Gesunde Alternative oder gefährlicher Trend?
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Akupunktur, Schröpfen und Pulver aus Seepferdchen: Die traditionelle Medizin boomt in China. Auch in Europa schwören viele auf die alternative Heilmethode – trotz fehlender Beweise aus der Wissenschaft.
Lange galt die traditionelle chinesische Medizin in China als rückständig. Mehrfach gab es Versuche, sie komplett zu verbieten. Doch seit den 50er-Jahren entdecke China den Wert dieser Medizin wieder, erklärt Paul Unschuld, Sinologe und Medizinhistoriker am Berliner Universitätsklinikum Charité. Kürzlich habe die chinesische Regierung sogar angekündigt, die traditionelle Medizin als gleichwertige Alternative zur westlichen Schulmedizin zu fördern.
In Europa habe sich die chinesische Medizin eingegliedert in eine Bandbreite alternativer Heilverfahren, so Unschuld. Dies sei aber kein Problem: "Ich bin an der Charité. Jeder weiß, dass unsere moderne Biomedizin zwar sehr effektiv ist, aber natürlich nicht alle medizinischen Probleme lösen kann. Insofern ist es völlig verständlich, dass Teile der Bevölkerung von alternativen Heilverfahren Hilfe erwarten. Und sie bekommen ja auch Hilfe."
Glaube als Teil des Heilungsprozesses
Ob die Medizin aus China allerdings wirklich helfe, sei eine sehr schwierige Frage. Auch Glaube könne ein Aspekt in Heilungsprozessen sein. Aber: "Wir haben keine wissenschaftlichen Belege, die uns erlauben würden zu sagen: Hier ist eine Therapie, die standardmäßig immer wieder bei dem Problem eine Heilung vermittelt. Das ist schlicht nicht vorhanden", sagt Unschuld.
Viele Menschen hätten Bedenken oder auch negative Erfahrungen mit der Schulmedizin gemacht. "Ich denke im Jahre 2019 sind wir in einer freien Gesellschaft, wo man den Menschen die Möglichkeit lassen muss, dieses oder jenes in Anspruch zu nehmen. Aber wenn sie Brustkrebs haben oder Gebärmutterhalskrebs, da gehen sie nicht zum Akupunkteur. Da kommen sie hier in die Charité oder ein anderes sehr gutes Krankenhaus."
Vielfalt des Heilsystems nicht einschränken
Trotzdem gebe es genügend Leiden, bei denen man überhaupt nicht wisse, ob die Zuneigung ausreiche, die die Schulmedizin dem Patienten zukommen lasse, um über eine Zeit der Spannungen hinwegzukommen, so der Medizinhistoriker. Für ihn ist es bereits ein großer Vorteil, dass Menschen von jemandem Zuneigung erfuhren und nicht allein mit ihrer Krankheit fertig werden müssten. Daher sieht er auch keinen Grund, "in die Vielfalt unseres Heilsystems einschränkend einzuwirken".
(rod)