Pferdefreunde dringend gesucht
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Leere Zuschauerränge, sinkende Preisgelder, immer weniger Rennen: Der deutsche Trabersport ist in der Krise. Vor allem im Westen der Republik, einst eine Hochburg des Trabrennens. Hoffnung machen nur die kleinen Rennbahnen - und eine Crowdfunding-Initiative.
Dinslaken, die 70.000-Einwohner-Stadt am Niederrhein, ist – ähnlich wie etwa Gummersbach für den Handball – für viele ein Synonym für Trabrennsport. Doch viele von denen kommen nicht mehr auf die Trabrennbahn, die trotz ihrer Nähe zur Stadt Abgeschiedenheit vermittelt. Und oft eine ungewollte Ruhe. Architektonisch geht es auf eine Zeitreise in die achtziger Jahre. Der Regieturm könnte auch auf einem Flugplatz stehen, das in grün gehaltene Ensemble der Tribünengebäude wirkt überdimensioniert. Im Inneren der Haupttribüne erinnert die Holzkonstruktion daran, dass es auf dem Gelände einmal Stallungen gegeben hat. Geschichte. Heute befindet sich dort eine Altenpflegeeinrichtung.
Nur etwa jeder vierte der kleinen Tische in der Tribüne ist mit Leuten besetzt, die bei Bier und Wurst in die Rennprogramme vertieft sind und ihre Wetten am Totalisator platzieren. Hier wettet man gegen Mitkonkurrenten, woraus sich die Gewinnquote ergibt. Durch die Panoramafenster verfolgen sie die Rennen auf dem achthundert Meter langen Geläuf.
Der Gewinn kommt aus anderen Veranstaltungen
Dicht gedrängte Zuschauermassen vor den Tribünen, die gebannt auf die Rennbahn schauen – das vermitteln nur noch Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden. Sie lassen die Gegenwart noch trister erscheinen. Eines der Tribünengebäude, dreigeschossig und für siebentausend Besucher ausgelegt, wurde vor Jahren geschlossen. Wirtschaftlich war dies sogar ein Glücksfall, erzählt Detlef Orth, Rennsekretär im Dinslakener Rennverein.
"Die wird jetzt regelmäßig benutzt für zahlreiche Veranstaltungen und so macht der Rennverein natürlich auch neutrale Erträge, die dann auch letztendlich dem Rennsport zufließen. Wir konnten unter anderem jetzt die Rennpreise erhöhen, verdoppeln sogar, aufgrund dieser Veranstaltungen, die wir nebenbei machen. Wir haben hier regelmäßig die Universität Duisburg-Essen zu Gast. Die Studenten schreiben ihre Klausuren hier. Dann haben wir viele, viele Hochzeiten, Ausstellungen, Spielzeugwaren-Messe, Katzenausstellung, Krankenkassen- Ausstellung... Also, ganz, ganz, ganz viel. Und ja, da kommt das Geld eben dann rein hier für den Rennverein, ja."
Denn der Verein braucht diese Einnahmen aus dem Veranstaltungsbereich dringend, um ein Minimum an Rennbahnleben aufrecht zu erhalten mit gerade einmal vierzehn Renntagen pro Jahr. Früher waren es zwei pro Woche.
"Wir veranstalten gerne, aber unter dem Strich dürfen wir uns natürlich nicht dermaßen verschulden, dass der Rennverein letztlich in die Insolvenz getrieben wird. Hatten wir schon mal gehabt, vor über zehn Jahren. Andere Vereine haben ja schon geschlossen, Recklinghausen hat 2006 die Bahn zugemacht. Oben im Norden ist Elmshorn geschlossen worden. Bei uns läuft's eigentlich noch relativ gut. Wie gesagt aber nur aufgrund dieser neutralen Erträge, die wir haben. Also jede Rennveranstaltung, die wir abhalten, ist verlustig. Jeden Renntag machen wir Verluste, die eben dann durch diese neutralen Erträge ausgeglichen werden. Nur so können wir den Rennbetrieb eigentlich noch aufrecht erhalten hier. Pro Renntag, ich denke mal, machen wir ein Minus von sieben, achttausend Euro."
