Tourismuskrise

"Dies ist ein furchtbares Jahr für Tunesien"

Blumen liegen am 28.06.2015 an der Stelle am Strand des Hotel Imperial Marhaba in Sousse (Tunesien), wo die Briten Sue Davey und Scott Chalkley erschossen wurden. Mindestens 38 Menschen starben bei einem Terroranschlag in dem tunesischen Badeort Sousse - größtenteils Urlauber.
Blumen liegen am 28.06.2015 an der Stelle am Strand des Hotel Imperial Marhaba in Sousse (Tunesien), wo die Briten Sue Davey und Scott Chalkley erschossen wurden. Mindestens 38 Menschen starben bei einem Terroranschlag in dem tunesischen Badeort Sousse - © Andreas Gebert/dpa
Von Alexander Göbel |
Nach dem Blutbad von El Kantaoui mit 38 toten Urlaubern ist Tunesiens Tourismusbranche im freien Fall: Flüge werden gestrichen, Kreuzfahrtschiffe machen einen Bogen um das Land. Viele Menschen reisen ab oder kommen gar nicht erst. Doch die Tunesier kämpfen für ihren wichtigsten Wirtschaftszweig.
Gerade hatte der tunesische Premierminister beteuert, man habe alles getan, um für die Sicherheit der Urlauber zu sorgen. Mehr als 100.000 Sicherheitskräfte seien im Land unterwegs, sogar Armeereservisten seien mobilisiert, allein 3000 Polizisten seien auf Stränden, in Hotels und archäologischen Plätzen im Einsatz.
Doch die britische Regierung befürchtet weitere Anschläge und holt die Landsleute aus Tunesien nach Hause. Dänemark, Irland und Finnland haben mit Reisewarnungen nachgezogen. Die Folgen für Tunesien seien fatal, so Nabil Ammar, tunesischer Botschafter in London: Je mehr Entlassungen, desto mehr Verzweiflung, sagt der Diplomat. Und je mehr Verzweiflung, desto mehr Radikalisierung.
"Das ist doch genau das, was die Terroristen wollen. Menschen werden ihre Arbeit verlieren. Es geht hier um eine sehr wichtige Branche, an der viel hängt: Transport, Gesundheitswesen, Dienstleistungen - das alles wird getroffen."
Seit dem Anschlag auf das Hotel Imperial Marhaba haben schon tausende Urlauber Tunesien verlassen, viele sind erst gar nicht gekommen, haben die Ferien storniert oder umgebucht. Viele Hotels in Hammamet oder Sousse stehen bereits leer, mehr als 2600 Angestellte wurden entlassen. Auch die Ferieninsel Djerba ist betroffen. Gerade erst mussten dort vier Hotels schließen, mehr als 300 Mitarbeiter stehen ohne Job da.
"Wir sind sehr traurig. Dies ist ein furchtbares Jahr für Tunesien. Aber wir können jetzt nicht die Hände in den Schoss legen, wir versuchen, die Zeit zu nutzen, um noch besser zu werden. Wir sind froh, dass wenigstens die Tunesier zu uns kommen ins Restaurant, durch sie haben wir immer noch Reservierungen."

"Das Attentat hat uns den Rest gegeben"

Sagt Karima Souid. Sie ist Managerin im Palais Bayram, einem Luxushotel in der Medina von Tunis. Sieben Jahre wurde der Palast des Mufti aus dem 18. Jahrhundert aufwändig renoviert. Seit der Eröffnung im Februar hat Karima Souid Sorgen: Erst im März das Attentat auf das Nationalmuseum von Tunis mit 21 toten Urlaubern, dann im Juni der Anschlag von Sousse mit 38.
Einige Gäste haben nun auch bei Karima Souid storniert. Die wenigen, die da sind, haben eigene Sicherheitsbeauftragte an der Seite.
"Das Attentat von Sousse hat uns wirklich den Rest gegeben. Jetzt haben wir wieder einen Ausnahmezustand, und das verunsichert die Menschen noch mehr."
Fast eine halbe Milliarde Euro Einnahmen dürften Tunesien nach den Anschlägen wegbrechen, schätzt die Tourismusministerin: ein Viertel der Einkünfte des vergangenen Jahres. Ein bitterer Verlust. Denn der Tourismus macht mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, fast eine halbe Million Menschen sind in der Branche beschäftigt. Insgesamt sind mehr als zwei Millionen Tunesier mit ihren Familien vom Tourismus abhängig.

"Wir brauchen mehr Mut"

Bislang gilt der Tourismus als Rückgrat der tunesischen Wirtschaft. Das müsse so bleiben, sagt Farhat Ben Tanfous - Hotelbesitzer auf Djerba und Direktor des Hotelfachverbandes.
"Also, der Motor ist nicht Angst. Wir brauchen mehr Mut. Wir müssen alle auf unsere Geschäfte aufpassen, auf unsere Touristenzonen aufpassen, auf uns aufpassen. Jetzt müssen wir endlich die Ärmel hochkrempeln und arbeiten."
Tunesiens Regierung wolle kämpfen, sagt Farhat Ben Tanfous anerkennend. Und Tunesiens Gesellschaft wolle das auch.
"Das tunesische Volk ist sehr offen und sehr stark. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Attentäter uns K.O. schlagen können. Definitiv nicht."
Und dann erzählt er noch von den deutschen Urlaubern, die ihn angerufen haben: Der deutsche Reiseveranstalter habe ihre Flüge gestrichen, sie wollten nun aber über ihn buchen – und unbedingt nach Djerba kommen.
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