Tourismus in der Türkei in der Krise

"So leer haben wir es hier noch nie erlebt"

Leerer Strand an der türkischen Mittelmeerküste
Nicht einmal Handtücher: Leerer Strand von Alanya © Nicole Graaf
Von Nicole Graaf |
Leere Strände in der ehemaligen Touristenhochburg Antalya, ungewöhnlich kurze Warteschlangen vor der Hagia Sophia in Istanbul: Der Türkei fehlen die Besucher. Wie kommen die Menschen damit klar?
Das Istanbuler Altstadtviertel Sultanahmet ist weltberühmt. Hier finden sich einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der türkischen Metropole: Die Blaue Moschee, der Topkapi Palast und die römischen Zisternen.
Das bekannteste historische Gebäude ist wohl die Hagia Sophia: erst byzantinische Kirche, dann Moschee unter osmanischen Sultanen und seit Republikgründung ein Museum. Istanbuler Reisebüros verkaufen vorgebuchte Tickets, mit denen Besucher die lange Schlange vor der Hagia Sophia umgehen können – ein bis zwei Stunden kann die Wartezeit sonst gern mal dauern.

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Doch solche Vorabbuchungen braucht derzeit niemand. Innerhalb von zehn Minuten ist man drin – so wenig ist hier momentan los. In der Blauen Moschee, vor der sich sonst ebenfalls lange Schlangen bilden, sieht es genauso aus. Engin Karakül betreibt an prominenter Stelle auf dem Platz zwischen den beiden Hauptattraktionen einen Kiosk mit Souvenirs, Getränken und Stadtplänen. Er seufzt:
"Ich bin seit 33 Jahren im Tourismus tätig und ich habe diese Gegend noch nie so leer gesehen. Früher konnten wir nicht mal in Ruhe einen Kaffee trinken. Wir sind die ganze Zeit herumgerannt und haben Souvenirs für die Touristen eingepackt. Im Moment reicht es nicht einmal, um die Miete hier zu bezahlen. Ich hab diesen Souvenirstand und dann biete ich Bootsrundfahrten auf dem Bosporus an. Bis vor zwei Jahren hatten wir da 700-800 Gäste pro Tag. Jetzt sind es vielleicht 60 oder 80."
Engin Karakül vor seinem Kiosk in Istanbul
Engin Karakül vor seinem Kiosk in Istanbul© Nicole Graaf

Furcht vor Anschlägen

Seit mehr als einem Jahr liegt der Tourismus in der Türkei am Boden. Zwischen Mitte 2015 und Ende 2016 ereigneten sich mehr als 30 Terroranschläge mit Todesopfern im ganzen Land; die Täter waren etwa zur Hälfte Islamisten mit Verbindungen zum IS. Zum anderen Teil kurdische Extremisten, die gegen den türkischen Staat kämpfen. Einige Anschläge richteten sich gezielt gegen Touristen. Die türkische Regierung hat seitdem die Sicherheitsmaßnahmen an beliebten Orten massiv verstärkt.
Auf dem Platz von Sultanahmet stehen Polizisten mit schweren Schutzwesten und Maschinengewehren im Anschlag im Schatten der Bäume — entspannt, aber wachsam. An der Straße, die mit Sperrgittern gesichert ist, parkt ein gepanzertes Polizeifahrzeug. 2016 kamen laut offizieller Statistiken rund ein Drittel weniger Besucher als im Jahr davor. Branchenkenner meinen allerdings, tatsächlich seien es noch weniger gewesen. Der Tourismus trägt etwa fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, aber andere Branchen sind von dem Einbruch auch betroffen, zum Beispiel Lebensmittelhändler und Hersteller von Verbrauchsgütern wie Seife und Toilettenpapier, die große Hotels beliefern.