Die Rennbahn muss Wohnraumneubau weichen
Nicht mehr lange, dann wird die Bahn in Dinslaken Geschichte sein. Sie wird überbaut, das ganze Gelände inklusive der siebzehntausend Quadratmeter Fläche, die das Geläuf umfasst. Von bezahlbarem Wohnraum ist die Rede. Doch bezahlbar für wen? In der Nachbarschaft stehen Einfamilienhäuser mit parkähnlichen Gärten. Am Silvestertag 2022 findet der letzte Renntag statt.
Ein Jahr früher noch schließt die Trabrennbahn in Mönchengladbach. 2021, nach dann 128 Jahren – die älteste Bahn im Westen. Im Frühjahr noch hatte man circa 140.000 Euro in den neuen Belag der Bahn investiert, im Herbst wurden die Verträge gekündigt. Der benachbarte Flugplatz soll erweitert werden.
Längst vorbei sind die Zeiten als auf einer Entfernung von achtzig Kilometern vier große Bahnen existieren konnten. Jeden Tag wurde auf einer von ihnen ein Rennen veranstaltet, erinnert sich Altmeister Eckhardt Drees, der hier viele seiner 940 Siege als Fahrer und 2200 Siege als Trainer einfuhr:
"Als es dem Sport sehr gut ging, haben wir zum Beispiel im Westen – Gelsenkirchen, Dinslaken, Recklinghausen und Mönchengladbach – jeden Tag eine Zeit Rennen gehabt. Das heißt, ich weiß, einmal bin ich dreizehn Tage jeden Abend zum Rennen gewesen. Die Rennen wurden dann in der Woche abends gelaufen und an Sonn- und Feiertagen begannen die Rennen circa vierzehn Uhr."
Nur Gelsenkirchen wird mittelfristig überleben
An diesen traditionellen Zeiten hält man schon lange nicht mehr fest. Insbesondere in Gelsenkirchen, der einzigen Bahn, die im Westen mittelfristig überleben wird. Nur wenige erinnern sich noch an eine Außenübertragung des Aktuellen Sportstudios oder an Autokolonnen bei der Anreise.
"In Gelsenkirchen, wenn man da sonntags zum Rennen gefahren ist und man kam nicht gerade früh zum Rennplatz. Dann war vielleicht um vierzehn Uhr Rennbeginn und man tauchte so gegen 13.30 Uhr auf, da hatte man an der Autobahn schon einen absoluten Rückstau, der von der Rennbahn kam. Und von der Autobahn bis zur Rennbahn waren es dann vielleicht auch nochmal zwei bis drei Kilometer. Und da dann letztendlich einen Parkplatz zu bekommen, das ist noch gar nicht mal allzu lange her... Also, das war dann schon ein Glücksfall, wenn Sie da noch einen Parkplatz bekommen haben. Gehen Sie jetzt mal zur Rennbahn – kein Problem, da einen Parkplatz zu bekommen."
Vor allem dann nicht, wenn so genannte PMU-Rennen stattfinden. Die PMU, das ist die französische staatliche Wettgesellschaft. Sie ist mit 51 Prozent am deutschen Vermarkter German Tote beteiligt und bestimmt somit den Takt. Um den Preis, dass Rennen de facto für den französischen Markt ausgetragen und online übertragen werden. In Frankreich ist die Pferdewette im Alltag als etwas Selbstverständliches verankert, ähnlich dem Lottoladen in Deutschland. Mehr als 230 Rennbahnen gibt es in Frankreich. Man trabt dort finanziell in anderen Dimensionen, erklärt der dreifache Amateur-Derbysieger Günther Lühring:
"Inzwischen werden deutsche Pferderennen nach Frankreich live übertragen, übers Internet in die ganzen Bistros und Wettannahmestellen, auch im Internet bewettbar. Und durch diese Möglichkeit hat der deutsche Wetter die Möglichkeit, eben in den französischen Toto zu wetten. Weil dort ein Vielfaches der Wettumsätze stattfindet. Ich sag mal, um eine Zahl zu nennen: Wir haben heute noch im deutschen Rennsport vielleicht noch 35 bis 40 Millionen Euro Wettumsatz. In Frankreich liegen wir bei neun bis zehn Milliarden!"
