Transparency International: „Imageverlust“ entscheidend für Rücktritt von Siemens-Aufsichtsratschef
Nach Ansicht von Werner Rügemer von Transparency International hat vor allem der Imageverlust des Konzerns Heinrich von Pierer zum Rücktritt bewegt. Weniger entscheidend sei die "wirkliche Aufklärung" gewesen, erklärte Rügemer.
Christina Selzer: Und verbunden bin ich jetzt mit Werner Rügemer von Transpareny International. Heinrich von Pierer hat abgestritten, etwas gewusst zu haben. Ist das glaubwürdig?
Werner Rügemer: Das könnte durchaus sein, weil es in den großen Konzernen durchaus eine gewisse Kultur des organisierten Nichtwissens in den oberen Etagen gibt, damit man eben auch gewappnet ist für den Fall, dass etwas herauskommt.
Christina Selzer: Andere Aufsichtsratsmitglieder sollen, so berichtet die "Süddeutsche Zeitung" zum Beispiel, von Pierer zum Rücktritt gedrängt haben in den vergangenen Wochen. Gibt es nicht auch Anlass zur Hoffnung, dass es doch noch so etwas wie Verantwortung gibt?
Rügemer: Ja, das ist schlecht von außen zu sagen. Wir erfahren ja wenig, was sich innerhalb des Konzerns, innerhalb des Top-Managements und des Vorstands und des (…) wirklich tut. Ich denke, das wesentliche Motiv für Pierer zum Rücktritt oder ihn dazu zu drängen, war eben der sogenannte Imageverlust des Konzerns und aber sehr viel weniger die wirkliche Aufklärung.
Selzer: In einem Abschiedsbrief hat er sich jetzt über eine unfaire Behandlung und eine Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit beklagt. Zeugt das Ihrer Ansicht nach vielleicht auch von mangelnder Einsicht?
Rügemer: Es ist ja so, dass es bei dem Export-Weltmeister Siemens nun seit Jahren und Tagen immer wieder auch international bekannt gewordene Korruptionsfälle gegeben hat - ob das nun Singapur ist oder Südkorea oder Ägypten oder Griechenland oder Spanien oder Indonesien –, und dass er da im Einzelnen nichts gewusst haben will, ist sehr unwahrscheinlich. Aber selbst wenn das so der Fall gewesen wäre, ist das in seiner Verantwortungszeit wiederkehrend passiert. Es sind auch im Ausland hochrangige Manager, wie zuletzt in Italien, von Siemens verurteilt worden. Also da kann er sich nicht einfach taub stellen.
Selzer: Für ihn stehen die Konzerninteressen im Vordergrund, sagte er. Er sagte auch, die Pflicht seinen Mitarbeitern gegenüber stehe vor den eigenen Interessen. Wie kommt Ihnen das vor?
Rügemer: Ja, es ist ja so, dass auch in der Zeit von Pierers Verantwortung im Vorstand wie auch in anderen Konzernen – das ist ja die Zeit des sozusagen neoliberalen globalen Aufbruchs der 90er Jahre –, da wurden auch bei Siemens den einzelnen Abteilungen – der Kraftwerkssparte, der Telekommunikationssparte – Renditevorgaben gemacht, mit ab zehn Prozent im Jahr. Und wer da drunter fiel, der hatte eine schlechte Perspektive im Konzern. Und den Managern, den Vertriebsleitern, Abteilungsleitern, Spartenvorständen war es natürlich freigegeben im Prinzip, mit Augenzwinkern, ihr könnt Aufträge reinholen mit allen Mitteln. Und dazu gehört im internationalen Geschäftsverkehr und wie wir wissen auch in Deutschland, da gehört einfach die Bestechung dazu, das ist einfach so.
Selzer: Den Nachfolger, Gerhard Cromme, erwartet nun keine leichte Aufgabe. Was muss er jetzt machen, um das beschädigte Ansehen von Siemens wieder aufzupolieren?
Rügemer: Ja, also Herr Cromme ist eigentlich meiner Meinung nach nicht der geeignete Mann, denn er war ja ebenfalls schon nicht nur im Aufsichtsrat, sondern auch im Prüfungsausschuss und als Vorsitzender der Regierungskommission, Corporate Governance, hat er eigene Empfehlungen bei Siemens nicht beachtet. Das heißt also, zu den Empfehlungen dieser Regierungskommission gehört u. a., dass Vorstandschefs, wenn sie ausscheiden, nicht automatisch zu Aufsichtsratsvorsitzenden werden. Und gerade in dem Aufsichtsrat, in dem auch Herr Cromme Mitglied war, hat er das nicht beachtet. Er hat also zugelassen, dass also von Pierer unmittelbar nach der Beendigung seines Vorstandspostens dann Aufsichtsratsvorsitzender gewesen ist. Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass sowohl Herr Cromme als auch von Pierer im Aufsichtsrat von Volkswagen gewesen sind in den letzten Jahren. Und dort haben sie diese langjährige Korruptionsaffäre in der Abteilung von Peter Hartz – wofür Peter Hartz ja nun einmal sogar verurteilt worden ist –, haben sie sozusagen auch nichts gemerkt oder sie haben es sogar gedeckt. Also ich glaube nicht, dass Herr Cromme da sehr geeignet ist.
Selzer: Muss die Wirtschaft jetzt also neue Strategien gegen Korruption schaffen oder einfach nur die alten befolgen?
Rügemer: Das denke ich schon. Diese letzte Anstrengung, die noch aus der Regierungszeit der rot-grünen Koalition datiert, also mit der Gründung dieser Corporate Governance Commission, die hat sich gerade in den Personen Cromme und von Pierer – und gerade in diesen hochrangigen und der Öffentlichkeit ja auch sehr aufmerksam beobachteten Aufsichtsräten von Volkswagen und Siemens –, hat sich einfach nicht bewährt. Da ist das Gegenteil von dem herausgekommen, was beabsichtigt war. Und das zeigt doch, dass hier ganz neue Strategien entwickelt werden müssen.
