Reporterin Julia Macher über ihre Eindrücke: "Als ich 2004 nach Barcelona zog, prognostizierte ein Architekt, die Stadt würde eines Tages an ihrem eigenen Erfolg zugrunde gehen. Damals tat ich das lachend ab. Inzwischen glaube ich, er hatte Recht. Die Mischung aus mediterraner Lässigkeit und 2000-jähriger Geschichte lockt jedes Jahr 8 Millionen Besucher in die Stadt, Tendenz steigend. Und immer mehr wittern darin das große Geschäft."
Bienvenidos? Touristen vertreiben Bewohner
In Barcelona zu leben ist teuer. Viele müssen wegziehen, weil Städte-Touristen die schönsten Wohnungen belegen und die Preise bestimmen. Ein riesiges Geschäft für Vermietungsportale wie AirBnB - wären da nicht die Stadtverwaltung und die Bewohner Barcelonas, die sich wehren.
"Die Menschen werden aus ihrem Zuhause vertrieben", sagt Vladi Olivelles, Gründer einer Bürgerinitiative im neuen Boomviertel Barcelonas, Sant Antoni, und klebt ein Protestplakat an einen Stromkasten. Er mobilisiert für eine Demonstration gegen den Ausverkauf der Stadt. 2 Millionen Einwohner hat Barcelona und über 8 Millionen Besucher. Die wollen alle irgendwo übernachten und buchen gerne eine Wohnung in einem Viertel mit "authentischen Ambiente" – so wird Sant Antoni in Reiseführern angepriesen. Wenn es aber so weitergeht wie bisher, wird es das echte Barcelona gar nicht mehr lange geben, sind sich die Aktivisten in der Bürgerinitiative sicher.
"In ganz Barcelona steigen die Mieten. Aber hier spürt man den Druck besonders. Weil das Viertel in ist und die vielen Touristenapartments den Wohnraum verknappen. Es gibt 570 Apartments mit offizieller Lizenz, aber allein auf AirBnB werden 900 angepriesen."
Und AirBnB ist nur eines der Internetportale, die Ferienwohnungen anbieten. Die Weitervermietung von Wohnungen an Touristen ist inzwischen zu einem lukrativen Job geworden, bei dem man deutlich mehr verdient als im sonstigen Tourismusgewerbe. Juanjo hat früher im Hotel gearbeitet. Jetzt ist er auf AirBnB aktiv.
Zweckentfremdung dank hoher Verdienste
"Natürlich verdiene ich sehr viel mehr als das, was ich im Hotel verdient habe. Das ist doch klar. Ein paar Apartments gehören mir, ein paar habe ich angemietet von Eigentümer, die mehr aus ihrer Wohnung rausschlagen wollen. Ich zahle ihnen etwas mehr als den regulären Mietpreis und beute dafür die Wohnung aus."
"Etwas mehr", das bedeutet gut und gerne das Doppelte. Da guckt auch ein Vermieter nicht mehr so genau hin und nimmt in Kauf, dass die sogenannte Zweckentfremdung von Wohnraum in Barcelona illegal ist.
Die Stadtverwaltung schickt Kontrolleure los, die nicht gemeldete Ferienwohnungen ausfindig machen und Strafzahlungen veranlassen. Für die Fahndung im Internet gibt es eine eigene Arbeitsgruppe, die ausschließlich Anzeigen in verschiedenen Sprachen ermittelt. Die Kontrolleure agieren vor Ort, klingeln, fragen Touristen, wo sie die Wohnung gebucht haben. Ziel ist es, die Vermieter ausfindig zu machen, nicht die Touristen zu vertreiben. Es ist möglich, die Wohnung zu legalisieren oder sie wieder dem städtischen Wohnungsmarkt zuzuführen. Im letzteren Fall gibt es einen Strafnachlass. Der Praxistest vor Ort zeigt allerdings, dass die Recherche durchaus ihre Tücken hat. Die Kontrolleure brauchen von den Touristen viele Angaben, am besten auch die Buchungsnummer.
"Da wir keine Reservierungsnummer bekommen haben, können wir diese Wohnung auf AirBnB wahrscheinlich nicht finden. Also müssen wir noch mal kommen. Wenn wir dann wieder Touristen auffinden, reicht das auch aus, um eine Schließung zu verfügen und eine Strafe zu verhängen."
Widerstand regt sich
Die Maßnahmen zeigen Wirkung. Es spricht sich herum, dass die Stadtverwaltung die Entwicklung nicht mehr länger hinnehmen will und dass es bald ein Ende haben könnte mit dem leicht verdienten Geld. Die Bewohner Barcelonas tun das Ihrige dazu. Sie protestieren lautstark gegen die steigenden Mieten wie im Boomviertel Sant Antoni. Lali, die dort seit Jahren in einer 28 qm kleinen Dachwohnung lebt, die sie selbst ausgebaut hat, hat die Kündigung bekommen. Sie soll gehen. Sofort hat sie sich den Protesten angeschlossen.
"Das ist knallharte Gentrifizierung. Sie werden für diese Schrottwohnung 1000 Euro verlangen und sie an irgendeinen europäischen Ausländer vermieten, der sie sich mit seinem ausländischen Lohn leisten kann."
Dies ist die gekürzte Manuskriptfassung.
Und hier: Das vollständige Manuskript als pdf.