Tour de France Femmes

Der lange Weg zur Gleichberechtigung

06:02 Minuten
Die Niederländerin Marianne Vos (links) and die Britin Deignan Elizabeth (rechts) bei einem Rennen in Frankreich 2020
Auch die Niederländerin Marianne Vos (links) will bei der Tour de France Femmes starten. © dpa / picture alliance / David Stockmann
Von Jutta Heeß · 24.07.2022
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Erstmals seit 2009 gibt es in diesem Jahr wieder eine Tour de France der Frauen. Noch sind die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Radsport riesig, doch seit einigen Jahren kämpfen vor allem die Amateurfahrerinnen für mehr Gleichberechtigung.
Frankreich, am Berg Alpe d’Huez: Neun Radsportlerinnen quälen sich nach oben, angefeuert von Radsportfans am Wegesrand. Die Amateursportlerinnen fahren seit 2015 jede Etappe der Tour de France einen Tag vor den Männern. Sie wollen damit den Frauenradsport sichtbarer machen und für Gleichberechtigung kämpfen. „Donnons des elles au vélo“ nennt sich die Gruppe, was so viel heißt wie „Frauen, rauf aufs Fahrrad“. Initatorin Claire Floret erklärt ihre Motivation:
„Seit 2015 versucht das Projekt 'Donnons des elles au vélo‘ den Frauenradsport zu fördern, ihm Sichtbarkeit zu verleihen und zu zeigen, dass auch Frauen Radrennen fahren können. Und deshalb haben wir uns mit einem Frauenteam auf den Weg gemacht, um unseren Sport in den Vordergrund zu stellen, indem wir etwas Spektakuläres machen.“

Touren für Frauen unter wechselnden Namen

Bei einer offiziellen Tour de France feminin kämpften Radsportlerinnen von 1984 bis 1989 ums Gelbe Trikot. Danach wurden mit Unterbrechungen bis 2009 Frankreichrundfahrten für Frauen unter wechselnden Namen durchgeführt. Zum Ende hin wurden die Etappen jedoch immer weniger, bis schließlich mangels Sponsoren und Interesse das Rennen ganz abgeblasen wurde.
Dieses Jahr wird es wieder eine Tour de France für Profiradfahrerinnen geben. Der Protest der Gruppe „Donnones des elles au vélo“ blieb offenbar nicht ungehört.

Für uns ist das ein wunderbarer Erfolg. Es geht darum, den Profifrauen ein Rennen zu ermöglichen, das der Tour de France der Männer ebenbürdig ist – mit der gleichen professionellen Organisation und mit Präsenz in den Medien, denn wir wissen, dass dies das Wichtigste ist. Das lockt Sponsoren an, bringt den Teams mehr Geld und schafft Strukturen, damit sich der Frauenradsport nach und nach auf hohem Niveau entwickeln kann. Und es werden Vorbilder für kleine Mädchen sichtbar.

Claire Floret, Initiatorin von „Donnons des elles au vélo“

Die Tour de France Femmes führt Fahrerinnen aus 24 internationalen Teams von Paris über acht Etappen und 1029 Kilometer auf einen 1148 Meter hohen Berg in den Vogesen mit dem sprechenden Namen „Planche des Belles Filles“, die „Planke der schönen Mädchen“. Es werden Preisgelder von 250.000 Euro ausgeschüttet, die Siegerin erhält 50.000 Euro. Zum Vergleich: Der Gewinner der Männertour bekommt 500.000 Euro.

Angeblich die weibliche Fruchtbarkeit bedroht

Frauenradsport stand bisher immer im Schatten der Männer. Auch ein Blick in die Geschichte beweist das: Frauen auf Rädern waren schon früh Hohn und Spott ausgesetzt. Radfahren galt als ungehörig und bedrohte angeblich gar die weibliche Fruchtbarkeit. Doch Frauen kämpften beharrlich für ihr Recht auf Freiheit und Teilhabe – auf der Straße und im Wettkampfsport.
Da war die Schwedin Tillie Anderson zum Beispiel. 1891, im Alter von 16 Jahren, kam sie in die USA und gewann dort 123 Radrennen. Ab 1902 fand ihre Karriere ein jähes Ende, denn Radrennen für Frauen wurden verboten. Das hielt eine andere Radsportlerin nicht davon ab, ihr Können zu zeigen: 1924 meldete sich die Italienerin Alfonsina Strada mit männlichem Namen beim Giro d’Italia an – und fuhr zwölf Etappen über 3600 Kilometer bis ins Ziel.

Der Sieger der Tour de France erhält 500.000 Euro, die Siegerin der Tour de France Femmes bekommt 50.000 Euro: Bahnrad-Olympiasiegerin Mieke Kröger sieht bei solchen Unterschieden bei den Prämien die Spitzenverbände in der Pflicht.

Aufmerksamkeit für den Frauenradsport durch spektakuläre Aktionen – das wollen auch die Amateurfahrerinnen von „Donnons des elles au vélo“ weiterhin erreichen. Denn trotz des Comebacks der Tour de France Femmes sind sie noch lange nicht am Ziel.

Den Frauenradsport zum Fliegen bringen

„Es gibt noch viel zu tun", sagt Claire Floret, "und deshalb sind wir immer noch unterwegs, denn wir müssen uns jetzt um die Entwicklung der Basis kümmern. Denn wenn man eine professionelle Elite hervorbringen will, muss es möglichst viele Sportlerinnen geben. Derzeit gibt es im französischen Radsportverband nur zehn Prozent Radsportlerinnen. Und wenn man sich in anderen Ländern umschaut, ich habe keine genauen Zahlen, aber ich denke, es sind nicht viel mehr. Wir müssen also wirklich daran arbeiten, die nationale und regionale Wettkampfebene zu strukturieren und Frauen für das Radfahren zu gewinnen. Es gibt also noch Einiges zu tun.“ 
Claire Floret und ihre Mitstreiterinnen sind passionierte Botschafterinnen ihres Sports. Ihr Name ist Programm: „Donnons des elles au vélo“ ist doppeldeutig, „ailes“ ist das französische Wort für „Flügel“. Und genau das wollen sie: den Frauenradsport zum Fliegen bringen.

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