Nur 500 Euro für den Sieger
Der Niedergang des deutschen Trabrennsports verstärkte sich mit dem Aufkommen der Onlinewetten. Im Schnitt etwa zwei Drittel der Umsätze werden per Mausklick generiert. Indem nun deutsche Rennen für den französischen Markt ausgetragen werden – gern auch wochentags und über Mittag – erhöhen sich durch die PMU allerdings auch die Wettquoten und die Rennpreise. Da wird ein PMU-Rennen dann schon einmal mit vier- oder fünftausend Euro dotiert. Gewöhnliche Rennen liegen bestenfalls bei der Hälfte, der Sieger fährt mitunter fünfhundert Euro ein.
In Gelsenkirchen sind in diesem Jahr 16 von 27 Renntagen so genannte PMU-Renntage. Einer davon im Oktober. An einem Dienstagmittag drei PMU-Rennen ab zwölf Uhr. Als Internet-Pausenfüller. Nur wenige Besucher verloren sich auf der Rennbahn, der durchschnittliche Rennumsatz lag bei 2800 Euro, knapp 500 davon wurden auf der Bahn umgesetzt, der Rest im Internet. Siebzehn Prozent Bahnumsatz, 83 Prozent Außenumsatz heißt das im Fachjargon. Dennoch sieht Ulrich Mommert, Vizepräsident beim Hauptverband für Traberzucht, die PMU und ihre Gelder als Überlebenshilfe an:
"Drei Prozent vom Umsatz bekommt der Hauptverband für Traberzucht und der verteilt dieses Geld dann an die Vereine. Das läuft momentan gut. Das heißt, momentan werden die Kosten des Rennens total bezahlt. Der Rennverein muss nur noch seine Kosten, die er hat – was weiß ich, Stall, Gelände, Kasse und so weiter – das muss er selber bezahlen. Und die Rennleitung, die das kontrolliert. Das andere bezahlt aber die PMU über den Hauptverband. Die Franzosen zahlen insgesamt an alle Länder, die haben ja nicht nur die Deutschen zum Übertragen. Von dieser Seite her ist das für den deutschen Sport, ich würde mal sagen, eine Existenzgrundlage, um überhaupt zu atmen."
In Hamburg und Berlin läuft es besser
Um zwölf Uhr mittags drei PMU-Rennen anzubieten, weil es "fünf vor zwölf" ist – davon ist man in Hamburg-Bahrenfeld dank Geldgeber Wolfgang Herz weit entfernt. Ebenso in Berlin-Mariendorf, wo die Zuschauer lieber am Wochenende kommen und dies durch das Investment von Ulrich Mommert auch tun können:
"Man wäre genauso abhängig. Nur, wir haben so gut wie keine PMU-Rennen hier in Berlin. Wir sagen uns einfach, Montag früh um elf oder zwölf Uhr, wie sollen wir da die Leute hierher kriegen? Das ist auch uninteressant. Wir verlieren unser Stammpublikum: die Leute, die gewohnt sind, dass die am Wochenende auf die Bahn kommen."
Das finanzielle Engagement Ulrich Mommerts sorgt für höhere Rennpreise – verglichen mit anderen Bahnen – und lockt auch Fahrer aus größerer Entfernung an. Denn hier haben sie viel eher als anderswo die Chance, kostendeckend zu fahren. Für ein Rennpferd kalkuliert man im Schnitt mit tausend Euro an Kosten pro Monat. Und in Mariendorf erhält man schon mal als Dritter in einem Rennen Preisgelder, die man anderenorts nicht einmal als Sieger einfahren würde.
Doch auch die beiden Höhepunkte im Rennkalender – die Derby-Woche und die Rennserie "Breeders Crown" – täuschen nicht darüber hinweg: Der Alltag in Berlin-Mariendorf ist ebenso grau wie anderswo auch. Gab es früher zwei Renntage pro Woche, so ist es inzwischen einer alle vierzehn Tage. Und der ist auch nur überschaubar besucht:
"Auf der Bahn, sagen wir mal, dreihundert. Ich kann nur das Beispiel geben: Nach dem ersten Renntag nach dem Derby kam plötzlich eine Frau mit Hut an und guckte und sagte: Was ist denn hier los? Wo, wo, wo bin ich denn jetzt hier? – Ja, das ist der normale Renntag. Also, mit Hut ist dann schon nicht mehr interessant."
Hoffnungsträger Quakenbrück?