Werner Rügemer: Das könnte durchaus sein, weil es in den großen Konzernen durchaus eine gewisse Kultur des organisierten Nichtwissens in den oberen Etagen gibt, damit man eben auch gewappnet ist für den Fall, dass etwas herauskommt.
Christina Selzer: Andere Aufsichtsratsmitglieder sollen, so berichtet die "Süddeutsche Zeitung" zum Beispiel, von Pierer zum Rücktritt gedrängt haben in den vergangenen Wochen. Gibt es nicht auch Anlass zur Hoffnung, dass es doch noch so etwas wie Verantwortung gibt?
Rügemer: Ja, das ist schlecht von außen zu sagen. Wir erfahren ja wenig, was sich innerhalb des Konzerns, innerhalb des Top-Managements und des Vorstands und des (…) wirklich tut. Ich denke, das wesentliche Motiv für Pierer zum Rücktritt oder ihn dazu zu drängen, war eben der sogenannte Imageverlust des Konzerns und aber sehr viel weniger die wirkliche Aufklärung.
Selzer: In einem Abschiedsbrief hat er sich jetzt über eine unfaire Behandlung und eine Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit beklagt. Zeugt das Ihrer Ansicht nach vielleicht auch von mangelnder Einsicht?
Rügemer: Es ist ja so, dass es bei dem Export-Weltmeister Siemens nun seit Jahren und Tagen immer wieder auch international bekannt gewordene Korruptionsfälle gegeben hat - ob das nun Singapur ist oder Südkorea oder Ägypten oder Griechenland oder Spanien oder Indonesien –, und dass er da im Einzelnen nichts gewusst haben will, ist sehr unwahrscheinlich. Aber selbst wenn das so der Fall gewesen wäre, ist das in seiner Verantwortungszeit wiederkehrend passiert. Es sind auch im Ausland hochrangige Manager, wie zuletzt in Italien, von Siemens verurteilt worden. Also da kann er sich nicht einfach taub stellen.
Selzer: Für ihn stehen die Konzerninteressen im Vordergrund, sagte er. Er sagte auch, die Pflicht seinen Mitarbeitern gegenüber stehe vor den eigenen Interessen. Wie kommt Ihnen das vor?
Rügemer: Ja, es ist ja so, dass auch in der Zeit von Pierers Verantwortung im Vorstand wie auch in anderen Konzernen – das ist ja die Zeit des sozusagen neoliberalen globalen Aufbruchs der 90er Jahre –, da wurden auch bei Siemens den einzelnen Abteilungen – der Kraftwerkssparte, der Telekommunikationssparte – Renditevorgaben gemacht, mit ab zehn Prozent im Jahr. Und wer da drunter fiel, der hatte eine schlechte Perspektive im Konzern. Und den Managern, den Vertriebsleitern, Abteilungsleitern, Spartenvorständen war es natürlich freigegeben im Prinzip, mit Augenzwinkern, ihr könnt Aufträge reinholen mit allen Mitteln. Und dazu gehört im internationalen Geschäftsverkehr und wie wir wissen auch in Deutschland, da gehört einfach die Bestechung dazu, das ist einfach so.
Selzer: Den Nachfolger, Gerhard Cromme, erwartet nun keine leichte Aufgabe. Was muss er jetzt machen, um das beschädigte Ansehen von Siemens wieder aufzupolieren?
Rügemer: Ja, also Herr Cromme ist eigentlich meiner Meinung nach nicht der geeignete Mann, denn er war ja ebenfalls schon nicht nur im Aufsichtsrat, sondern auch im Prüfungsausschuss und als Vorsitzender der Regierungskommission, Corporate Governance, hat er eigene Empfehlungen bei Siemens nicht beachtet. Das heißt also, zu den Empfehlungen dieser Regierungskommission gehört u. a., dass Vorstandschefs, wenn sie ausscheiden, nicht automatisch zu Aufsichtsratsvorsitzenden werden. Und gerade in dem Aufsichtsrat, in dem auch Herr Cromme Mitglied war, hat er das nicht beachtet. Er hat also zugelassen, dass also von Pierer unmittelbar nach der Beendigung seines Vorstandspostens dann Aufsichtsratsvorsitzender gewesen ist. Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass sowohl Herr Cromme als auch von Pierer im Aufsichtsrat von Volkswagen gewesen sind in den letzten Jahren. Und dort haben sie diese langjährige Korruptionsaffäre in der Abteilung von Peter Hartz – wofür Peter Hartz ja nun einmal sogar verurteilt worden ist –, haben sie sozusagen auch nichts gemerkt oder sie haben es sogar gedeckt. Also ich glaube nicht, dass Herr Cromme da sehr geeignet ist.
Selzer: Muss die Wirtschaft jetzt also neue Strategien gegen Korruption schaffen oder einfach nur die alten befolgen?
Rügemer: Das denke ich schon. Diese letzte Anstrengung, die noch aus der Regierungszeit der rot-grünen Koalition datiert, also mit der Gründung dieser Corporate Governance Commission, die hat sich gerade in den Personen Cromme und von Pierer – und gerade in diesen hochrangigen und der Öffentlichkeit ja auch sehr aufmerksam beobachteten Aufsichtsräten von Volkswagen und Siemens –, hat sich einfach nicht bewährt. Da ist das Gegenteil von dem herausgekommen, was beabsichtigt war. Und das zeigt doch, dass hier ganz neue Strategien entwickelt werden müssen.