Tragische Dreiecksbeziehung
Tom Drury beschreibt in "Das Ende des Vandalismus" das Leben in Grouse County in der amerikanischen Provinz - und zeigt die Absurditäten einer Dreiecksbeziehung.
Vor zwei Jahren erst wurde der amerikanische Autor Tom Drury zum ersten Mal auf deutsch verlegt. Und war eine Entdeckung. Ein großartiger Erzähler, der so abgedreht wie lässig bizarre Geschichten schreiben kann.
Auch sein neuer Roman (der keineswegs neu ist, sondern sein erster, der in New York schon 1994 erschien) ist ein Ereignis. Und bestätigt, dass Drury ein Meister in der Kunst des scheinbar absichtslosen Erzählens ist.
Der aus banalen Dialogen Kammerstücke komponiert, wie nebenbei große sozialgeschichtliche Landschafts- und Menschenbilder malt und in der provinziellen Enge eine solch mannigfaltige Fülle an kuriosen Geschöpfen entdeckt, dass man gebannt und taumelnd von einem zum nächsten liest. 71 Personen kommen vor. Sie sind im Anhang aufgelistet.
Alle leben sie in Grouse County. In kleinen Städten und Orten oder auf dem Land. Sie sind Bezirksräte, Feuerwehrleute, Ladenbesitzer, Witwen, Polizisten, Friseurinnen, Farmer. Wir müssen uns nicht alle merken, sie tauchen auf und verschwinden wieder, aber alle sind sie unentbehrliche Figuren in der Dichte des ländlichen Geflechts.
Vor allem geht es um Louise und Dan. Sie arbeitet in einem Fotostudio und lebt seit ihrer Scheidung allein in einem Farmhaus. Er ist Sheriff und haust in einem Wohnmobil.
Sie verlieben sich ineinander. Unbeholfen zärtlich und verlockend sinnlich. Aber nachdem sie geheiratet haben, kann Dan auf einmal nicht mehr schlafen. Wird fahrig. Also stellt Louise ihm einen kleinen Wohnwagen in den Garten, damit er es hat, wie er es früher hatte. Doch dann zieht sie selber dort ein. Nacht für Nacht. Nun schlafen sie beide gut. Und am Tag auch so oft wie möglich miteinander.
Natürlich bleiben auch sie nicht unversehrt. Unglück ist Teil der Normalität. Und es ist die Kunst Drurys, das Lebenselend wie selbstverständlich ins tägliche Dasein einzufügen.
Unwiderstehlich ist sein glühender Blick für absonderliche Lebensmomente. Da ist Helen Plum, die mit einem Auflauf aus Rindfleisch und Makkaroni auf der Polizeistation erscheint, weil sie hörte, dass der Sheriff ein Findelkind geborgen habe, während Joan Gower mit der Bibel herbeieilt, um dem Säugling gleich daraus vorzulesen.
Da ist Louises Mutter Mary, die seit Jahren wuchernden Efeu in ihrem Wohnzimmer züchtet - und eines Tages nach Hause kommt und ein Reh dort findet, das genüsslich die grünen Blätter zupft und frisst. Nicht das verzückte Reh flieht, sondern die erledigte Mary.
Und da sind die Geschworenen in einer Gerichtsverhandlung, die sich mehr mit ihrer Verpflegung als mit dem Fall befassen und dem Richter nach stundenlangen Beratungen als einzige Nachricht zukommen lassen, dass einer von ihnen gerade eine salzfrei Diät mache und man das beim Bestellen des Abendessens berücksichtigen möge.