Die Touristen, die dennoch kommen, sind gelassen

Jene Touristen, die trotz der schlimmen Ereignisse gekommen sind, wollen sich nicht bange machen lassen. Eine Antwort, wie von Simone Grunert aus Berlin, hört man immer wieder: "Es kann ja überall etwas passieren."
Die 53-Jährige sitzt mit ihrem Mann in einem idyllischen Teegarten in der Altstadt. Die beiden wollten Istanbul seit langem schon besuchen. Grunert arbeitet als Musikerin und Musiklehrerin.
"Die Lehrer haben alle gesagt: 'Oh, hoffentlich kommst du in einem Stück wieder.' und 'Wir wollten auch schon immer mal hin, aber trauen uns jetzt nicht und pass auf.' Das war so der Tenor. Ja, also ich denke, es nützt mir nichts, wenn ich jetzt Angst vor der Angst habe. Und ich bin sowieso ein relativ entspannter Mensch."
Die Sultan-Ahmed-Moschee von innen.
Die Sultan-Ahmed-Moschee von innen. *© Nicole Graaf
Die 26-jährige Australierin Rihanna Rourke sieht das genauso. Sie sitzt gemeinsam mit ihrer Schwester auf einer Bank gleich gegenüber des Kiosks von Herrn Karakül vor der Blauen Moschee und ruht sich ein wenig von ihrer Sightseeingtour aus. Die beiden Schwestern sind aus einem ganz besonderen Grund in die Türkei gereist, erzählt Rourke:
"Am 25. April 1915 landete ein australisches und neuseeländisches Armeekorps in Gallipoli. Der Gedenktag ist eine große Sache für uns. Und wir dachten, wenn wir schon so weit fahren, dann bleiben wir auch etwas länger und schauen uns andere Teile des Landes ein bisschen an."
Außer dem Besuch von Gallipoli planen Rourke und ihre Schwester noch eine Rundreise durch Kappadokien und nach Pamukkale.

Wer im Tourismus arbeitet, muss sich umorientieren

Solche Kulturreisen führen Berna Durmaz und ihr Kollege Ali Özkurt. Die beiden Anfang-50-Jährigen arbeiten freiberuflich als Reiseleiter. Sie sitzen in einem Café am Hafen von Beşiktaş, dort wo die Fähren hinüber auf die asiatische Seite Istanbuls anlegen. Die beiden heißen eigentlich anders, aber angesichts der politischen Situation derzeit haben sie Bedenken, ihre richtigen Namen zu nennen.
Für dieses Jahr hat ihr Auftraggeber die meisten Türkeireisen gestrichen, genau wie im letzten Jahr. Und das bedeutet für die beiden Freiberufler: Kein Einkommen. Noch können sie den finanziellen Verlust kompensieren: Özkurts Frau arbeitet als Ärztin. Durmaz hat, wie in der Branche üblich, etwas Geld für schlechte Zeiten zurückgelegt. Aber die beiden fragen sich, wie lange das noch so gehen kann. "Wir essen weniger", sagt Durmaz im Scherz. Und Özkurt:
"Nicht so einfach. Auch das Alter spielt eine Rolle. Jetzt sind wir in einem gewissen Alter, und wir waren immer freiberuflich. Wir haben nicht diese Erfahrung gemacht, dass wir in anderen Sektoren arbeiten können. Wenn, dann müssten wir wieder selbstständig etwas machen, und jetzt ist in der Türkei auch allgemein die Wirtschaft belastet. Und es ist wieder eine finanzielle Investition, die man jetzt nicht riskieren möchte."
Durmaz weiter:
"Wir haben Austauschplattformen in den sozialen Medien. Einer hat gefragt, Mensch, Leute, was macht ihr? Es ist so schlimm, wir haben überhaupt keine Arbeit. Und da waren vielleicht 150 Antworten. Manche sagten zum Beispiel: 'Wir sind umgezogen, wieder zum Elternhaus, weil es nicht mehr ging.' Bis zu: 'Ich habe etwas Neues gelernt, zum Beispiel Network-Marketing für verschiedene Produkte, ich versuche das mal, hoffentlich geht es gut.'"

