Trachten-Erhaltungsverein "Dö Koasawinkla"

Eine analoge Form von Social Media

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Vier Schuhplattler tanzen auf einer Bühne.
Aktive Brauchtumspflege: Beim Preisplatteln treten Vereine gegeneinander an. © Picture Alliance / imageBROKER / Hartmut Pöstges
Von Heinz Schindler · 17.01.2021
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Wer bei Gebirgstrachten-Erhaltungsverein an Gamsbart, Krachlederne und Janker denkt, liegt richtig. Die 23 Vereine im Chiemgau sind zugleich mehr, weil sie auch Jugendarbeit machen. Das Herzstück bleibt aber das Tanzen. Ein Besuch in Reit im Winkl.
Als einen Sportverein sieht man sich nun wirklich nicht beim Gebirgstrachten-Erhaltungsverein "Dö Koasawinkla" aus Reit im Winkl. Doch spätestens, wenn man sich mit anderen der 23 im Chiemgau-Alpenverband organisierten Vereine beim Preisplatteln trifft, hat Brauchtum auch einen Wettbewerbscharakter.
"Man braucht da natürlich schon Kraft, man braucht Koordination", sagt Michael Neumaier, Ehrenvorstand der Koasawinkla. Er war selbst Vorplattler. "Das wird in den Proben geprobt und dann im Preisplatteln auch gezeigt. Preisplatteln, Dirndldrahn – auf Vereinsebene oder auf Gauebene wird der Beste ermittelt. Der sportliche Aspekt ist da, wobei natürlich bei uns in erster Linie das Brauchtum eine Rolle spielt. Dass jeder sich misst, das gehört natürlich auch dazu."

Vom Werbe- zum Schautanz

Das Platteln war ursprünglich ein Werbetanz, später ein Schautanz. Daher platteln mehrere Männer – Buam – gemeinsam. Im Chiemgau bis zu 20.
Leichtfüßig, elegant im Ausdruck. Auch auf die Lautstärke der Schläge auf Hose und Schuhe kommt es an. Die Dirndl – synonym für Frauen – drehen sich mit hoher Geschwindigkeit um ihre eigene Achse und zugleich um die Buam.
"Es gibt Preisrichter, da gibt es eine Punktzahl, die beginnt bei 10.0. Dann werden die Zehntel abgezogen, wenn man Fehler macht. Dementsprechend wird daran gefeilt, dass man möglichst an 9.8 oder vielleicht 9.9 – das haben die Spitzenplattler dann – rankommt. Da hat man in der Regel einen Kreis, wo man sich als Plattler aufhalten muss und wo man nicht drüber hinaus kommen darf. Auch die Dirndl müssen dementsprechend ihre Runden drehen und möglichst wenig Fehler machen", erläutert Neumaier.
Porträt von Michael Neumaier und Graz Mühlberger in Trachten.
Michael Neumaier und Graz Mühlberger pflegen die Tradition der "Gebirgstrachten-Erhaltungsvereine".© Deutschlandradio / Heinz Schindler
Dafür, so Vereinsvorstand Graz Mühlberger, werde kräftig trainiert. "So nach Ostern fangen wir meist mit den Proben bei den Kindern und Jugendlichen oder auch mit den Aktiven an. Einmal wöchentlich hat man eine Probe. Bei den Aktiven dauert es meistens ein bisschen länger, bei den Kindern ist es ungefähr auf eine Stunde begrenzt, bei den Kindern macht das nicht so viel Sinn, wenn man das in die Länge zieht, dann verliert man natürlich auch die Freude."

Früh übt sich…

Schon im Alter von fünf oder sechs Jahren kommen die Kinder in den Verein. Die Trachten werden bezuschusst. Erst als junge Erwachsene kaufen sie sich ihre eigene.
"Die Kinder sind relativ stolz drauf, dass sie die Tracht anziehen können", sagt Mühlberger. "Es gibt viele Veranstaltungen wie zum Beispiel die Erstkommunion oder auch ganz wichtig der Schulbeginn, wo immer wieder beim ersten Schultag die Buben und Dirndl in Tracht erscheinen."
450 Mitglieder haben die Koasawinkla. Sie sehen ihre Aufgabe neben der Pflege des Brauchtums auch darin, den Zusammenhalt im 2500-Einwohner-Ort zu fördern. Der Trachtenverein ist sehr präsent, begleitet kirchliche ebenso wie weltliche Feste. Von Fasching über Fronleichnam, Erntedank bis in den Advent hinein.
Eine analoge Form von Social Media sei man, meint Graz Mühlberger: "Der Trachtenverein ist natürlich auch ein Verein, der eine bestimmte Ortszugehörigkeit erfordert. Meistens ist man schon stolz, wenn man diese Tracht präsentieren kann. Bei uns heißt ja die Tracht auch: Das ist eigentlich unser bestes Gewand. Das zieht man auch gern bei solchen hohen Anlässen mit an."

4500 Mitwirkende beim Festzug

120 Jahre besteht der Trachtenverein in Reit im Winkl in diesem Jahr. Er hat den Zuschlag erhalten, das Gautrachtenfest auszurichten. Im Leben eines Trachtlers kommt dies nur drei- oder viermal vor, berichtet Michael Neumaier:
"So ein Fest richtet man bei uns alle 20 Jahre aus. Da muss der ganze Ort mithelfen, sämtliche Vereine braucht man da."
Beim Festzug wirkten 4500 Menschen mit, verdeutlicht Neumaier die Dimensionen: "Da sind unsere 23 Gauvereine, dann hat man auch noch benachbarte und befreundete Vereine. Da sprechen wir auch schon von einer Dimension, wo es auch wirtschaftlich eine ganz schöne Herausforderung für den Verein ist."
Vor allem, weil immer noch nicht klar ist, ob das Fest im Juli stattfinden kann oder ob die Koasawinkla ein stilles Jubiläum feiern müssen.
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