Vergleichbare Besucherzahlen wie bei der Derbywoche in Berlin schreiben sie an den kleinen Standorten im Land auch, auf den so genannten C-Bahnen. Ulrich Mommert sowie den Geschäftsführer des Artländer Rennvereins in Quakenbrück, Jens Lampe, eint dabei eine Herausforderung:
"In Hamburg und Berlin gibt’s ja große Renntage, wo auch wirklich viel Publikum ist. Aber ich glaube, es geht darum, diese Event-Besucher sozusagen langfristig für den Pferderennsport zu interessieren und das muss irgendwo dann auch aus dem Pferderennsport kommen. Dass der Pferderennsport sich da dementsprechend dann auch positiv dargestellt bekommt."
In Quakenbrück – das liegt westlich der A1 zwischen Osnabrück und Oldenburg – war der einzige Renntag des Jahres mit achttausend Zuschauern gut besucht. Ihnen wurde die ganze Palette des Reitsports präsentiert.
"In Quakenbrück ist der Renntag vor 27, 28 Jahren wiederbelebt worden und wir haben das hier als Familienrenntag konzipiert. Das heißt, wir haben nicht nur ein Pferderennen und nicht nur eine Art von Pferderennen, Trab oder Galopp. Sondern wir mischen Trab und Galopp. Wir haben darüber hinaus einen Kutschenkorso und versuchen halt auch, über einen Spielparcours für Kinder und ähnliche Sachen ein sehr sehr breites Publikum anzuziehen. Damit wir einfach die Masse haben und dadurch auch Atmosphäre bei uns auf dem Renntag erzeugen können. Was dann auch für die Aktiven insoweit schön ist, als dass – was uns gesagt wird – sie gerne zu uns nach Quakenbrück kommen. Was sich dann auch wieder in den doch sehr guten Starterfeldern dokumentiert."
Die C-Bahnen sind weiter im Aufschwung
Die Regionalität steht im Vordergrund, das spiegelt sich auch in der Liste der Sponsoren wider. Manch Mittelständler präsentiert sich gern als Stifter eines Rennpreises und überreicht den dann vor großem Publikum an den Sieger. Und der Rennverein muss nur dreizehn Sponsoren pro Jahr finden statt pro Monat, wie auf den großen Bahnen. Doch der generelle Vergleich zwischen großen und kleinen Bahnen funktioniert nicht, betont Detlef Orth. Der Rennsekretär aus Dinslaken ist im münsterländischen Drensteinfurt sportlicher Leiter:
"Der neutrale Besucher, der normalerweise nicht zur Rennbahn geht, aber zur C-Bahn geht, für den steht die Leistung des Pferdes gar nicht mal so im Vordergrund. Der dürfte auch kaum ein Pferd vom anderen Pferd großartig unterscheiden, was ein gutes Pferd ist und was ein weniger gutes Pferd ist. Er möchte sie einfach nur laufen sehen, er möchte sie bewetten. Und auf den C-Bahnen klappt das sehr sehr gut mit den Wetten. Da ist fast jeder dabei. Und die Umsatzzahlen haben es in den letzten Jahren auch gezeigt: Diese C-Bahnen sind nach wie vor weiter im Aufschwung. Und da muss ich schon sagen, diese C-Bahn-Veranstaltungen, die sind Werbung für den Sport. Da wird das Pferd auch so'n bisschen als Pferd noch gesehen und wahrgenommen. Nicht unbedingt als Leistungsträger, sondern das Pferd an sich. Und das ist hier auf den großen Bahnen vielleicht so ein bisschen abhandengekommen."
In der Volksfest-Atmosphäre vergisst man leicht, dass Pferderennen vorgeschriebene Leistungsprüfungen des Tierzucht-Gesetzes sind. Der Unterhaltungsfaktor und die Wetten der Besucher sind da nur Beiwerk, seit mehr als hundert Jahren übrigens, sagt Günther Lühring:
"Für relativ wenig Geld, für ein oder zwei Euro, kann sich jeder ein Pferd kaufen für das betreffende Rennen. Er fühlt sich als Eigentümer, als Besitzer. Und Jockey und Pferd oder Sulkyfahrer und Pferd kämpfen um den Sieg und um Plätze genau für den Wetter, der für zwei Euro einen Mindesteinsatz am Totalisator getätigt hat. Und wenn das Pferd dann gewinnt, hat er ein Riesen-Erfolgserlebnis. Selbst wenn er mal zwei Euro verloren hat, kommt ein Gefühl auf, als wenn er für hundert Euro sich Spaß gekauft hätte. Und so soll man die Pferdewette sehen. Und wenn das viele Menschen machen, dann hat auch der Pferderennsport die Möglichkeit, finanziell zu überleben."