Die Regierung akzeptiert das Problem nicht

Bisher machen die Besucher aus Europa mit rund 45 Prozent den größten Anteil an Touristen aus. Um ihr Wegbleiben aufzufangen, wirbt die türkische Regierung derzeit um andere Besucher, zum Beispiel um Türken, die im Ausland leben. Özkurt und Durmaz glauben allerdings nicht, dass diese Kampagne viel bringt, denn diese Zielgruppe besucht die Türkei sowieso regelmäßig.
"Tatsächlich kommen sie immer im Sommer zu ihrem Memleket, also wo sie früher gelebt haben, ihre Heimatstadt oder Heimatdorf. Typischerweise zum Beispiel an der östlichen Schwarzmeerküste, so dass diese Almdörfer in den Sommermonaten mit den Almancis voll waren. Und dass sie jetzt sagen: 'Nein, ich fahre jetzt nicht zu meinem Heimatdorf, sondern nach Kappadokien, damit dort die Touristikbranche sich erholt.' Ob das realistisch ist?"
Durmaz meint, die Krise müsse ganz anders angegangen werden.
"Um ein Problem lösen zu können, muss man ja erst akzeptieren, dass es ein Problem gibt. Erst dann kann man sich damit befassen. Was gesagt wird, daraus kann ich nicht schließen, dass das Problem akzeptiert wird. Zum Beispiel war vor kurzem die Tourismusmesse in Berlin. Und der Tourismusminister meinte, als ob es so war, als ob die Türkei das Gastland wäre, so viel Interesse für die Türkei, wobei wir Fotos gesehen haben, oder Videoaufnahmen von der Messe, und gesehen haben, dass es nicht die Wahrheit war. Aber mehr darf ich nicht reden." (lacht)
Und Özkurt dazu:
"Nach dieser Wahl sollten sie die Auslandspolitik, die diplomatische, weiter fortsetzen, verbessern. Um den Tourismus wieder zurückzubringen. Und mit anderen Ländern, auch mit westeuropäischen Ländern die Beziehungen, die sich in den letzten Jahren verschlechtert haben, einen Weg wieder finden, um es zu verbessern."

Die diplomatische Krise drückt die Zahlen

Denn die Besucher bleiben nicht nur aus, weil sie sich vor Anschlägen fürchten, sondern auch wegen einer diplomatischen Krise: Seit sie den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt hat und seit dem versuchten Staatsstreich im vergangenen Jahr verhaftete die türkische Regierung zahlreiche Angehörige des Militärs, aber auch Journalisten und Intellektuelle unter dem Vorwurf, entweder die Putschisten oder gewalttätige kurdische Gruppen zu unterstützen. Rund 100.000 Staatsbedienstete wie Richter oder Polizisten verloren zudem ihren Job.
In Europa reagierten viele in Politik und Zivilgesellschaft mit dem Vorwurf, die türkische Regierung führe eine ungerechtfertigte Säuberungsaktion durch und entledige sich unliebsamer Kritiker. Die türkische Regierung wiederum reagierte darauf mit Unverständnis und wirft den Europäern vor, Putschisten in Schutz zu nehmen, und Gewalttäter, die im Namen der Kurdenfrage Anschläge verüben. In den letzten Monaten kochte dieser Konflikt immer wieder hoch. Mancher potentielle Türkeiurlauber aus Europa entscheidet sich vor diesem Hintergrund gegen einen Besuch, weil er oder sie der türkischen Regierung zeigen möchte, dass man ihre Politik nicht gutheißt.

Es trifft vor allem die Menschen, die vom Tourismus leben

Eine solche Denkweise trifft aber nicht unbedingt die Regierung, sondern vor allem Menschen, die vom Tourismus leben, wie Engin Karakül, den Kioskbesitzer von Sultanahmet:
"Das ist nur Politik, die Türkei will nicht auf Europa zugehen und die Europäer wollen nicht auf uns zugehen; aber wir, die Menschen, müssen einander wieder vertrauen. Die Europäer sind wie unsere Familie, uns verbindet so viel. Wir gehören zu Europa."
Viele Türken meinen, die Medien und vor allem die sozialen Medien tragen einiges zur derzeitigen Krise bei. Den Eindruck hat auch Yilmaz Özlük. Der 46-Jährige führt ein Reisebüro in der Altstadt von Istanbul und ist ebenfalls bereits seit drei Jahrzehnten im Geschäft.
"Wir sehen ja auch die Nachrichten, die in Europa über uns veröffentlicht werden. Und von unseren Freunden dort hören wir ständig Fragen wie: Geht es euch gut? Habt ihr keine Angst, das Haus zu verlassen. Wir hören hier, dass es bei euch einen Bürgerkrieg oder eine Diktatur gibt. Das fragen uns Leute, die die Türkei kennen und schon hier waren. Und ich denke mir, was redet ihr denn da?"

