Traditionelle Handwerkskunst
Nach 1492 entwickelte sich das Handwerk des "Blaufärbers" – heute fast vergessen. In der ostfriesischen Stadt Jever verschrieb sich Georg Stark in den Achtzigerjahren der Rekonstruktion dieser traditionellen Handwerkskunst. Zu sehen ist sie bis heute in einem kleinen, aus nur zwei Räumen bestehenden Museum.
Georg Stark: "Ich zeige mal eben die Geräusche."
Wofür man im Radio ja immer dankbar ist. Georg Stark, von Hause aus Historiker, jetzt "Blaudrucker zu Jever", hat zweifellos ein treffsicheres Gespür für akustische Präsentationen.
Georg Stark: "Quietschen tut’s hinten noch besser, aber es geht, ja."
Was für ein herrliches Geräusch, wenn der eiserne Kronenreifen über dem Färbebottich, der "Küpe", mit dem kleinen Flaschenzug hochgezogen wird.
Und auch dies klingt nicht schlecht.
Georg Stark: "Ich kann einen Stoff bedrucken, und dann wird das Model aufgelegt. Von Hand. Ich kann aber auch den Hammer benutzen."
Quod errat demonstrandum: In dem alten Speichergebäude – erbaut 1822 - geht es sehr, sehr sinnlich zu beim Drucken und Färben. Hören, riechen, anfassen, fast ‚sinnliches Schmecken’.
Georg Stark: "Moin! Also das Spülen bisschen ..."
Mit direktem Kontakt zu den Nachbarn.
Georg Stark: "Moin. Moin. Alte Herrschaften, alte Nachbarn. Wasserhahn könnte ich noch ein bisschen darstellen. Dann könnte ich noch ein bisschen Show machen. Okay?"
Durchaus! Zunächst steht Georg Stark, der sich das alte, vergessene Blaudrucker-Handwerk ...
"Obwohl ich Historiker bin von Hause aus, aber war mir das auch unbekannt."
... selbst beigebracht hat, durch Recherche und Zusammentragen alten Wissens ... Georg Stark steht jetzt vor dem sauberen, jetzt eben noch weißen Bauwollstoff.
Georg Stark: "Wenn Sie mit dem Mikrofon vielleicht etwas tiefer gehen."
Auf einer Art großem Stempelkissen streicht der Blaudrucker eine Art grüne Farbe aus, um die Muster dann von Hand oder mit einem Hammerschlag mit den so genannten ‚Modeln’ aufzutragen. An die 460 dieser teilweise jahrhundertealten Modeln hat Georg Stark in Jever zusammen getragen. Der bedruckte Stoff wird jetzt in den Indigo-Bottich behängt.
Georg Stark: "Der Stoff bleibt dann 30 Minuten im Färbebad. Und wenn wir ihn dann später herausziehen, dann werden wir unser blaues Wunder erleben."
Die 30 Minuten bieten Gelegenheit für einen Zeitsprung in die frühe Neuzeit.
Vor Jahrhunderten ... oder ... Moment.
Georg Stark: "Ich muss eben die Uhr stellen, fürs Färben. Pardon, habe ich vergessen."
Vor Jahrhunderten also.
Georg Stark: "Sie wissen, wo Columbus hinwollte. Seeweg nach Indien."
Rufer: "Land in Sicht!"
Georg Stark: "Zwar andersrum, aber er wollte nach Indien."
1492.
"... ist dieses Land unser, und ich nenne es ..." (Filmton "1492")
Nun ja, im Endeffekt Amerika. Aber hier geht es um eine kleinere Entdeckung nach der großen. Die Europäer wussten, dass in Indien - Synonym für alle fremden asiatischen Länder -, vieles war, was es zu Hause nicht gab: Gewürze, Tee, Seide, Porzellan, Baumwolle und ...
Georg Stark: "Und jetzt kommt’s: Indigoblau. Wir sind ja in der Zeit der Pflanzenfarben, und wir haben in Europa keine gute ... keine gute Färbepflanze, die ein Blau liefert."
Stoff, der blau war, damals nicht selbstverständlich! Was Indigo wertvoll machte für Europäer...
Georg Stark: "”Indigofera tinctoria.""
... Indigo musste aus der Neuen Welt importiert werden und war damit teuer. Auch heute noch klingt im Wort "Indigo" ein exotischer Klang nach. Georg Stark will mit seinem Museum, das von der Stadt Jever und dem Land Niedersachsen unterstützt wird, etwas vom Alten aufbewahren.
Georg Stark: "Nun gut, ich bin einerseits ein Museum. Das heißt, ich bewahre alte Techniken. Ich bewahre alte Muster. Allerdings lebe ich auch davon. Und das ist auch nun das, wenn man so will, Besondere meiner Werkstatt, dass man bei der Arbeit zusehen kann und findet das dann auch interessant als Kunde und kauft."
