Trainieren, wo keine Bomben fallen
Wie erging es Fußballspielern im Ersten Weltkrieg? Der Bundesliga-Verein "Eintracht Frankfurt" betreibt ein Museum, in einer Sonderausstellung wird die Zeit zwischen 1914 und 1918 dokumentiert - spannend für junge Nachwuchsspieler von heute.
Max Miot-Paschke spielt in der U 16 von Eintracht Frankfurt. Der Erste Weltkrieg ist für das fünfzehnjährige Nachwuchstalent normalerweise ziemlich weit weg. Wie viele Gleichaltrige weiß er wenig darüber:
"So gut wie nichts."
Auch deshalb ist Max-Miot Paschke an diesem Nachmittag zum Eintracht-Stadion gekommen, um sich mit dem Ersten Weltkrieg auseinanderzusetzen. Denn der Bundesliga-Verein betreibt im Stadion ein eigenes Museum. In einer Sonderausstellung widmet sich der Club dem Fußball in Frankfurt am Main während des Krieges von 1914 bis 1918.
Museumsleiter Matthias Thoma hat die Ausstellung zusammengestellt. Während sich viele Fußballvereine inzwischen mit ihrer Geschichte im Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen, ist das Thema "Fußball im Ersten Weltkrieg" bisher kaum bearbeitet, besser meint Matthias Thoma:
"Der Erste Weltkrieg ist jetzt 100 Jahre her. Das fällt den Vereinen auch immer noch schwer. Und da bringt es auch noch mit sich, dass die Quellenlage einfach ganz schwierig ist, weil du findest nichts mehr. Im 2. Weltkrieg hast Du immer noch einen Opa oder Uropa, der was erzählen kann. Aber frage mal jemanden von 1914, da findest Du einfach keinen mehr."
Deshalb muss es eben mit Archivmaterial gehen die Ausstellung in Frankfurt am Main bietet davon einiges. Sie beginnt mit einem Foto, das britische und deutsche Spieler gemeinsam zeigt – in Frankfurt am Main, wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
"Das war 1914. Die erste Mannschaft der Eintracht hat gegen Bradford City gespielt. Und Brandford City war damals englischer Pokalsieger. Die haben 1911 den englischen Pokal in Wembley gewonnen, die hatten ja schon Profitum. In Deutschland war das noch so, die haben aus Spaß Fußball gespielt und das war der erste Sieg einer Frankfurter Mannschaft über ein englisches Team. Das war damals eine Riesennummer. Ne Frankfurt Mannschaft hat ne englische Profimannschaft besiegt. (...) Das war ein sehr freundschaftliches Treffen im Mai 1914. Und einige Wochen später ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Und die, die dann noch fröhlich zusammengespielt haben, waren dann Feinde ab dem Moment."
Fußballspielen mit zwei Toren?
200 Frankfurter Fußballer mussten an die Front – der Vorläuferverein von Eintracht Frankfurt hatte zu diesem Zeitpunkt insgesamt nur 1000 Mitglieder. Weihnachten 1914 spielten dann doch wieder Engländer gegen Deutsche Fußball – während des sogenannten "Weihnachtsfriedens" in den Schützengräben. Auch das wird in der Frankfurter Ausstellung erzählt. Dazu dient unter anderem ein Ausschnitt aus einem Spielfilm, den sich Jugendspieler Max-Miot Paschke sehr genau anschaut:
"Da ist ein großes Schlachtfeld und der Ball wurde eben aus dem Schutzgraben rüber geworfen. Deutschland hat die weiße Fahne gehisst. Angezeigt, das Frieden ist und daraufhin haben die Engländer den Ball zurückgeworfen."
Im Film wird gezeigt, wie sich aus dieser Szene im Matsch der Frontlinie ein Fußballspiel entwickelt. Max-Miot Paschke fragt ein wenig ungläubig bei Ausstellungsmacher Matthias Thoma nach:
Wie soll man da überhaupt Fußball spielen? Mit zwei Toren oder wie?
Matthias Thoma: "Ja, das war tatsächlich ein Problem. Es gab ja keine Anlagen. Im Krieg, an der Front gab es ja keine Anlagen. Man hat sich, wie Du früher als Kind gespielt hast, wenn Du irgendwo eine Wiese hattest, hat man ein paar Klamotten dahin gelegt, ein paar Klamotten dort, dann hattest Du Dein Tor. Oder man hat einfach einen Spaten hingestellt. Selten gab es auch ein paar richtig ausgebaute Sportanlagen hinter der Front, wo man richtig Sport treiben konnte."
Trotz dieser widrigen Umstände brachte der Erste Weltkrieg in Deutschland einen starken Aufschwung für den Fußball – der sich dann nach Kriegsende in wachsenden Mitgliederzahlen der Vereine und besser besuchten Stadien zeigte. Auch das ist für U16-Talent Max-Miot Paschke neu:
"Also zusammengefasst: Das der Fußball durch den Krieg sehr berühmt geworden ist. Dass der Krieg den Fußball eigentlich vereint hat, kann man sagen."
Fußball-Boom nach dem Krieg
Matthias Thoma: "Das finden wir auch in den Vorgängervereinen der Eintracht, dass der irgendwo aus Frankreich geschrieben hat: Bitte schickt mir einen Fußball, damit wir Fußball spielen können. Und die Eintracht hat dann Fußbälle dahingeschickt, damit die Soldaten Fußball spielen konnten. Und tatsächlich gab es nach dem Krieg dann einen großen Boom im Fußball."
An einer Ausstellungswand im Stadion hängen 104 kleine Tafeln mit den Namen der Gefallenen aus beiden Vorgängervereinen der Eintracht - aus der örtlichen Turngemeinde und dem Frankfurter Fußballverein, die erst nach Kriegsende fusionierten. Matthias Thoma zeigt Jugendspieler Max-Miot Paschke am Ende des Rundgangs noch ein Luftbild, auf dem die Bombenangriffe markiert sind, die die Main-Metropole auch schon im Ersten Weltkrieg überstehen musste. Jedoch nicht dort, wo der Fünfzehnjährige heute trainiert:
"Der Riederwald ist oben rechts. Also da, wo Du trainierst sind also keine Bomben gefallen. Die waren eher am Ostbahnhof, rund um den Hauptbahnhof und dann quasi in der Stadt noch welche."
Max-Miot Paschke ist von der Ausstellung beeindruckt – und will das Eintracht-Museum im Bundesliga-Stadion weiter empfehlen:
"Ist auf jeden Fall gut für die Leute, die beim Verein spielen, für die Jugendmannschaften und auch für andere, sich zu informieren. Das kann man sich nicht vorstellen."