Vor allem die Mittelmeerküste ist betroffen

Selbst jene, die ständig mit Krisen zu tun haben, scheinen sich davon beeindrucken zu lassen. In Istanbul und anderen türkischen Großstädten finden häufig Konferenzen der UN und internationaler NGOs zum Thema Syrien statt. Yilmaz Özlük hat sich neben dem normalen Tourismusgeschäft darauf spezialisiert, solche Konferenzen zu organisieren. Und selbst die NGO-Leute haben derzeit Bedenken, in die Türkei zu reisen, sagt er.
"Wir reden von NGOs, die sich hauptsächlich mit syrischen Flüchtlingen beschäftigen. Und selbst die sagen: 'Oh, vielleicht ist es nicht sicher, lasst uns die größeren Städte meiden.' Das klingt für mich nicht logisch, aber was kann man da sagen?"
Als Wirtschaftsmetropole des Landes ist Istanbul nicht so stark vom Tourismus abhängig. Anders sieht es Orten aus, die hauptsächlich davon leben, wie etwa entlang der Mittelmeerküste. Mitten in der Saison geht es an den Stränden, auf denen die Feriengäste sonst wie die Sardinen nebeneinander in der Sonne liegen, sehr beschaulich zu.
Leerer Strand der türkischen Mittelmeerküste
Leerer Strand der türkischen Mittelmeerküste© Nicole Graaf
Die 300.000 Einwohnerstadt Alanya gehörte bis vor Kurzem zu den beliebtesten Urlaubszielen für Deutsche und Russen. Die Bars spielen Gassenhauer wie auf Mallorca, werben mit Übertragung der Bundesliga und bieten Schnitzel und Pelmeni an. Doch überall: freie Tische. In einem Strandlokal haut ein Keyboardspieler für ganze drei Gäste in die Tasten; und vor den Eingängen der Restaurants stehen Kellner mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und schauen sehnsuchtsvoll die Straßen hinunter, in der Hoffnung, dass doch noch ein paar Touristen kommen.

"Wenn die Touristen nicht kommen, ist die Stadt leer"

Am Strand vermieten Pavillons Sonnenliegen und verkaufen Snacks und Getränke. Aber nur einige sind geöffnet. Vor einem sitzt Ali Ergin und trinkt Tee. Manchmal, wenn er Zeit hat, hilft er seinem Freund aus, der den Pavillon betreibt. Und momentan hat Ergin sehr viel Zeit. Er selbst führt eine Autovermietung und bietet Touren in die Umgebung von Alanya an – aber auch bei ihm: kaum Kunden.
"Früher hatte ich 100 Autos, jetzt habe ich nur noch zwölf. In den letzten zwei Jahren ist der Tourismus hier völlig den Bach runter gegangen. Letztes Jahr haben viele der Vier-, Fünfsterne-Hotels gar nicht erst aufgemacht. Jetzt laufen einige von ihnen, aber sie haben nur ein paar Zimmer belegt und stellen kaum Leute ein. Schau, dieser Strandpavillon kostet etwa 65.000 Euro an Miete pro Saison. Wenn ich nichts verdienen kann, wie soll ich der Stadt dann die Miete zahlen? Wenn die, die sonst im Tourismus arbeiten, kein Geld haben, dann hat die Stadt auch kein Geld. Wenn die Touristen nicht kommen, dann ist die Stadt leer."
Ergin meint, so kann es nicht weitergehen. Und er sieht auch die Politik in der Pflicht:
"Wir hoffen alle, dass diese Saison besser wird. Falls nicht, dann wird es hier richtig Ärger geben. Vielleicht werden die Leute auf die Straße gehen. Vor ein paar Wochen haben wir über ein Präsidialsystem abgestimmt. Davor gab es Wahlkampfveranstaltungen, viel Blabla. Die Leute haben gefragt: Was ist mit dem Tourismus? Wie sollen die Menschen hier leben? Vom Präsidenten hört man dazu gar nichts."