Das Färben des Radio-Baumwollstoffes ist inzwischen abgeschlossen. Und zu bestaunen gibt’s das ‚blaue Wunder’. Der weiße bedruckte Stoff war in der schwarz-blauen Indigo-Tinte. Die halbe Stunde ist vorbei.
Georg Stark: "Jetzt ziehe ich das mal raus. Sie würden normalerweise ja erwarten, dass aus dieser schwarz-blauen Suppe auch ein blauer Stoff rauskommt."
Doch zu sehen ist nicht ein blauer, sondern ein gelblicher Stoff. Vor dreihundert Jahren wäre dem Besucher der Unterkiefer herunter gefallen. Alchemie?? Teufelswerk?
Georg Stark: "Und nun gibt es dieses schöne alte Sprichwort, warte, du wirst dein "blaues Wunder" erleben. Nun warten Sie mal!"
Und siehe da! Plötzlich bemerke ich, wie der gelbe Stoff sich verwandelt.
"Scheinbar wie durch Magie ..."
... und in einer viertel Stunde wird er blau sein.
"Wer wusste das vor Jahrhunderten?"
Vom "blauen Wunder" geht es direkt zum anderen Sprichwort. Lange Stoffbahnen hängte der Blaufärber ziehharmonikaartig auf den Kronenreifen über den Farbbottich. So eng, dass die Bahnen sich berührten und keine Luft bekamen.
Georg Stark: "Also musste der Färbergeselle eine sehr undankbare Arbeit vollführen."
Der schob einen Stock zwischen diese klitschnassen, schweren Laken und schlug sie auseinander, um den Oxidationsvorgang zu beschleunigen, wie wir heute sagen und verstehen würden. Anders vor Jahrhunderten:
Georg Stark: "Für Sie als Besucher, der an der Tür stand, schien es, als schlüge er den Stoff grün und blau. Weil bei diesem Schlagen begann der sich zu verfärben, von gelb über grün nach blau. Das ist das berühmte Stichwort vom ´grün und blau schlagen´. Heute eher eine Drohung. Klar, der Ursprung ist vergessen. Indigofärber gibt es praktisch nicht mehr. Nur das Sprichwort, das geistert noch so in unserer Sprach herum. Und gibt so ein bisschen Erinnerung an das alte Blaudruckerhandwerk."
In Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund stellt Deutschlandradio Kultur im Radiofeuilleton jeden Freitag gegen 10:50 Uhr im "Profil" ein deutsches Regionalmuseum vor. In dieser Reihe wollen wir zeigen, dass auch und gerade die kleineren und mittleren Museen Deutschlands unerwartete Schätze haben, die es sicht lohnt, überregional bekannt zu machen und natürlich auch zu besuchen.
Wofür man im Radio ja immer dankbar ist. Georg Stark, von Hause aus Historiker, jetzt "Blaudrucker zu Jever", hat zweifellos ein treffsicheres Gespür für akustische Präsentationen.
Georg Stark: "Quietschen tut’s hinten noch besser, aber es geht, ja."
Was für ein herrliches Geräusch, wenn der eiserne Kronenreifen über dem Färbebottich, der "Küpe", mit dem kleinen Flaschenzug hochgezogen wird.
Und auch dies klingt nicht schlecht.
Georg Stark: "Ich kann einen Stoff bedrucken, und dann wird das Model aufgelegt. Von Hand. Ich kann aber auch den Hammer benutzen."
Quod errat demonstrandum: In dem alten Speichergebäude – erbaut 1822 - geht es sehr, sehr sinnlich zu beim Drucken und Färben. Hören, riechen, anfassen, fast ‚sinnliches Schmecken’.
Georg Stark: "Moin! Also das Spülen bisschen ..."
Mit direktem Kontakt zu den Nachbarn.
Georg Stark: "Moin. Moin. Alte Herrschaften, alte Nachbarn. Wasserhahn könnte ich noch ein bisschen darstellen. Dann könnte ich noch ein bisschen Show machen. Okay?"
Durchaus! Zunächst steht Georg Stark, der sich das alte, vergessene Blaudrucker-Handwerk ...
"Obwohl ich Historiker bin von Hause aus, aber war mir das auch unbekannt."
... selbst beigebracht hat, durch Recherche und Zusammentragen alten Wissens ... Georg Stark steht jetzt vor dem sauberen, jetzt eben noch weißen Bauwollstoff.
Georg Stark: "Wenn Sie mit dem Mikrofon vielleicht etwas tiefer gehen."
Auf einer Art großem Stempelkissen streicht der Blaudrucker eine Art grüne Farbe aus, um die Muster dann von Hand oder mit einem Hammerschlag mit den so genannten ‚Modeln’ aufzutragen. An die 460 dieser teilweise jahrhundertealten Modeln hat Georg Stark in Jever zusammen getragen. Der bedruckte Stoff wird jetzt in den Indigo-Bottich behängt.