Kleine Bahnen: Schaufenster für den großen Trabersport
Der Vorsitzende des Verbands nordwestdeutscher Rennvereine hat dabei im Auge, dass die kleineren Standorte keine PMU-Rennen veranstalten. Zweimal hat der 76-Jährige in den letzten fünf Jahren als Aktiver das Trabrennen im Watt vor Cuxhaven-Duhnen gewonnen. Er und sein Pferd bringen es gemeinsam auf neunzig Jahre:
"So ist es angedacht, dass die im ländlichen Bereich, in den Außenbereichen der großen Zentren, eben als Schaufenster fungieren für den großen Sport, aber halten eben den Pferderennsport im Gespräch. Das ist die Aufgabe der kleineren Bahnen wie hier oben meinetwegen das Duhner Wattrennen. Wo dann dreißigtausend Besucher sind oder Stove mit zehntausend, Quakenbrück immer zehntausend. Hooksiel an einem normalen Mittwochabend bei gutem Wetter immer zwischen drei- und fünftausend Besucher. Dann Drensteinfurt nicht zu vergessen, im Westen, haben auch immer fünf-, sechstausend Besucher. Bedburg-Hau wird auch sehr gut angenommen in den letzten Jahren, Sonsbeck am Niederrhein auch. Da ist man schon bemüht, was für den Rennsport zu erreichen."
Lange Jahre war Lühring auch Vorsitzender des Hooksieler Rennvereins und Miterfinder der dortigen Abendrennen auf der Bahn direkt hinterm Nordseedeich. In den Achtzigern war dies Neuland, doch es funktioniert auch heute noch, sagt sein Nachfolger Immo Müller:
"Wir haben sehr viel Zuschauerzuspruch, davon lebt der Hooksieler Rennverein auch. Und wir haben eigentlich auch so zwei- bis viertausend Zuschauer, je nach Situation. Und davon natürlich auch etwa drei Viertel Urlaubsgäste. Teilweise buchen sie den Urlaub schon anhand der Hooksieler Renntage. Und wir sind sehr zufrieden, dass wir den Sport rüberbringen können. Aber natürlich sind wir auch angewiesen auf Hilfe von Sponsoren, von örtlichen Betrieben, die uns unterstützen. Und froh sind, teilweise hier auch am Mittwochabend so genannte After Work-Renntage verbringen zu können."
Doch auch in Hooksiel wurde die Zahl der Renntage reduziert von früher fünf auf heute drei, und auch die Starterfelder sind dünner besetzt:
"Das ist unser Hauptproblem, dass wir einen Startpferdemangel haben und wirklich bemüht sind, unsere acht Rennen auch voll zu bekommen. Früher starteten, Sie müssen sich vorstellen, in so 'nem Rennen durch die Bank immer zwölf Pferde. Heute starten sieben, acht, wenn's hoch kommt, mal neun Pferde. Gerade in Hooksiel leben wir von der Nähe der niederländischen Grenze. Wir haben viele niederländische Rennsportfreunde dabei. Ein Drittel bis die Hälfte der Starter sind Niederländer. Wenn die nicht bei uns starten würden, dann hätten wir auch keine Renntage mehr. - Das andere, das Unterstützen der Sponsoren und auch Mitarbeiter, ehrenamtliche, zu finden, da müssen wir dran arbeiten. Aber das ist, denke ich mal, eher handhabbar als ein Startpferdemangel. Den kann man nicht so Knall auf Fall beheben."
Bei Mensch und Pferd fehlt es an Nachwuchs
Es fehlen Pferde, es fehlt aber auch der Nachwuchs bei den Züchtern, gibt Eckhardt Drees zu bedenken. Der 73-jährige Fahrer und Trainer führt gemeinsam mit seiner Frau seit fast 45 Jahren einen Trainingsbetrieb in Lüdinghausen nahe Münster:
"Wir haben früher in besten Zeiten mal circa dreitausend Mutterstuten gehabt und sind leider Gottes auf einem Stand von heute dreihundert. Das sind zehn Prozent von dem, was wir mal hatten. Bedingt dadurch gibt es weniger Besitzer. Es gibt weniger Züchter. Es ist so, ich habe vierzig junge Leute ausgebildet. Und früher habe ich jede Woche mindestens zwei Anfragengehabt für eine Lehrstelle. Heute im halben Jahr vielleicht eine. Und das alleine sagt schon einiges aus."