Der Mittlere Osten als neuer Markt

Zumindest hat das Tourismusministerium neue Werbekampagnen aufgelegt. Neben den Auslandstürken umwirbt es dabei vor allem Besucher aus Ländern jenseits von Europa, besonders aus dem Mittleren Osten.
In der Istiklal Caddesi, einer beliebten Einkaufsstraße im Zentrum trifft man in den Bekleidungsgeschäften, Parfümerien und Bäckereien bereits häufig auf Touristen aus den Emiraten, Kuwait oder Saudi Arabien. Diese Gäste haben jedoch andere Interessen und Ansprüche als die Europäer, erklärt Yilmaz Özlük, der Reiseunternehmer aus der Altstadt.
"Während unserer Besichtigungstouren würden unsere Reiseleiter normalerweise etwas zur Geschichte erzählen, aber die Gäste aus dem Nahen Osten interessieren sich dafür nicht so sehr. Es ihnen zwar wichtig, die Sehenswürdigkeiten besucht zu haben, aber sie schießen ein paar Fotos und dann heißt es yallah, yallah, wir wollen weiter. Aber bring sie an einen See, zu einem Berg oder einem Wasserfall, dann können sie eine ganze Woche da verbringen, kein Problem. Denn so etwas gibt es bei ihnen nicht. Und sie lieben Shopping Malls und teure Restaurants. Sie können mit dir eine halbe Stunde lang wegen eines Dollars verhandeln, aber sie können auch in ein schickes Restaurant gehen und da problemlos 500 Dollar in ein paar Stunden ausgeben."
Nicht nur die Reiseagenturen, auch die Gastronomie hat bereits seit Längerem auf den Reisetrend aus arabischen Ländern reagiert. In der Gegend rund um den Taksimplatz, wo sich früher hauptsächlich Cafés, Bars und Diskotheken nach europäischem Gusto aneinanderreihten, finden sich inzwischen mehr und mehr Teehäuser und Shisha-Bars. Schilder auf Arabisch preisen in den Geschäften und Bazaaren die Angebote an. Und die Restaurants halten neben Speisekarten auf Englisch inzwischen auch solche auf Arabisch bereit.

"Die Türkei ist Asien und Europa zugleich"

Ali Farhan geht zwar auch gern shoppen und genießt das maritime Klima, aber entspricht ansonsten nicht so recht dem Klischee arabischer Touristen, die meist mit der Familie verreisen. Der 27-jährige kommt aus Bagdad und ist mit zwei Freunden in Istanbul unterwegs. An einem sonnigen Nachmittag spazieren sie durch die Fußgängerzone der Istiklal Caddesi. Für Besucher aus dem Nahen Osten bietet die Türkei einige Vorteile, findet Farhan:
"Die Türkei ist Asien und Europa zugleich, man kann hier alles finden. Und es ist sehr einfach, hierherzureisen. Um ein Visum für Europa zu bekommen, brauche ich sehr viele Anträge, einen Bankauszug und all das."
Sein Freund Erdoğan Dağcılar pflichtet ihm bei. Der 41-Jährige kommt aus Amsterdam, seine Eltern sind einst aus der Türkei in die Niederlande eingewandert. Dağcılar hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die wie die drei Freunde Türkisch oder Arabisch aussehen, in westlichen Ländern zunehmend diskriminiert werden. Er findet, deshalb seien Besucher aus dem arabischen Raum in der Türkei besser aufgehoben.
"Ich war einmal in Frankfurt zu einem Geschäftstermin. Für den Abend hatten wir in einer Bar reserviert und online vorbezahlt, aber als wir dort ankamen, ließ man uns nicht rein. In Hamburg ist mir das auch mal passiert. Da hieß es, diese Disco ist nur für Europäer."
In Istanbul müssen sich die drei Freunde wegen solcher Dinge keine Gedanken machen.
Am Abend wollen sie denn auch in einen Club, denn Dagcilar hat am nächsten Tag Geburtstag und sie wollen reinfeiern. Ob Besucher von außerhalb Europas den türkischen Tourismussektor wieder auf die Beine bringen können, bleibt abzuwarten. Selbst wenn Istanbul vielleicht von den Besuchern aus dem Nahen Osten profitiert, aufs ganze Land gerechnet machen sie nur rund zehn Prozent aller Türkeitouristen aus. Die Zahlen sind deutlich: Bei den meisten Herkunftsländern – auch jenseits von Europa – gibt es einen Rückgang.
* In einer vorigen Version haben wir in der Bildunterschrift das Gebäude falsch bezeichnet. Es handelt sich um die Sultan-Ahmed-Moschee.
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