Frauenfußball sei noch nicht überall selbstverständlich, erklärt Alexa Vachon. Vor vier Jahren ist die Fotografin erstmals mit Frauenfußball in Berührung gekommen, seitdem hat sie Hunderte von Fotos von Fußballerinnen gemacht.
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Die Ladies ohne Grenzen
Training in Berlin - die Spielerinnen sind größtenteils Flüchtlingsfrauen - und sie sollen geschützt werden. Vor Pöbeleien, aber auch vor Blicken. Denn hier legen sie ihren Schleier ab. Sie spielen Fußball, in vielen der Herkunftsländer undenkbar.
Eine Turnhalle in der Mitte Berlins. Der genaue Ort wird nicht bekannt gemacht, denn bei diesem Training ist vieles anders: die Spielerinnen sind größtenteils Flüchtlingsfrauen, und sie sollen geschützt werden. Vor Pöbeleien, aber auch vor fremden Blicken. Denn hier in der Halle legen sie ihren Schleier ab und tragen kurze Hosen. Sie spielen Fußball – als Frau. Das ist in vielen der Herkunftsländer undenkbar. In Somalia hält Al-Shabaab, ein IS-Ableger, die Bevölkerung mit Todesdrohungen in Schach. In ihrer Weltsicht gehören Frauen ins Haus, und Ungehorsam wird bestraft, erzählt Nimo.
"Das macht man nicht. Sagen einmal, zweite Mal, beim dritten Mal muss tot machen. Wenn diese group sagen, du musst nicht machen, dann sagen: ich mache nicht."
Sport ist in Somalia nur etwas für Männer. Fußball spielende Kinder auf der Straße werden geduldet, aber für Mädchen im Teenageralter ist das vorbei. Ein heiratsfähiges Mädchen bleibt im Haus – alles andere ist gefährlich. Daran hat sich Nimo in Somalia gehalten. Hier in Berlin ist sie als erste in der Halle, und sie schnappt sich schon mal den Ball, bis auch die anderen Frauen eintrudeln.
Sport ist hier nur ein Medium
Eine halbe Stunde nach Beginn ist die Gruppe auf elf Frauen angewachsen. Die üblichen Strukturen eines Trainings mit pünktlichem Beginn und kontinuierlicher Teilnahme würden hier viele überfordern. Manche Frauen haben Kinder, die während des Trainings betreut werden müssen, deshalb kommen zwei Trainerinnen. Der Sport ist hier nur ein Medium und macht es möglich, die Frauen erst mal vor die Tür zu locken. Trainerin Carmen Grimm:
"Dass es eben einen anderen Schwerpunkt gibt, nämlich zu sagen, Personen sollen erst mal rauskommen, sollen in dem Maße Sport machen wie es ihnen gut tut, wie es aber auch der Alltag erlaubt."
Im Iran kämpfen Frauen darum, bei einem Fußballspiel als Zuschauerinnen dabei zu sein. In Kriegsgebieten, wie in Teilen Syriens, ist an Sport gar nicht zu denken. Für diese geflüchteten Frauen ist jeglicher Sport überhaupt nicht selbstverständlich. Deshalb machen die Ladies von Champions ohne Grenzen auch Angebote außerhalb des Trainings.
"Wir bleiben so ein bisschen an diesem Sportding dran und entdecken zum Beispiel so ein bisschen die Sportlandschaft in Berlin, wo es dann einerseits darum geht, für sich selbst Sportarten zu entdecken, aber auch einfach so ein bisschen Stadionfanerfahrung und so, ne, also so zu Hertha, zu den Eisbären, zu den Füchsen und so weiter ins Stadion zu gehen."
Hilfe bei der Wohnungssuche
Über den Sport hinaus treffen sie sich zum kochen, und die Trainerin hilft schon mal bei der Wohnungssuche. Gesprochen wird dabei wie im Training: Deutsch. Denn das ist ja die neue gemeinsame Sprache. Hilft das Training da weiter?
"Ja, wir verstehen ein bisschen deutsch, immer wir lernen ein wenig Deutsch, ja."
Fußball hat Nimo in Berlin zunächst mit Nachbarskindern auf der Straße gespielt. Der Leiter ihres Wohnheims hat sie dann zu "Champions ohne Grenzen Ladies" vermittelt. Allein hätte sie ihren Verein nicht gefunden.
Äußere Lebensumstände haben oft ein großes Gewicht. Carmen Grimm hat im Training eine Frau kennen gelernt, die erst nach einem Jahr anfing zu sprechen:
"Und dann kam irgendwann der Bescheid dass sie drei Jahre in Deutschland bleiben darf und ab dem Tag ging es halt los, ab dem Tag wurde gesprochen beim Training."
Wer nicht weiß, wie lange sie oder er bleiben kann, ist verunsichert. Dann fragen sich viele, ob es überhaupt Sinn macht eine Sprache zu lernen. Da kann der Sportverein nur unterstützen. Und: Verein und Spielerinnen müssen einander erst mal finden.
Es reicht nicht, nur offen für Flüchtlinge zu sein. Das gilt in besonderem Maße für Frauen aus Ländern, in denen Sport für Frauen tabu ist. Carmen Grimm hofft, dass mehr Vereine in die Offensive gehen, um "aktiv auf Sprachschulen, auf Frauencafés, auf Selbsthilfeorganisationen zuzugehen, und nicht darauf zu vertrauen, dass wenn eine Person möchte, sie diesen Weg automatisch findet."