Katharina Döbler, Journalistin und Autorin in Berlin, Redakteurin bei "Le Monde diplomatique", schreibt für "Die ZEIT" und den Rundfunk. 2010 erschien ihr Roman "Die Stille nach dem Gesang".
Wie Urlauber zu Kolonialisten auf Zeit werden
Clubs, Camps und Resorts in aller Welt versprechen dem gestressten Europäer einen Urlaub ohne Sorgen. Was sie anbieten sei oft allerdings so etwas wie "Kolonialismus light", kritisiert die Journalistin und Schriftstellerin Katharina Döbler - zum Auftakt der ITB in Berlin.
Die Internationale Tourismus-Börse zeigt uns wieder einmal die Welt als Reisedestination: zehn Tage Vietnam, 14 Tage Bali, zwölf Tage Kambodscha. Oder Mosambik, Kenia, Marokko, Komoren, Malediven. Indien, Sri Lanka...
In Beach Resorts oder Safari Camps "all over the world" erwarten den ganz normalen Europäer dienstbare Einheimische, die ihm Handtücher hinterhertragen, den Ventilator anschalten, den Cocktail bringen, die Füße massieren oder was er sonst noch möchte. Keinen Finger braucht er krumm zu machen im fremden Land. Und das Beste ist: Es ist total billig. Jedenfalls nach hiesigen Maßstäben. Auch wer sich zu Hause keine Putzkraft leistet, kann sich im Urlaub so richtig bedienen lassen.
Touristen bringen Geld und erwarten Waka-Waka-Tänze
Zu den Höhepunkten solcher Aufenthalte gehören gewöhnlich Darbietungen, die den fremden Zuschauern suggerieren, es handle sich dabei um authentische Gepflogenheiten eines schlichten, fröhlichen, wenn auch etwas rückständigen Völkchens. Ein Völkchen, dem die massenhafte Anwesenheit unzureichend bekleideter, vergnügungssüchtiger Weißer nur zum Vorteil gereicht.
Denn die bringen das dringend benötigte Geld in die jeweilige Region, bringen Jobs und Infrastruktur. Und genießen Waka-Waka-Tänze und Pool-Polonaisen hinter streng bewachten Zäunen.
Nachdenkliche Touristen, entspannt im Liegestuhl, mögen sich da fatal an die Zeiten erinnert fühlen, als Kaiser Wilhelm II. sich daran machte, die Welt am deutschen Wesen genesen zu lassen.
Kolonien waren von Anfang an Wirtschaftsunternehmen
Das ist ungefähr 130 Jahre her, zu einem Zeitpunkt also, als die anderen europäischen Staaten schon längst ihre Claims auf allen Kontinenten abgesteckt hatten. Als überall auf luftigen Veranden der Antillen, Indochinas, Afrikas, Indiens, des Nahen Ostens oder der Südseeinseln schwitzende Weiße saßen und sich von dienstbaren Eingeborenen Getränke servieren, Luft zufächeln und die Füße massieren ließen.
Geschaffen wurden auch damals Jobs – für Dienstboten, Plantagen- und Minenarbeiter beziehungsweise Sklaven - und eine Infrastruktur – man musste die erbeuteten Güter und Menschen ja irgendwie verwalten, kontrollieren und transportieren. Kolonien waren Wirtschaftsunternehmen, so waren sie von Anfang an gedacht. Gepriesen aber wurden sie - von ihren Eigentümern - als Träger des Fortschritts, Brückenköpfe der Zivilisation.
Die Einheimischen bleiben hinter der Glasscheibe
Wer heute nach Bali reist, die ehemals holländische Kolonie, kann in einem Beach-Club all die traditionellen Annehmlichkeiten des Koloniallebens in Anspruch nehmen. Für umgerechnet drei Euro stehen den weißen Touristen auf luftigen Terrassen die Dienste der Einheimischen zu Verfügung. Der Blick schweift zum Meer, das hinter einer Glasscheibe liegt.
Geschwommen wird in einem sauber gechlorten Pool. Wind, fliegender Sand, Schmutz und nicht-dienende Einheimische sind ferngehalten. Die Welten bleiben getrennt.
Das unterscheidet den Tourismus in den Bergen Österreichs vom Tourismus an den Stränden Balis. An manchen Orten bedeutet Gast-Sein eine Teilhabe an den Vergnügungen der Einheimischen. An anderen Orten, wie im weißen Beachclub von Bali, ist der Gast das, was seine Vorgänger vor 130 Jahren auch waren: ein Kolonialist. Allerdings nur für zwei Wochen.