Trotz Internet - wir sind die Reisebüroweltmeister
Die Deutschen reisen gern: In die Türkei, nach Spanien, in die USA oder nach Südostasien. Auf der ITB in Berlin zeigen Reiseveranstalter ihr Angebot. All das lässt sich im Internet buchen - aber auch das Reisebüro lockt nach wie vor viele Kunden an.
Hochbetreib im Derpart Reisebüro Ehlert in Berlin Schöneberg. Die drei Kundenberaterinnen haben alle Hände voll zu tun. Anrufe gehen ein, E-Mail-Anfragen werden bearbeitet, Kunden betreut. Jürgen Gärtner hat mit seiner Frau gerade Reiseunterlagen für Dubai abgeholt - und bucht gleich noch eine Kreuzfahrt.
"Gut, das war das, und dann hätten wir gerne für die Probefahrt von 'Mein Schiff 4', morgen ist ja buchbar, da würden wir gerne, ob sie versuchen können, uns da was zu blocken."
Reiseverkehrskauffrau Brita Tiede nimmt den Wunsch entgegen. Sie kennt das Ehepaar Gärtner seit Jahren, es sind Stammkunden. Und für die steht sie morgen gerne auch ein bisschen früher auf:
"Morgen ab 9 Uhr kann man das buchen. Ich bin dann auch pünktlich hier. Die Jungfernfahrt bei 'Mein Schiff 4', da war das auch innerhalb von 20 Minuten, war das Schiff komplett ausgebucht. Also ich habe immer die Kabinen gesehen, die frei waren, wenn ich das angeklickt habe zum Buchen, schwupps war sie raus. Also man musste da wirklich ganz schnell sein."
Das Ehepaar Gärtner schätzt diesen Service. Selbst können sie im Internet nicht so rasch buchen, sie müssen vormittags arbeiten. Beratung und persönlicher Kontakt sind ihnen ebenfalls wichtig. Und: Um- oder Zusatzbuchungen lassen sie problemlos über das Reisebüro organisieren, erzählt Jürgen Gärtner:
"Bei der letzten Kreuzfahrt mussten wir dann noch Hotelübernachtungen dazu buchen. Und das war natürlich dann schon ganz gut, dass wir dann hier vor Ort den Service auch dafür in Anspruch nehmen konnten."
67 Jahre lang war das Reisebüro im gleichen Haus
1946 wurde das Reisebüro Ehlert in Berlin Schöneberg gegründet. Es hat die Zeiten überdauert: Die Teilung der Stadt erlebt und überstanden, das Internet aufkommen sehen - und trotzdem die Kunden gehalten. 67 Jahre lang war das Reisebüro im gleichen Haus. Vor eineinhalb Jahren gab es einen Umzug. Die Kunden sind geblieben, erzählt Claudia Rimkus, die seit fast 40 Jahren im Geschäft arbeitet:
"Wir haben sehr, sehr viele Stammkunden. Wir leben auch hauptsächlich davon, da wir nicht in einer Fußgängerzone oder einem Kaufhaus liegen. Wir sind halt für Leute, die einfach so vorbeikommen, liegen wir nicht günstig. Das sind wirklich Stammkunden und das teilweise über Jahrzehnte hinweg. Und über Mundpropaganda kommen die Leute zu uns. Das ist sehr wichtig. Und daran merkt man auch, dass sie Vertrauen haben. Sie kommen immer wieder."
Telefonat:
"Ja schön guten Tag Herr Mehnert, hier ist Tiede vom Reisebüro Ehlert. Ich wollte ihnen Bescheid geben, dass ihre Reiseunterlagen eingetroffen sind und zur Abholung bereit liegen."
Brita Tiede ist unterdessen mit der nächsten Reise beschäftigt. Kaum ist der Anruf beim Kunden beendet, kommen auch schon neue Urlaubssuchende ins Geschäft. Die Reiseverkehrskaufrau begrüßt Klaus und Margit Oppel - auch sie sind hier bekannt. Das Ehepaar reist viel, war schon in Südamerika, Südostasien und in Europa unterwegs. Im Mai fliegen sie nach Sankt Petersburg.
Klaus Oppel: "Deshalb sind wir hier im Reisebüro. Den Flug haben wir bei Lufthansa über Meilen bekommen. So dass wir jetzt also noch ein Hotel brauchen, beziehungsweise ich habe das schon gebucht, wir müssen hier noch diverse Unterlagen nachreichen."
Aufwändig ist vor allem der Visumsantrag. Zahlreiche Unterlagen müssen vorliegen. Brita Tiede informiert die Kunden.
Tiede: "Für die Visabeantragung brauchen sie auch jeden Fall ein biometrisches Passfoto."
Margit Oppel: "Ach so, Passfotos haben wir auch da."
Klaus Oppel: "Haben wir hier, ja."
Tiede: "Dann wird eine Verdienstbescheinigung verlangt bzw. wenn man Rentner ist ein Rentenbescheid."
Margit Oppel: "Und wenn man gar nichts hat? Wie ich? Hausfrau ... "
Margit Oppel ist unsicher. Britta Tiede verspricht ihr, die Frage zu klären - und das Visum gegen Gebühr zu beantragen. Auch das gehört zum Service im Reisebüro.
Margit Oppel ist unsicher. Britta Tiede verspricht ihr, die Frage zu klären - und das Visum gegen Gebühr zu beantragen. Auch das gehört zum Service im Reisebüro.
Margit Oppel willigt ein - aus gutem Grund, wie sie sagt.
Margit Oppel: "Ja, weil ich mich damit nicht weiter beschäftigen möchte. Ich weiß, dass es eben sehr schwierig ist, dort ein Visum zu beantragen. Und das geht hier einfacher, da gibt's auch mehr Erfahrung. Wir haben ja nicht die Erfahrung, wir beantragen ja nicht jeden Tag ein Visum für Russland."
Auch Sonderwünsche werden erfüllt
Visa beantragen, Schiffskabinen reservieren, Pauschalreisen nach Ägypten, Spanien und Tunesien buchen. All das ist im Reisebüro Ehlert möglich. Auch Sonderwünsche werden erfüllt. Viele Kunden schätzen das, sagt Claudia Rimkus:
"Ganz, ganz viele Kunden, die zu uns kommen, sind halt auch Leute, die halt nicht so 08/15-Reisen im Internet buchen können, weil sie halt drei Kinder haben, oder ein behindertes Kind dabei ist, oder es sind ältere Leute, die besonderes Betreuung brauchen. Man muss halt ein bisschen mehr für die Kunden arrangieren, als halt nur auf den Knopf drücken. Und das kann das Internet eben nicht leisten. Dass ist dann schon positiv, wenn dann jemand da ist, der sich um die Kunden intensiver kümmern kann. Und das wird auch so bleiben. Also diese Kunden werden auch weiterhin kommen."
Natürlich haben die Reisebüros Kunden ans Internet verloren. 2020 wird laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen jede zweite Reise über das Internet gebucht. Und dennoch bleiben die Deutschen mit rund 10.000 Reisebüros "Reisebüroweltmeister". Das Geschäftsmodell hat bestanden. Auch wegen der persönlichen Beratung - und weil der Urlaub im Reisebüro beginnt. So wie bei Ehlert. Ist alles gebucht, gibt es noch eine Flasche Sekt für jeden Kunden. Jürgen Gärtner und seine Frau finden's klasse.
"Die werden in Ruhe zu Hause gekühlt, getrunken und dann kann man sich ein bisschen drauf freuen, auf den Urlaub."