Georg Stark: "Der Stoff bleibt dann 30 Minuten im Färbebad. Und wenn wir ihn dann später herausziehen, dann werden wir unser blaues Wunder erleben."
Die 30 Minuten bieten Gelegenheit für einen Zeitsprung in die frühe Neuzeit.
Vor Jahrhunderten ... oder ... Moment.
Georg Stark: "Ich muss eben die Uhr stellen, fürs Färben. Pardon, habe ich vergessen."
Vor Jahrhunderten also.
Georg Stark: "Sie wissen, wo Columbus hinwollte. Seeweg nach Indien."
Rufer: "Land in Sicht!"
Georg Stark: "Zwar andersrum, aber er wollte nach Indien."
1492.
"... ist dieses Land unser, und ich nenne es ..." (Filmton "1492")
Nun ja, im Endeffekt Amerika. Aber hier geht es um eine kleinere Entdeckung nach der großen. Die Europäer wussten, dass in Indien - Synonym für alle fremden asiatischen Länder -, vieles war, was es zu Hause nicht gab: Gewürze, Tee, Seide, Porzellan, Baumwolle und ...
Georg Stark: "Und jetzt kommt’s: Indigoblau. Wir sind ja in der Zeit der Pflanzenfarben, und wir haben in Europa keine gute ... keine gute Färbepflanze, die ein Blau liefert."
Stoff, der blau war, damals nicht selbstverständlich! Was Indigo wertvoll machte für Europäer...
Georg Stark: "”Indigofera tinctoria.""
... Indigo musste aus der Neuen Welt importiert werden und war damit teuer. Auch heute noch klingt im Wort "Indigo" ein exotischer Klang nach. Georg Stark will mit seinem Museum, das von der Stadt Jever und dem Land Niedersachsen unterstützt wird, etwas vom Alten aufbewahren.
Georg Stark: "Nun gut, ich bin einerseits ein Museum. Das heißt, ich bewahre alte Techniken. Ich bewahre alte Muster. Allerdings lebe ich auch davon. Und das ist auch nun das, wenn man so will, Besondere meiner Werkstatt, dass man bei der Arbeit zusehen kann und findet das dann auch interessant als Kunde und kauft."
Das Färben des Radio-Baumwollstoffes ist inzwischen abgeschlossen. Und zu bestaunen gibt’s das ‚blaue Wunder’. Der weiße bedruckte Stoff war in der schwarz-blauen Indigo-Tinte. Die halbe Stunde ist vorbei.
Georg Stark: "Jetzt ziehe ich das mal raus. Sie würden normalerweise ja erwarten, dass aus dieser schwarz-blauen Suppe auch ein blauer Stoff rauskommt."
Doch zu sehen ist nicht ein blauer, sondern ein gelblicher Stoff. Vor dreihundert Jahren wäre dem Besucher der Unterkiefer herunter gefallen. Alchemie?? Teufelswerk?
Georg Stark: "Und nun gibt es dieses schöne alte Sprichwort, warte, du wirst dein "blaues Wunder" erleben. Nun warten Sie mal!"
Und siehe da! Plötzlich bemerke ich, wie der gelbe Stoff sich verwandelt.
"Scheinbar wie durch Magie ..."
... und in einer viertel Stunde wird er blau sein.
"Wer wusste das vor Jahrhunderten?"
Vom "blauen Wunder" geht es direkt zum anderen Sprichwort. Lange Stoffbahnen hängte der Blaufärber ziehharmonikaartig auf den Kronenreifen über den Farbbottich. So eng, dass die Bahnen sich berührten und keine Luft bekamen.
Georg Stark: "Also musste der Färbergeselle eine sehr undankbare Arbeit vollführen."
Der schob einen Stock zwischen diese klitschnassen, schweren Laken und schlug sie auseinander, um den Oxidationsvorgang zu beschleunigen, wie wir heute sagen und verstehen würden. Anders vor Jahrhunderten:
Georg Stark: "Für Sie als Besucher, der an der Tür stand, schien es, als schlüge er den Stoff grün und blau. Weil bei diesem Schlagen begann der sich zu verfärben, von gelb über grün nach blau. Das ist das berühmte Stichwort vom ´grün und blau schlagen´. Heute eher eine Drohung. Klar, der Ursprung ist vergessen. Indigofärber gibt es praktisch nicht mehr. Nur das Sprichwort, das geistert noch so in unserer Sprach herum. Und gibt so ein bisschen Erinnerung an das alte Blaudruckerhandwerk."
In Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund stellt Deutschlandradio Kultur im Radiofeuilleton jeden Freitag gegen 10:50 Uhr im "Profil" ein deutsches Regionalmuseum vor. In dieser Reihe wollen wir zeigen, dass auch und gerade die kleineren und mittleren Museen Deutschlands unerwartete Schätze haben, die es sicht lohnt, überregional bekannt zu machen und natürlich auch zu besuchen.