Der deutsche Trabrennsport lahmt auf nahezu allen Ebenen. Das wird dann besonders deutlich, wenn Detlef Orth in Dinslaken die Spirale des Niedergangs komprimiert nachvollzieht:
"Weniger Besucher, weniger Umsatz am Totalisator. Weniger Umsatz am Totalisator, bleibt weniger Geld für den Rennverein. Der Rennverein kann wieder nur geringe Preise auszahlen oder kleinere Preise. Kleinere Preise zieht wieder nach sich, dass der Besitzer das Pferd nicht mehr halten kann, weil der Rennpreis einfach zu klein ist und der das Pferd nicht mehr ernähren und versorgen kann. Es wurden weniger Pferde – und so ging das immer weiter, bis dahin, wo wir jetzt angekommen sind."
"GoTrabGo" will Trabrennen wieder voranbringen
Bei insgesamt weniger Pferden als früher kann ein Umkehrschwung aber auch nur im gemäßigten Tempo erfolgen. Einen Beitrag dazu leisten will die Initiative GoTrabGo. Sie versucht, neue Interessenten zum Trabrennsport zu bringen, indem man sie zu Pferdemitbesitzern macht. Ein Anteil kostet einmalig 99 Euro. Weitere Kosten entstehen nicht. "Traberparti" nennt sich das Crowdfunding-Projekt. Victor Gentz reitet eines der Pferde mit vielen Besitzern:
"Wir haben heute ein Pferd aus der Traberparti qualifiziert. Der Andrang an unserem Stall war sehr groß. Und das freut mich auch, man kriegt überall Feedback, dass die Leute mitfiebern. So werden bestimmt auch der eine oder andere Besitzer motiviert, wieder ein Pferd zu nehmen, auch alleine zu nehmen. Und ja, je mehr kleine Besitzer es im Trabrennsport gibt, desto besser ist es natürlich für den Sport. Zwei im Augenblick zweijährige Pferde, das ist 'Robustus Ferro' und 'Mockridge', werden in 1600 Anteile unterteilt, Besitzanteile. Man ist Mitbesitzer des Pferdes und hofft natürlich in den Rennen, dass die gut abschneiden werden. Und am Ende der Laufzeit wird das Geld, was sie verdient haben, und auch das Geld, was übrig geblieben ist aus dem gesamten Pott, wird dann auch wieder an die Anteilseigner ausgezahlt."
Um deren Anzahl zu erhöhen, müssen dicke Bretter gebohrt werden, berichtet Traberparti-Mitorganisator Bernhard Rosengarten.
"Wir haben verschiedenste Bekanntmachungswege, um das Projekt zu vermarkten. Das Verteilen von Flyern. Natürlich gehört es auch, Reklame in Fachzeitschriften zu machen. Auf anderen Sportveranstaltungen, auch Pferdesportveranstaltungen jeglicher Art. Und natürlich auch Social Media, Facebook et cetera. Und darüber ist der Bekanntheitsgrad mittlerweile gekommen und wächst und wächst. Beim ersten Projekt hatten wir noch dreihundert Anteilseigner, beim zweiten Projekt schon dreihundertachtzig. Das dritte Projekt ist noch nicht abgeschlossen und wir bewegen uns schon auf die Anzahl von fünfhundert zu."
Der Gedanke an sich hat Fürsprecher. Und doch bewegt man sich mit dem Crowdfunding-Projekt noch zu sehr in einem Kreis von Leuten, die ohnehin schon pferdeaffin sind. Aber jeder Interessent ist ein kleiner Hoffnungsschimmer und wird dankbar angenommen, damit der deutsche Trabrennsport nicht in den Sonnenuntergang reitet.
"Ja, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wir arbeiten an vielen Ecken. Es gibt viele Leute, die wirklich enthusiastisch daran arbeiten, auch den Sport ordentlich zu vermarkten, ihn ordentlich nach außen hin zu repräsentieren... Ich weiß nicht, wo es hingeht. Wir arbeiten dran."