Drury ist ein poetisch ausgefuchster und geradezu verschwenderischer Erzähler. Als sei sein Füllhorn unerschöpflich. Wo andere um eine einzige seiner Ideen ganze Geschichten herumschreiben würden, gibt es hier eine Szene nach der anderen, die schräg und listig tiefsinnig funkelt. Zu schräg, um sie wirklich wiedergeben zu können. Drury lässt sich nicht nacherzählen. Drury muss man lesen.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Tom Drury: Das Ende des Vandalismus
Roman. Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza
Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2010, 399 Seiten, 21,90 Euro
Auch sein neuer Roman (der keineswegs neu ist, sondern sein erster, der in New York schon 1994 erschien) ist ein Ereignis. Und bestätigt, dass Drury ein Meister in der Kunst des scheinbar absichtslosen Erzählens ist.
Der aus banalen Dialogen Kammerstücke komponiert, wie nebenbei große sozialgeschichtliche Landschafts- und Menschenbilder malt und in der provinziellen Enge eine solch mannigfaltige Fülle an kuriosen Geschöpfen entdeckt, dass man gebannt und taumelnd von einem zum nächsten liest. 71 Personen kommen vor. Sie sind im Anhang aufgelistet.
Alle leben sie in Grouse County. In kleinen Städten und Orten oder auf dem Land. Sie sind Bezirksräte, Feuerwehrleute, Ladenbesitzer, Witwen, Polizisten, Friseurinnen, Farmer. Wir müssen uns nicht alle merken, sie tauchen auf und verschwinden wieder, aber alle sind sie unentbehrliche Figuren in der Dichte des ländlichen Geflechts.
Vor allem geht es um Louise und Dan. Sie arbeitet in einem Fotostudio und lebt seit ihrer Scheidung allein in einem Farmhaus. Er ist Sheriff und haust in einem Wohnmobil.
Sie verlieben sich ineinander. Unbeholfen zärtlich und verlockend sinnlich. Aber nachdem sie geheiratet haben, kann Dan auf einmal nicht mehr schlafen. Wird fahrig. Also stellt Louise ihm einen kleinen Wohnwagen in den Garten, damit er es hat, wie er es früher hatte. Doch dann zieht sie selber dort ein. Nacht für Nacht. Nun schlafen sie beide gut. Und am Tag auch so oft wie möglich miteinander.
Natürlich bleiben auch sie nicht unversehrt. Unglück ist Teil der Normalität. Und es ist die Kunst Drurys, das Lebenselend wie selbstverständlich ins tägliche Dasein einzufügen.
Unwiderstehlich ist sein glühender Blick für absonderliche Lebensmomente. Da ist Helen Plum, die mit einem Auflauf aus Rindfleisch und Makkaroni auf der Polizeistation erscheint, weil sie hörte, dass der Sheriff ein Findelkind geborgen habe, während Joan Gower mit der Bibel herbeieilt, um dem Säugling gleich daraus vorzulesen.
Da ist Louises Mutter Mary, die seit Jahren wuchernden Efeu in ihrem Wohnzimmer züchtet - und eines Tages nach Hause kommt und ein Reh dort findet, das genüsslich die grünen Blätter zupft und frisst. Nicht das verzückte Reh flieht, sondern die erledigte Mary.
Und da sind die Geschworenen in einer Gerichtsverhandlung, die sich mehr mit ihrer Verpflegung als mit dem Fall befassen und dem Richter nach stundenlangen Beratungen als einzige Nachricht zukommen lassen, dass einer von ihnen gerade eine salzfrei Diät mache und man das beim Bestellen des Abendessens berücksichtigen möge.
Drury ist ein poetisch ausgefuchster und geradezu verschwenderischer Erzähler. Als sei sein Füllhorn unerschöpflich. Wo andere um eine einzige seiner Ideen ganze Geschichten herumschreiben würden, gibt es hier eine Szene nach der anderen, die schräg und listig tiefsinnig funkelt. Zu schräg, um sie wirklich wiedergeben zu können. Drury lässt sich nicht nacherzählen. Drury muss man lesen.
Besprochen von Gabriele von Arnim
Tom Drury: Das Ende des Vandalismus
Roman. Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza
Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2010, 399 Seiten, 21,90 Euro