Totenschädel zum Abschied

Von Ulrike Gondorf |
Mehr als 20 Jahre hat der Maler Markus Lüpertz als Rektor die Kunstakademie Düsseldorf geleitet und das als überaus streitbarer Direktor. Es gelang ihm, die Autonomie des Instituts zu erhalten. Parallel dazu fand sein malerisches Werk seit den 80er Jahren immer mehr internationale Anerkennung. Die Kunstakademie verabschiedet sich nun mit einer Ausstellung von ihrem langjährigen Rektor. "Skulls - Schädel" so der Titel und das Thema.
Nichts vom "Malerfürsten" gibt es zu berichten von dieser Ausstellungseröffnung. Kein raumgreifender Auftritt im Maßanzug mit dem Spazierstock mit silbernem Knauf, keine pointierten und bisweilen provokanten Ansprachen. Keins der Lüpertz-Klischees wird aktiviert. Der Maler ist abwesend, die Abschiedsausstellung des noch amtierenden Rektors der Kunstakademie beginnt, als sei das Kapitel Düsseldorf schon längst Vergangenheit.

Siegfried Gohr: "Es war geplant, aber er hat plötzlich doch ins Ausland gemusst, und deswegen sind es jetzt die Bilder, die den Meister vertreten müssen."

Nur ein Zufall des Terminkalenders, der diese suggestive Inszenierung hervorgebracht hat, wie Professor Siegfried Gohr, Kunsthistoriker an der Akademie und Lüpertz' Stellvertreter im Amt, erklärt? Dann bestimmt einer, der einem Künstler, der soviel über Wirkung weiß, ins Konzept passt. Denn die Bilder vertreten ihren Schöpfer eindrucksvoll. Ihr Thema spitzt die Abschiedsstimmung dramatisch zu: Es sind Totenschädel, die diese Gemälde und Zeichnungen aus den zurückliegenden drei Jahrzehnten bestimmen.

Siegfried Gohr: "Es ist ja so, dass man in bestimmten Lebensaltern auf Themen zurückgreift, die man schon immer behandelt hat, und sie vor einem anderen Lebenshintergrund anders durchdenkt."

"Nachtklang" heißt eine Serie kleiner Formate im ersten Raum, die 2008 entstanden ist. Lüpertz beschränkt sich beinah auf schwarz und weiß und malt in historisierender Manier die prunkvollen Rahmen für dieses memento mori gleich mit. Die kantigen, plastischen Schädel mit den dunklen Augenhöhlen überschneiden sich mit den flächigen Silhouetten eines Flügels.

Wie im barocken Stillleben behandelt Lüpertz das Thema Vergänglichkeit in Symbolen, der Schädel spricht ebenso zeichenhaft wie das Instrument: Musik ist eine Kunst in der Zeit und flüchtig wie sie. Der pastose Farbauftrag, der expressive Gestus des Pinsels und die Reduktion der Form kontrastieren wirkungsvoll mit dem klassischen Thema.

Siegfried Gohr: "Lüpertz ist kein Traditionalist, er lebt ja in seiner Zeit und benutzt die tradierten Mittel, aber seine Malerei ist ja stilistisch von heute."

"Skulls - Totenschädel" faszinieren Markus Lüpertz schon lange. Ein Skelett hat einen Stammplatz in seinem Atelier. Dabei wirkt das Thema bei ihm durchaus nicht elegisch-morbide. Kämpferisch, antagonistisch geht er es an, kontrastiert den Tod mit dem Leben. Auf einigen Bildern spricht diese Auseinandersetzung aus Zeichen wie dem uralten christlichen Symbol der Fische, auf anderen aus der schieren Vitalität, mit der die Farbe ein Bild auflädt.

Dieser kraftvolle Gestus ist es vor allem, der Lüpertz schon in den 60er Jahren zum Vorkämpfer für einen neuen Mut zum Malen und zum Bild gemacht hat. Gegen die Farbflächen-Experimente des Informel setzte er wieder Gegenständlichkeit und Räumlichkeit und übernahm mit Richter, Polke und Immendorff die Führung einer damals jungen, wilden Künstlergeneration.

"Das ist in seinem Lebenswerk unübersehbar, dass die Malerei bei weitem nicht am Ende ist, sondern dass Malerei, wenn sie mit dieser existentiellen Ernsthaftigkeit betrieben wird, dass es Möglichkeiten gibt, die voran zu treiben."

Seine malerische Leidenschaft schlug wohl auch durch in einer gewissen Parteilichkeit, mit der Lüpertz über zwei Jahrzehnte lang die Düsseldorfer Akademie geführt hat. Neue Medien wie Fotografie oder Videokunst stärkte er nicht und musste sich dafür Kritik aus dem Betrieb und in der Öffentlichkeit gefallen lassen, die er streitlustig parierte. An Malerei und Bildhauerei als Königsdisziplinen der Kunst hielt er als Rektor eisern fest. Ebenso wie an der Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit der künstlerischen Ausbildung gegen verordnete und einheitliche Studienpläne.

"Die Akademie verdankt Lüpertz ihre Autonomie. Es gab immer wieder Versuche, die Akademie wie eine Hochschule zu führen. Er hat immer verteidigt, dass die Akademie der Platz ist, wo autonome Künstler nach autonomen Regeln unterrichten. Ich denke, dass das sein größtes Verdienst ist, und dass er auch den Kollegen immer den Rücken gestärkt hat. Der Künstler, der hier lehrte, war immer im Zentrum, nichts anderes."

Das manchmal provozierend selbstbewusste Image, das Lüpertz in der Öffentlichkeit aufgebaut hat, habe keineswegs seinen Leitungsstil geprägt, sagt Siegfried Gohr, der dem Kollegium der Akademie schon lange angehört.

"Diese Akademie hat einen pluralistischen Lehrkörper. Es sollte nie eine einzige Richtung sein, auch wenn das von außen vermutet wurde, dass der alles unter Kontrolle haben wollte, das Prinzip war immer: Auseinandersetzung."

Diese Auseinandersetzung will Markus Lüpertz auch nach seinem Abschied von Düsseldorf pflegen. In Berlin plant der 68-Jährige den Aufbau einer neuen privaten Kunsthochschule. Und natürlich die Fortsetzung seines lebenslangen Kampfs um neue Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei.

"Ich wünsch ihm, dass er selbst noch ein grandioses Alterswerk hinlegt, und ich glaube, dass er sich noch vorgenommen hat, seine Malerei neu zu verorten, und ich würde ihm wünschen, dass er schafft, das richtig sichtbar zu machen."

Service:
Die Ausstellung "Markus Lüpertz, Skulls" ist noch bis zum 21. Juni in der Akademiegalerie der Kunstakademie Düsseldorf zu sehen.