetwas werden sollte.“
Im Laufe der Jahre ist dennoch einiges daraus geworden – unzählige kleine schnelle Skizzen zum Beispiel von den Gebäuden der Alten Försterei, den Fans auf den Rängen, den Spielern auf dem Platz und vieles mehr. Etliche davon dienten dem Künstler im Atelier als Vorlage für großformatige Acryl- und Ölbilder von denen nun einige in der Ausstellung in der Alten Försterei zu sehen sind. Mit dabei der „Donnerhall“, eine Komposition verwobener Fahnen in rot und weiß oder zwei Bilder mit dem Titlel „Mai 19“:
„Das ist der Moment, wo alle Dämme brechen, wir den Aufstieg erreicht hatten und wo alle ins Stadion strömen und das ganze Feld voller Menschen ist. Alle sind völlig aufgelöst, und es ist so der Moment, es gibt es eigentlich gar nicht.“
Seine Bilder spielen mit der Energie des Stadions
Schlüter malt keine heroischen Sportlerbilder, keine Muskeln, keine Männer im Kampf um den Ball. Seine Bilder spielen mit der Energie, die bei Union von den Rängen auf den Platz trägt und umgekehrt. Und selbst wenn man sich nicht für Fußball interessiert, ist der Enthusiasmus spürbar und das oft Rohe und Laute des Stadions verbindet sich mit der Ästhetik, die den Künstler ausmacht.
Torsten Schlüter wird irgendwann bestimmt weitere Union-Bilder malen – egal, wo der Verein dann steht:
„Der ganze Weg und das ganze Leiden und dieser ganze lange Atem, der in der Ausstellung in den Arbeiten ja doch irgendwo grundlegend verwurzelt ist, der hat eigentlich nichts mit Spitzenposition zu tun. Als Fan komme ich aus dem Grinsen nicht mehr raus. Aber als der Künstler stehe ich ja eigentlich lieber auf der Gegengeraden unter meinen Leuten, als dass ich hier eine Ausstellung mache bei einem Verein, der Tabellenführer der Bundesliga ist."
Die Ausstellung "Eisern Union - bis ins Atelier" ist vom 29.9.22 bis 27.5.2023 im Stadion an der Alten Försterei in Berlin zu sehen.